Ein neues Urteil (AG Oldenburg, Az. 8 C 8028/15) legt Webdesignern weitgehende Pflichten im Zusammenhang mit der Prüfung von Urheberrechten auf. Am Ende bleibt die Hoffnung, dass das Urteil noch gekippt wird. // von Boris Burow
Nachdem wir uns letzte Woche mit 7 Tipps für Freelancer beschäftigt haben, steht heute ein Thema speziell für Webdesigner an. Es geht um das Urheberrecht. Ein neues Urteil des AG Oldenburg beschäftigt sich mit dem Thema Urheberrecht und der Frage wann der Webdesigner für Urheberrechtsverletzungen seines Kunden haftet. Da das Urteil juristischen Sprengstoff bietet, werde ich es heute besprechen und zeigen wie man in der täglichen Arbeit damit umgeht.
Der Fall ist schnell zusammengefasst und dürfte täglich in den Webagenturen vorkommen. Ein Unternehmen beauftragt eine Agentur mit der Erstellung einer Webseite. Das Unternehmen schickt der Agentur noch einen Kartenausschnitt mit der Bitte, diesen auf der Webseite einzupflegen. Die Agentur kommt der Bitte nach und stellt den Kartenausschnitt online. Einige Zeit später wird das Unternehmen abgemahnt im Hinblick auf die Verwendung des Kartenausschnitts. Das Unternehmen wird zur Zahlung von Rechtanwaltskosten und Schadensersatz verurteilt. Auf diesem Schaden will man nicht sitzen bleiben und verlangt nun von der Agentur Schadensersatz. Da außergerichtlich keine Zahlung durch die Agentur erfolgte, verklagte das Unternehmen die Agentur erfolgreich vor dem Amtsgericht Oldenburg. Die Agentur muss nun die Hälfte des entstandenen Schadens an das Unternehmen bezahlen.
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Das Urheberrecht ist ein Minenfeld
Das Urteil beinhaltet einige Besonderheiten, die dazu führen, dass Webdesignern meines Erachtens nach Pflichten auferlegt werden, die so nicht gerechtfertigt sind. Man kann es nicht oft genug betonen, aber beim Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material kann man nie vorsichtig genug sein. Fotos sind urheberrechtlich in der Regel immer geschützt. Eine Vielzahl von Texten ist ebenfalls nach dem Urheberrecht geschützt. Ebenfalls schützt das Gesetz auch Stadtpläne und Videos.
Eine klassische Webseite ist daher schnell eine Gefahr für Urheberrechtsverletzungen, wenn man nicht darauf achtet, fremde Werke rechtskonform einzusetzen. Kaum überraschen dürfte es, dass ein Webdesigner darauf achten muss, dass er nicht selbst urheberrechtswidriges Material für die Webseite verwendet. Pflegt der Webdesigner ohne Absprache mit dem Kunden Texte und Bilder zur Nutzung auf der Webseite ein, so ist es für diese verantwortlich. Im vorliegenden Fall kam der problematische Inhalt aber von dem Unternehmen selbst.
Das Gericht sieht den Webdesigner in der Pflicht
Dennoch nahm das Amtsgericht Oldenburg hier eine Mithaftung der Agentur an. Die Begründung lautet zunächst, dass ein Webdesigner die Pflicht hat, seine Kunden darüber zu informieren, dass dieser die notwendigen Rechte benötigt, um die Inhalte im Internet zu veröffentlichen. Und mit dieser Pflicht nimmt das Unheil seinen Lauf.
Das Gericht schreibt in seinem Urteil:
Als Fachunternehmen wäre er (der Webdesigner; Anm. der Redaktion) verpflichtet gewesen, sich über etwaige Urheberrechte Dritter zu informieren, zumal auf den ersten Blick erkennbar war, dass die Karte von einem Kartographen stammt und nicht von der Klägerin selbst erstellt worden sein konnte. Insoweit besteht eine vertragliche Beratungspflicht des Webdesigners gegenüber seinen Kunden. Denn es ist Aufgabe des Unternehmers, seinem Kunden ein mangelfreies Werk zu verschaffen. Dies umfasst auch die Rechtmäßigkeit des konzipierten Internetauftritts. Eine Hinweispflicht kann allenfalls dann entfallen, wenn der Kunde aufgrund der Geringfügigkeit der Vergütung nicht mit einer entsprechenden Überprüfung rechnen konnte.
Diese Begründung führt zu einem nicht gerechtfertigten Risiko auf Seiten des Webdesigners. Dieser hätte nämlich die Arbeit des Unternehmens übernehmen und für eine rechtmäßige Verwendung des Kartenausschnitts sorgen müssen. Das Gericht verkennt hierbei völlig, dass eine solche Pflicht in keinster Weise gerechtfertigt ist und statuiert Pflichten, die völlig neben der Sache sind. Der Bundesgerichtshof stellt in schöner Regelmäßigkeit fest, dass derjenige, der urheberrechtlich geschütztes Material nutzt, dafür Sorge zu tragen hat, dass er alle erforderlichen Rechte besitzt. Daher wäre es Aufgabe des Unternehmens gewesen, diese Rechteinhaberschaft sicher zu stellen. Das Unternehmen verwendet den Kartenausschnitt. Der Webdesigner ist letztlich nur technischer Dienstleister und im Ergebnis in der Pflicht die Wünsche des Kunden umzusetzen.
Der Webdesigner als umfassender Rechtsberater?
Jetzt soll der Webdesigner gemäß dem Urteil seine Kunden rechtlich beraten müssen? Gemäß dem Urteil muss also jeder Webdesigner urheberrechtlich beraten damit der Auftraggeber eine rechtlich sichere Webseite erhält. Das kann sicher nicht richtig sein. Es würde bedeuten, dass ein Webdesigner das Wettbewerbsrecht einhalten muss (z.B. für Werbeaussagen), das Datenschutzrecht (für die Datenschutzerklärung der Webseite), die Pflichtangaben für die Anbieterkennzeichnung und am besten gleich noch alle Texte, Bilder und Videos auf urheberrechtliche Unbedenklichkeit prüfen muss.
Ich meine, dass es für solche Aufgaben sogar einen eigenen speziellen Dienstleister gibt – den Rechtsanwalt. Mit dem Urteil kann sich jeder Webdesigner an der Universität einschreiben und Rechtswissenschaften studieren. Die Auferlegung solcher Pflichten kann nicht angemessen sein. Vor allem ist es abenteuerlich anzunehmen, dass diese Pflichten nicht bestehen sollen wenn die Webseite günstig zu haben war. Die Gerichte haben bisher nie Rücksicht darauf genommen ob eine Dienstleistung teuer oder günstig war wenn es um das Thema Haftung für Mängel geht. In Zukunft ist also auch noch der Designer begünstigt, der seine Leistungen für kleines Geld anbietet. Das ist rechtlich nicht haltbar.
Wie soll der Webdesigner konkret beraten?
Wenn man die Anforderungen durch das Gericht einmal durchspielt ergibt sich folgendes Bild. Der Designer weist das Unternehmen darauf hin, dass der Stadtplanausschnitt nur dann verwendet werden darf, wenn … ja, wie denn nun? Das ist jetzt die Frage. Darf man den Ausschnitt gar nicht verwenden sondern muss einen solchen selbst anfertigen? Darf man den Ausschnitt verwenden wenn die Webseite vielleicht nicht kommerziell betrieben wird? Darf man den Ausschnitt verwenden wenn nur wenige Besucher zu erwarten sind? Darf man den Ausschnitt verwenden wenn man den Hinweis auf den Urheber in dem Ausschnitt belässt? Darf man den Ausschnitt verwenden wenn man die entsprechenden Rechte besitzt?
Für letzteres gilt ein ausdrückliches „Ja“. Aber welche Rechte benötige ich denn jetzt? Das wäre dann § 19a UrhG – Das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung. Dieses Wissen kann man nicht von einem Laien erwarten. Wenn der Laie also nun beraten soll kann er doch nur sagen, dass man sich wohl um die Thematik kümmern muss aber konkret wird er niemals feststellen können wann eine Nutzung gerechtfertigt ist. Im Übrigen wäre eine Beratung hierzu wieder problematisch da gesetzlich die rechtliche Beratung im Wesentlichen den Rechtsanwälten vorbehalten ist.
AGB? Nutzlos!
Die Agentur hatte in dem Prozess noch mit ihren eigenen AGB argumentiert. Dort war vermerkt, dass die Prüfpflicht betreffend der Urheberrechte Dritter auf den Kunden übergeht. Aus prozessrechtlichen Gründen konnte dieses Argument vom Gericht nicht mehr berücksichtigt werden, es äußerte sich aber dennoch dahingehend, dass eine solche Klausel rechtswidrig sei. Diese Pflicht obliegt der Agentur und nicht dem Kunden. Je nach konkreter Ausgestaltung der Klausel kann diese in der Tat problematisch sein. Es wird nicht möglich sein, die urheberrechtliche Prüfpflichten auf den Kunden abzuwälzen für Inhalte, die die Agentur selbst online bzw. bereit stellt. Ein Abwälzen für Fremdinhalte, die im Auftrag des Kunden online gestellt werden, halte ich hingegen für möglich. Aber ich gehe davon aus, dass das AG Oldenburg auch eine solche Regelung nicht für rechtmäßig erachten wird. Daher nützt auch eine vertragliche Vereinbarung nichts – zumindest wenn man die Maßstäbe des AG Oldenburg annimmt.
Weiterhin problematisch ist die Ansicht des AG Oldenburg, dass die Agentur zu 50 Prozent für den Schaden aufkommen muss. Erfreulich ist zwar, dass das AG Oldenburg eine Mitschuld bei dem Unternehmen sieht aber im vorliegenden Fall hatte das Unternehmen nicht etwa außergerichtlich eine Unterlassungserklärung abgegeben, um den Schaden gering zu halten sondern hatte die Fristen verstreichen lassen. Dadurch entstanden weitaus höhere Kosten. Diese muss die Agentur zu 50% mittragen obwohl man hätte unproblematisch außergerichtlich eine abschließende Regelung hätte finden können. Daneben hat das Gericht auch keine Notwendigkeit gesehen, die Rechtsanwaltskosten und den Schadensersatz kritisch zu würdigen. Es wird einfach der Schadensbetrag durch zwei geteilt und das soll dann bezahlt werden.
Ein Urteil mit Folgen
Im Ergebnis ein Urteil, das Webdesigner vor unlösbare Probleme stellt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, derzeit beschäftigt sich das LG Oldenburg mit der Angelegenheit. Vielleicht kommt von dort eine praxisnahe Entscheidung. Am Ende bleibt die Hoffnung.
Was rate ich nun Webdesignern? Um das Risiko zu minimeren, rate ich dazu, vor Vertragsschluss den Kunden explizit darauf hinzuweisen, dass eine Webseite eine Vielzahl von urheberrechtlich geschützten Elementen beinhalten kann (Texte, Videos, Bilder, Grafiken, Stadtpläne, Landkarten). Das Urheberrecht ist juristisch komplex und kann umfassend nur von rechtlich geschulten Personen im Bereich Urheberrecht überblickt werden. Man sollte daher seinem Kunden empfehlen, alle Inhalte, die dieser dem Webdesigner zur Veröffentlichung überlässt von einem spezialisierten Rechtsanwalt oder der Rechtsabteilung prüfen zu lassen. Der Webdesigner sollte klar kommunizieren, dass er selbst keine rechtliche Beratung diesbezüglich durchführen kann und auch nicht darf.
In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Fragen? Immer her damit!