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Otto auf Weltreise: 900.000 Kilometer mit dem Auto um die Welt

Ottos-Reise-Weltreise
geschrieben von Tobias Gillen

26 Jahre war Gunther Holtorf mit seinem „Otto“, einem Mercedes 300 GD, unterwegs, ist dabei 900.000 Kilometer gefahren, hat 215 Länder gesehen und 411 Grenzen außerhalb von Europa überquert. Im Interview spricht Holtorf über Hyänen im Busch, den „Sound of Silence“ in der Sahara und warum er Weihnachten schlaflos in einem Schlammloch in Guyana verbracht hat.

Sie wären in Uganda fast zum Mitternachtssnack für einen Leopard geworden.

Der Leopard stand circa 10 bis 15 Meter entfernt, als ich nachts mal raus musste. Die Tiere reagieren auf Bewegungen und wenn ich ihn nicht vorher mit der Taschenlampe entdeckt hätte und aus dem Auto gestiegen wäre, dann wäre der Leopard garantiert rangesprungen – das hätte ich sehr wahrscheinlich nicht überlebt, das ist richtig. Man muss bei so einer Reise auch Glück haben. Wir waren immer vorsichtig und umsichtig – auch mit dem Wagen. In Südamerika sagt man „tratando el coche como una abuela“, also „behandle den Wagen wie eine Großmutter“. Das hat letztlich auch dazu geführt, dass der Wagen durchgehalten hat.

Ihr Wagen war Wohn-, Ess- und Schlafzimmer in einem.

Richtig, und daneben war er auch noch Werkstatt und Küche. Das klappt alles natürlich nur, wenn die Beteiligten – also normalerweise sind es ja zwei Personen bei so einer Reise wie unserer – harmonieren und bereit sind, über 24 Stunden am selben Strang zu ziehen und in die selbe Richtung zu fahren. Ich habe das Glück gehabt, dass meine Frau da auf der selben Wellenlänge lag. Wir hatten im Allgemeinen die selben Ziele und Vorstellungen und konnten dadurch relativ unbeschadet die vielen Jahre mit, um und im Otto verbringen.

Ottos Reise Gunther Holtorf Weltreise

Es gab doch bestimmt auch Streit oder die Zeit, wo man einfach mal alleine sein will.

Letzteres war eigentlich nicht möglich. Das Einzige war, dass mal einer abends nicht beim Kochen dabei war und stattdessen durch den Wald gegangen ist. Aber das ist fast nie vorgekommen. Natürlich gibt es mal eine Meinungsverschiedenheit, das ist ja ganz normal. Aber im Wesentlichen hat es das nicht gegeben und wir waren tatsächlich bis auf die Unterbrechungen, wenn jemand eingekauft hat oder zum Telefonieren gegangen ist, immer zusammen. Das ist natürlich nur möglich, weil man den ganzen Tag mit neuen Erlebnissen konfrontiert wird. Wenn man nur am selben Platz stehen und sich alles nur um sich selbst drehen würde, dann wäre es wahrscheinlich schwieriger.

Gibt es bei einer solchen Reise „den typischen Tag“?

Nein, im Busch ist jeder Tag anders. Es fängt schon damit an, dass jeder Übernachtungsplatz anders ist als der vorherige oder der nächste. Den haben wir immer in den Nachmittagsstunden gesucht und über die Jahre dann auch meist erfolgreich gefunden. Nach dem Aufstehen morgens beim allerersten Tageslicht gegen 5:30 Uhr wurde sich dann – sofern möglich – gewaschen und wurden die Betten gemacht, das Auto also wieder für den Tag umgerüstet. Anschließend gab es Frühstück. Wir haben Glück gehabt, dass wir beide gerne Müsli aßen, denn das ist die einfachste Möglichkeit, im Busch ein vernünftiges Frühstück zu bekommen.

Sie hatten bis zu 30 Kilo Müsli im Gepäck.

Das haben wir meist in Europa aufgefüllt, die üblichen Ein-Kilo-Tüten für 1,70 Euro. Wir haben dazu immer Obst und Milch gegessen, die es aber nicht überall als Frischmilch gab, sondern als Trockenpulver, das wir dann angerührt haben. Damit haben wir ein vernünftiges Frühstück gehabt. Meine Frau hat Gott sei Dank nicht unbedingt Brötchen, Honig und der „BILD“-Zeitung hinterher getrauert, dadurch ging das auch alles.

Wie ging es weiter nach dem Frühstück?

Wir haben natürlich immer vorher schon überlegt, was wir an dem Tag machen wollen. Das Ziel war ja nicht, viele Kilometer zu fahren, sondern möglichst viel von dem Ort zu sehen, wo die anderen normalerweise nicht hinkommen. Es gab Tage, an denen sind wir nur ein paar Kilometer weitergekommen und es hat auch Tage gegeben, an denen sind wir gar nicht weitergefahren und haben nur den Nachtplatz gewechselt.

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Warum?

Aus Sicherheitsgründen ist es besser, nicht zwei Nächte am selben Platz zu bleiben. Wir haben dann geschaut, wo es die Nacht über sicher sein könnte. Das war auch immer erfolgreich, weil wir in keiner Nacht mal unangenehmen Besuch gehabt haben – wir sind also nie überfallen worden nachts. Und von wenigen Ausnahmen mal abgesehen sind wir auch nicht gestört worden, außer manchmal von Tieren. Im Wesentlichen hatten wir gute Nächte im Otto. Als Alternative haben wir in Afrika und Südamerika oft auch in Hängematten geschlafen.

Wie darf man sich einen Abend irgendwo in Afrika oder Südamerika vorstellen?

Wenn wir den Platz gefunden und darauf geachtet hatten, dass der Wagen möglichst waagerecht steht, damit man im Bett nicht hin- und herrollt, wurde im Wagen wieder umgeräumt und das Abendessen vorbereitet. Ich werde oft gefragt, ob wir dann abends da gesessen und irgendein Buch gelesen haben.

Und?

Ich habe immer erklärt, dass das nicht der Fall war. Einmal zog sich diese abendliche Prozedur mit Essen, Zusammensitzen und anschließendem Abspülen in die Länge und zudem waren wir abends meist physisch so müde, dass wir froh waren, wenn wir uns dann in die Waagerechte begeben konnten.

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Sie sprechen es an: „Die Waagerechte“ bestand in Ihrem Otto aus zwei maßgeschneiderten Matratzen auf einer Holzplatte im Kofferraum.

Nicht im Kofferraum, eher in der Kabine. Der Wagen hat in der normalen Ausführung vorne zwei Sitze, in der zweiten Reihe eine Dreier-Sitzbank und dahinter noch eine relativ große Ladefläche. Diese zweite Reihe haben wir ausgebaut und dann im Wagen durchgehend auf halber Höhe die Holzplatte eingezogen, auf der die von Ihnen genannten Matratzen lagen. Die Liegefläche hatte eine Länge von fast zwei Metern und eine Breite von knapp 1,5 Metern. Also im Grunde genommen war die Fläche so groß wie ein normales französisches Doppelbett. Wir hatten aber natürlich nicht die Höhe, man konnte also nicht senkrecht stehen. Wenn man aber einmal liegt und die Augen zu sind, spielt die Höhe letztlich auch keine Rolle mehr.

Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zu einer Komfortzonen-Gesellschaft. Davon haben Sie nicht viel mitbekommen.

Das ist völlig richtig, aber für uns war die Natur die Komfortzone. Das ganze Drumherum war unsere Komfortzone. Man lebt halt in der Natur, aber eben auch mit der Natur. Wenn Sie in der Wüste alleine sitzen und es ist Mondschein und Sie sind absolut alleine, dann ist das wie eine riesengroße Komfortzone. Nicht jeder hat dafür die Antennen und sieht es so. Aber das war Komfort, den ich in jedem Fall einem vorziehen würde, der aus schönen Möbeln oder anderen Dingen besteht. Wir haben das Leben in der Natur wirklich gelebt.

Zurück auf die Straße: Die Fahrbahnqualität der A3 ist – streckenweise – katastrophal. Darüber können Sie bei den Straßen im Kongo oder in Uganda nur sehr müde lächeln, nicht?

Darüber kann ich in der Tat nur lächeln, das ist völlig richtig. Nehmen wir als Beispiel Staus, die findet man nicht nur hier in Deutschland auf den Straßen, sondern überall auf der Welt, insbesondere in der Dritten Welt. Denn dort ist man nicht auf den gestiegenen Autoverkehr vorbereitet und somit sind auch die Staus viel ausgeprägter und belastender als man sich das hier vorstellen kann. Auch was die Straßenqualität anbelangt, kann man das natürlich nicht vergleichen. Wenn ich hier in Deutschland über die popoglatten Asphaltstraßen fahre, denke ich immer, das Auto müsste hier ewig fahren, weil es einfach nicht belastet wird.

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Das war mit Ihrem Otto anders. Sie haben acht Mal das vorderen Achslager wechseln müssen, weil sie den 250.000 Kilometern Offroad-Piste nicht standgehalten haben.

Das stimmt, zwei Mal sogar in der Natur mit dem mitgebrachten Werkzeug. Und wenn es in der Werkstatt gemacht wurde, dann nur mit bordeigenem Werkzeug und vor allem auch unter Benutzung der bordeigenen Ersatzteile. Ich war also dementsprechend ausgerüstet. Aber der Hauptgrund für die Schwierigkeiten mit den vorderen Radlagern war, dass sie bei der ersten Modellreihe, also unserer, einfach unterdimensioniert waren für die Belastungen, die Otto mitmachen musste. Mitte der Reise habe ich die Lager ausgetauscht gegen die neuen und verstärkten des Modells W463, die seit 1990 ausgeliefert wurden. Und seitdem hatten wir keine Probleme mehr mit den Radlagern.

Ich bin froh, dass ich meine Reifen wechseln kann.

Dann macht es natürlich Sinn, dass Sie einen Auto-Blog auf stern.de schreiben.

Punkt für Sie. Aber zu meiner Ehrenrettung: Wir schreiben nur über das Autofahren – und nicht über das Automobil als solches. Aber zurück zum Thema.

Nun, wenn Sie so eine Reise machen, müssen Sie natürlich wissen, wie man einen Schraubenzieher anfasst. Anders geht es einfach nicht, zumindest nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten. Sie sind einfach gezwungen, viele kleine Dinge, die über die Jahre so passieren, zu erkennen und zu wissen, wie sie behoben werden können – und dazu müssen Sie eben auch in der Lage sein, Werkzeug richtig zu bedienen. Also, nicht Sie persönlich, verstehen Sie das jetzt nicht falsch.

Wenn ich mir die Länderliste Ihrer Reise so anschaue, sind da viele Staaten dabei, von denen man Reisenden heute wohl eher abraten würde – allem voran natürlich Nordkorea. Was war denn das einschneidendste Erlebnis auf Ihrer Reise?

Einschneidende Erlebnisse positiver Natur waren sicher die Abende in absoluter Einsamkeit in irgendeiner Wüstengegend, etwa der Sahara, wo Sie den sogenannten „Sound of Silence“ förmlich fühlen können. Das heißt: Die Stille ist so still, dass Sie sie schon wieder hören können – so albern wie das klingen mag. Andere tolle Erlebnisse waren mit Wildtieren: Wir haben mal mehrere Tage nacheinander mit einem Löwenrudel verbracht, das gerade einen Kaffernbüffel gerissen hatte. Wir waren dann dabei, wie der zerlegt und gefressen wurde, auf Tuchfühlung mit den Löwen – und das im jungfräulichen Afrika, wo eben noch keine Touristen rumgefahren wurden.

Und negativer Natur?

Es gab negative Erlebnisse, die von der Infrastruktur kreiert wurden. Zum Beispiel waren wir in Guyana im Nordosten Südamerikas. Dort wollten wir den zentralen Urwald durchqueren, um weiter zu kommen. Das war eine Strecke, die eigentlich nicht existiert hat und wo auch noch kein kleineres Fahrzeug durchgefahren ist. Da gibt es sonst nur ein oder zwei Mal pro Woche solche Versorgungs-LKW, hochbeinige Allrad-Bedfords aus England, die dort fahren. Und wir wollten da durch. Das haben wir natürlich nicht geschafft und sind in einem Schlammloch stecken geblieben – am Heiligabend. Das war enttäuschend und nicht gerade die angenehmste Situation. Der Wagen stand so schief, dass wir nicht schlafen konnten und wir hatten kaum Möglichkeiten, einen Tisch aufzustellen und eine Kleinigkeit zu kochen. Im Nordsudan habe ich mir mal den rechten Arm komplett ausgekugelt. Wir hatten aber großes Glück, weil ein paar Hundert Kilometer weiter eine kleine Krankenstation war, wo ich unter Buschnarkose behandelt wurde. Die nächsten vier Wochen bin ich dann bandagiert weitergefahren.Wir haben auch das überlebt. Diese Dinge sind aber tief eingebrannt in der Erinnerung.

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Gab es auch gefährliche Erlebnisse?

Wirklich gefährliche Erlebnisse hatten meist mit Tieren zu tun. Nachts wurde ich in der Hängematte wach und guckte in die Augen einer gefleckten Hyäne. Das wäre voll in die Hose gegangen, wenn ich da nicht wach geworden wäre, weil die Hyäne sonst einfach zugebissen hätte. Sie hatte berechtigterweise angenommen, dass ich ein Aas war, weil ich nicht weggelaufen bin. Wachgeworden bin ich eigentlich nur durch das Knackgeräusch, als die Hyäne die Hartplastik-Seifendose, die auf der Stoßstange lag, zerbissen hat. Das hat mir das Leben gerettet, denn was frei lag von mir, waren nur der Kopf und das Gesicht – hätte sie da reingebissen, weiß ich nicht, wie ich da rausgekommen wäre…

Sie erzählen so entspannt von Hyänen und Leoparden. Waren Sie drauf vorbereitet oder hatten Sie auch mal Angst?

Weder noch. Denn im Grunde genommen gibt es kein böses und kein gutes Tier. Man muss wissen, wie die Tiere durch ihren Instinkt auf gewisse Situationen reagieren und man muss sich dementsprechend verhalten. Es war in jedem Fall ein Fehler von mir, in einer Gegend, wo es Hyänen gibt, in der Hängematte zu schlafen. Dort hätten wir im Auto schlafen sollen. Da kann ich der Hyäne keinen Vorwurf machen. Angst hatten wir nicht, wir wussten, wo wir aufpassen mussten – wie in der Situation, die Sie eben angesprochen haben mit dem Leopard. Man weiß, dass es in der Gegend zumindest Schlangen gibt und deswegen war es wichtig, den Boden vorher abzuleuchten. Das ist eine Notwendigkeit, die nicht aus der Angst kreiert wird, sondern aus der Vorsicht und der Erfahrung, dass dort eben auch Tiere rumlaufen können. Wenn man in der absoluten Wildnis ist, haben die Tiere eben Vorrang.

Ursprünglich war die Reise als zweijähriger Trip durch Afrika geplant, wurde dann länger und irgendwann kam Südamerika dazu. Wie ging es weiter?

Wir hatten schon im Hinterkopf, Südamerika auch noch zu bereisen. Das war zwar nicht primär geplant, aber ich habe in Argentinien und Uruguay einen Wohnsitz. Ich bin also dort den gebürtigen Argentiniern und Uruguayern juristisch gleichgestellt und spreche auch das südamerikanische Spanisch. Deshalb war es naheliegend, dass wir nochmal dorthin gehen. Daraus ist dann letztendlich ein bisschen mehr geworden.

Ein bisschen.

Aber nicht als kompletter Plan. Wir haben immer ein Steinchen draufgesetzt und ein bisschen mehr gemacht ohne jemals den Plan zu haben, die ganze Welt zu bereisen. Es wurde einfach Stück für Stück mehr.

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Wie darf man sich die Entscheidung vorstellen, dass Sie nach 26 Jahren sagen: „So, ich höre auf.“

Das ist eine ganz einfache Entscheidung gewesen: All das, was man mit dem Wagen sinnvollerweise bereisen kann, haben wir bereist. Ich kann natürlich den Wagen mit einem Riesenaufwand mit in die Antarktis nehmen und an irgendeiner Forschungsstation ein Bild mit Otto machen, aber das ist nicht der Sinn der Sache. Ich könnte auch nach Somalia gehen und hoffen, dass da nichts passiert, aber das haben wir eben nicht gemacht, weil es einfach zu gefährlich war. Aber alles andere haben wir bereist – und wenn ich bereist sage, meine ich nicht „mal durchgefahren“, sondern im Rahmen der Möglichkeiten bereist. Wir waren zum Beispiel drei Monate in Indien, ein Jahr in Australien und sieben Mal in Brasilien, um diese Länder in all ihren Facetten kennenzulernen.

Alles bereisen, was man bereisen kann – das möchte ich irgendwann auch mal sagen.

Ja, aber ich habe auch aufgehört, weil meine Frau vor viereinhalb Jahren gestorben ist. Sie hatte damals unseren Sohn und mich gebeten, die Reise in jedem Fall zu Ende zu bringen. Sie sagte kurz vor ihrem Tod noch, dass sie sich nicht schuldig fühlen möchte, wenn die Tour ihretwegen nicht beendet wird. Und deswegen haben wir das auch gemacht und sind weitergefahren. Aber wie gesagt: Nachdem das alles gemacht war, bestand keine Notwendigkeit, wieder von vorne anzufangen. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Nach 26 Jahren in der Welt reicht es jetzt auch. Obwohl ich zugeben muss, dass ich Otto sehr gerne nochmal mit nach Südamerika nehmen würde, wo dort ja gerade der Frühling anfängt.

Sie sind dann nach Hause gekommen und haben die Tür geschlossen. Ist das für Sie Heimat?

Wir haben ja die Tour kurzfristig auch immer mal wieder für ein, zwei Monate unterbrochen. Wir mussten sie sowieso unterbrechen, wenn der Wagen in einem Container unterwegs war – das war er 41 Mal. Dann waren wir ja hier Zuhause in unserem Haus am Chiemsee. Ich kann nur sagen: Wenn Sie die ganzen Negativa der Welt erlebt haben, wie die meisten Menschen auf diesem Globus leben, teilweise sogar vegetieren, dann weiß ich zumindest zu schätzen, was ich in Oberbayern habe. Alleine der Sauerstoff, die Sicherheit, die Ruhe, der Raum, die Freiheit – deswegen bin ich gerne hier. Andererseits wurde mir gerade vor drei Wochen bewusst, dass ich jetzt das letzte Mal in unseren Otto einsteige. Das ging mir schon unter die Haut. Otto war für uns wie ein Kind. Und am nächsten Morgen, als ich das letzte Mal neben Otto saß und meine Müsli-Schüssel in der Hand hatte, war das schon ein bisschen schwierig. Das gebe ich gerne zu.

Vor ein paar Tagen hatte ich durch Rohrprobleme einen ganzen Tag lang kein Wasser aus der Leitung in meiner Wohnung. Da ist mir erstmals richtig aufgefallen, wie selbstverständlich fließendes Wasser für uns ist.

Dann können Sie sich sicher vorstellen, wie wir diese Sachen zu schätzen wissen.

Absolut.

Ich habe ähnliche Situationen in meinem ganzen Berufsleben gehabt, weil ich das meist außerhalb Europas verbracht habe. Die Menschen hier haben sich daran gewöhnt, aus einem vollen Kühlschrank zu leben. Der Kühlschrank läuft immer und den Gedanken daran, dass er mal nicht laufen könnte, bringt hier niemand auf. Wir haben uns daran gewöhnt, wie Sie das eben gesagt haben, dass man den Hahn aufdreht und Wasser rauskommt mit einer Qualität, die teils besser ist als die von abgefüllten Wasserflaschen. Sie drücken hier den Schalter und das Licht geht in jedem Fall an – und es bleibt auch an, wenn sie etwas anderes einstecken. Wenn Sie in anderen Ländern ein Bügeleisen hätten und mit seinen 1.500 Watt einstecken würden, würde das den Stromkreis so sehr belasten, dass das Licht stark zurück geht – oder sich der Kühlschrank, wenn er überhaupt läuft, ausschalten würde.

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In Deutschland werden pro Kopf und Tag alleine für die Toilettenspülung 33 Liter verbraucht. Wie viel Wasser verbraucht man auf so einer Reise?

Wenn notwendig haben wir am ganzen Tag mit zwei Personen 10 Liter Wasser gebraucht. Und damit konnten wir sogar noch eine Basisdusche nehmen. Meine Frau mit den langen Haaren natürlich ohne Haarwäsche, aber den Körper kurz abwaschen, das hat immer noch gereicht. Da muss man ein bisschen aufpassen, dass man ökonomisch lebt, aber das geht. Von hier ist man gewohnt, dass man den Hahn aufdreht, sich die Zähne putzt und den Hahn eine Minute später wieder zu dreht. Das ist eben einfach in den meisten Länden der Welt und für den größten Teil der Bevölkerung nicht möglich. Gerade dieses Thema wird immer schwieriger und immer präsenter, weil eines der Hauptprobleme, das dieser Globus hat, das Wasserproblem ist.

Wie finanziert man so eine Reise? Sie hatten ansehnliche Jobs.

Ja, aber da gibt es ganz einfache Antworten drauf. Erstens ist es so, dass die meisten oder die größten Reisekosten und -belastungen durch Hotels und Restaurants entstehen. Und wir haben beides nicht gehabt. Wir haben nie im Hotel geschlafen bis auf die Ausnahmen, wenn Otto mit einem Schiffscontainer unterwegs war und wir vorübergehend ein, zwei Nächte bevor wir fliegen konnten, übernachten mussten. Aber wenn unser Otto da war, haben wir in ihm geschlafen, weil es einfach nicht zu verantworten war, dass Otto vorm Hotel steht und ihm ein oder zwei Räder geklaut werden. Und wir waren auch in keinem Restaurant, wir haben grundsätzlich selbst gekocht. Dadurch konnten wir kostengünstiger reisen, haben also die wesentlichen Kostenblöcke vermieden. Zweitens war ich in meinem beruflichen Leben zwar nicht geizig, aber ich habe etwas umsichtig und mit Augenmaß gelebt und konnte so etwas zurücklegen. Drittens: Ich habe während meiner Zeit in Indonesien, in den 1970er Jahren, angefangen, die Hauptstadt Jakarta kartografisch aufzunehmen und dort den ersten Stadtplan anzufertigen. Dieses Projekt hat natürlich einiges abgeworfen und dazu beigetragen, dass wir diese Tour machen konnten.

Wie sieht es mit Spritkosten aus? Das dürfte der größte Punkt gewesen sein.

Der größte Punkt waren die Verschiffungen. Otto ist 41 Mal in einem Container übergesetzt. Diese Kosten setzt sich aus mehreren Blöcken wie den Verschiffungs- und Vorlaufkosten, den Hafen- und Zollgebühren, Hotelaufenthalten und Flügen zusammen.

Darf man fragen, was diese ganze Reise insgesamt gekostet hat?

Am einfachsten kann ich Ihnen das auf den Monat bezogen sagen: Das waren etwa 1.300 bis 1.400 Euro. Da sind die reinen fahrzeugbezogenen Kosten, also die Kosten für Verschiffungen, Sprit, Ersatzreifen, Genehmigungen und Versicherungen. Diese 1.300 bis 1.400 Euro schlossen alles ein, was irgendwie mit dem Fahrzeug zu tun hatte. Dieser Betrag ist kein Geheimnis – das ist auch der Preis, den andere kalkulieren, die länger mit dem eigenen Wagen unterwegs sind.

Vermissen Sie Otto jetzt, wo er im Museum steht?

Ja, das ist gar keine Frage. Aber ich habe zwei Vorteile: Der eine Vorteil ist, dass ich zumindest momentan eingedeckt bin mit Aufgaben und Arbeiten. Vieles ist 26 Jahre liegen geblieben, also private Dinge, die nun angegangen werden müssen. Und der zweite Vorteil ist, dass es noch kein endgültiger Abschied von Otto ist, denn er steht ja jetzt im Museum. Geplant ist zudem, dass Otto ab März nächsten Jahres für zwei Jahre auf eine Tournee geht. Er wird ausgestellt bei den deutschen Mercedes-Niederlassungen und soll dann in einige Großstädte gehen, etwa nach London, Paris, Rom, Mailand oder Moskau. Man überlegt auch noch, ihn an einigen überseeischen Plätzen zu zeigen.

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Zum Abschluss: Welches Auto folgt denn auf Otto?

Zwei, ich habe einen Mercedes 123 von 1978. Mercedes-Fachleute kennen und schätzen ihn. Der Wagen hat den gleichen Motor, den auch Otto hat. Das ist dieser berühmte 5-Zylinder-Dieselmotor ohne Turbo-Aufladung. Dieser Wagen kommt ursprünglich aus Indonesien. Ihn hatte ich sechs Jahre auch noch beruflich in Südamerika. Er ist in der Welt ganz gut rumgekommen und hat über 500.000 Kilometer auf dem Tacho. Das ist eigentlich mein Hauptwagen in den letzten 35 Jahren gewesen. Daneben haben wir seit 20 Jahren, auch auf Wunsch meiner Frau, einen Mercedes 107 erworben. Wenn Otto jetzt weg ist, gibt es dafür auf keinen Fall einen neuen Ersatz.

Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Holtorf. 

Über den Autor

Tobias Gillen

Tobias Gillen ist Geschäftsführer der BASIC thinking GmbH und damit verantwortlich für BASIC thinking und BASIC thinking International. Seit 2017 leitet er zudem die Medienmarke FINANZENTDECKER.de. Erreichen kann man ihn immer per Social Media.

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