Mit zwölf Folgen über einen Teenager-Mord ist der US-amerikanische Podcast Serial zu einem weltweiten Erfolg geworden und war zeitgleich der Durchbruch für das Format. Das Berliner Podcast-Label Viertausendhertz will nun den Qualitätsanspruch und Erfolg der US-Produktionen nach Deutschland bringen. Ein Interview.
„Liebe Podcaster, bitte traut euch was“, hat sich der Journalist Nicolas Semak von der deutschen Audio-Szene im vergangenen Jahr gewünscht. Fast auf den Tag genau zehn Monate später geht das deutsche Podcast-Label Viertausendhertz an den Start, Semak ist einer der Mitgründer. Zusammen mit Christian Grasse, Hendrik Efert und Marie Dippold will er nun versuchen, erzählerische Formate nach dem Vorbild von Serial, This American Life und Radiolab auch in deutscher Sprache zu etablieren. Mit dem Werbepartner Audible will das Label auch das amerikanische Finanzierungsmodell auf deutsche Podcasts übertragen. Im Interview spricht Mitgründer Nicolas Semak über den Weg von der Idee zum Label, die Parallelen und Unterschiede zu den US-amerikanischen Vorbildern und die Ziele von Viertausendhertz.
Nicolas, ihr seid mit eurem Podcast-Labels vor einigen Tagen gestartet. Schlägt dein Herz noch vor Aufregung so schnell wie 4000 Hertz oder hat sich der erste Adrenalinstoß schon gelegt?
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Es ist ein bisschen besser geworden mittlerweile. Es war tatsächlich sehr stressig. Wir haben nicht erwartet, dass so viel Presseanfragen kommen. Aber, ich beruhige mich langsam.
Wie kam die Idee zum Podcast-Label?
Wir sitzen seit zwei, drei Jahren gemeinsam in einem Journalistenbüro und sind hier zehn Leute. Und immer wieder haben wir mal zusammen darüber gesprochen, dass wir mal was Gemeinsames für das Netz machen wollen.
Gab es das Ereignis an Tag X, an dem ihr gesagt habt: Jetzt nehmen wir das Projekt in die Hand?
Das muss im August 2015 gewesen sein. Da gab es einen Tag, da war ich ein bisschen frustriert, weil ich einfachen gesehen habe, dass die Presse sich wegen Serial und anderen bekannten Erzählformaten in den USA auf das Podcasting stürzt. Ich habe gedacht, uns läuft die Zeit weg, wenn wir so etwas in der Richtung tun wollen. Also habe ich gesagt: „Entweder ihr macht jetzt mit oder nicht, aber ich mache das jetzt.“ Hendrik Efert und Christian Grasse waren sofort Feuer und Flamme für die Idee, dann haben wir direkt mit der Website angefangen und vor allen Dingen mit unseren Audioinhalten.
Nach der Gründung, was ist jetzt der Plan für euch? Wie geht es die nächsten Tage und Wochen weiter?
Natürlich produzieren wir jetzt erstmal die Formate weiter, die wir gestartet haben und wollen Kontinuität beweisen. Das sind also Christian Grasse, Hendrik Efert und ich – plus ein externer Autor, das ist Christian Möller. Und Marie Dippold, die sich bei uns um die Vermarktung kümmert, wird daran arbeiten, weitere Werbepartner zu finden. Außerdem werden wir mit weiteren Autoren sprechen, die Interesse an einer Zusammenarbeit haben.
Wie viel spürt ihr von dem Erwartungs- und Erfolgsdruck?
Wir haben natürlich gewusst, dass wir ein großes Fass aufmachen, wenn wir die Website starten, Pressemitteilungen herausgeben und als einer der ersten mit Sponsoren zusammenarbeiten. Wir haben erwartet, dass damit viele Hoffnungen verbunden werden, aber auch Irritation in der vorhandenen Podcast-Szene entsteht. Insofern fühlen wir uns nicht so unter Druck, wir sind eigentlich sehr motiviert.
Viertausendhertz: Ein bisschen mehr Vielfalt bitte
Die amerikanischen Produktionen wie Serial waren der Auslöser für einen regelrechten Podcast-Boom. Welche Rolle hat Serial deiner Meinung nach gespielt?
Serial war natürlich ein großer Moment, sowohl in den USA als auch hier. Alleine, dass ein englischsprachiges Format in Deutschland so dermaßen wahrgenommen wurde, war ja schon außergerwöhnlich. In den USA hat es durch seine Machart und Massentauglichkeit das Medium sicherlich auch nochmal auf eine andere Bühne gehoben. Was mit Serial gerade im Audiobereich stattfindet, schließt ja so ein bisschen an das Netflix-Phänomen an und hat die gesamte Podcast-Landschaft in den Fokus gerückt.
Neben Serial ist das Podcast-Unternehmen Gimlet Media in den USA noch ein großer Name. Es gibt ein paar Parallelen zwischen Gimlet und euch mit Viertausendhertz: Journalisten mit öffentlich-rechtlichem Hintergrund, der Podcast über das eigene Unternehmen, die Werbung von Sponsoren wie dem Hörbuchanbieter Audible. Inwiefern war Gimlet denn für euch eine Inspiration oder ein Vorbild?
Inspiriert hat uns der Podcast Start-up, das erste Format von Gimlet, in dem sie darüber sprechen: Kann man Podcasts vermarkten, kann man damit Geld verdienen? Das hat uns ein bisschen auf die Fährte gebracht, von den spendenbasierten Einnahmequellen wie Crowdfunding und Flattr wegzugehen. Aber wir sind schon ein anderes Unternehmen, da wir eben nicht wie Gimlet mit Investorengeld gestartet sind, sondern mit eigenem Risiko und Geld das Label gestartet haben.
Was wollt ihr bewusst anders machen als Gimlet?
Ich glaube, unsere Formate sind generell nicht so gleichförmig. Ich finde, man hört den Produktionen von Gimlet schon sehr schnell und sehr deutlich an, dass sie von dieser Redaktion geprägt und dort nicht so viele Externe beteiligt sind. Wir verstehen Viertausendhertz deswegen eher als Dach wie ein Musiklabel oder einen Buchverlag, unter dem externe Autoren mal etwas ausprobieren können.
Euer Qualitätsanspruch, den ihr ja sehr hervorhebt, hat bei Einigen in der Szene vorsichtiges Stirnrunzeln hervorgerufen. Glaubst du, die deutsche Szene hat ein Qualitätsproblem?
Der Satz, dass wir für Qualitätspodcasts stehen wollen, war eher auf die amerikanischen Produktionen bezogen. Die entsprechen halt eher den deutschen Features, sind also gebaut, geskriptet und keine reinen Gesprächsformate. Ich kann schon verstehen, dass so ein Satz für Irrationen sorgt. Man kann aber auch damit rechnen, dass eine Pressemeldung eine andere Sprache spricht, als wenn man direkt miteinander kommuniziert. Wir waren selber jahrelang Teil der Podcast-Szene, die wir ja auch toll finden und Gesprächsformate haben absolut ihre Daseinsberechtigung. Aber wir würden ganz gerne ein bisschen Vielfalt in die deutsche Podcast-Landschaft bringen.
Vom Rundfunk zum Podcast: Freiheit für Experimente
Ihr seid alle mit Podcast-Hintergrund an das Thema herangewachsen, seid aber zeitgleich auch freie Journalisten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was könnt ihr denn bei Viertausendhertz machen, was ihr als freie Journalisten bei den Sendern nicht könnt?
Die Sender haben natürlich gewisse Vorstellungen, wie ihr Programm klingen soll. Da ist einfach nicht so viel Platz für Experimente, auch weil da so viele Menschen prägend involviert sind. Wir sind hier zu dritt einfach wahnsinnig frei, müssen nicht auf Längen achten, uns kein Okay abholen und sind unsere eigenen Chefs.
Wie finanziert ihr euch, ihr habt ja momentan nur einen Sponsor?
Wir sind erstmal mit einem eigenen Startkapital in die Firma gestartet. Außerdem haben wir kaum Ausgaben, weil wir die Infrastruktur für Aufnahme und Produktion in unseren Büro schon hatten, das heißt wir haben gerade keinen finanziellen Druck.
Und die Arbeitszeit steckt ihr aus Leidenschaft erstmal rein?
Mit dem Deal mit Audible sind wir sehr zufrieden, der hilft uns auf jeden Fall über die erste Zeit und die laufenden Gespräche mit anderen Sponsoren sind eigentlich ziemlich vielversprechend. In einem Jahr wollen wir die Karten auf den Tisch legen und uns fragen, ob wir von diesem Unternehmen leben können, wie wir das als freie Journalisten konnten.
Gibt es auch in Deutschland eine so interessierte Werbebranche für Podcasts wie in den USA?
Natürlich gibt es da einen Unterschied. Auch große deutsche Unternehmen müssen erstmal erklärt bekommen, was Podcasts sind. Obwohl viele dann doch durch Serial schon mehr davon gehört haben, als das noch vor einem Jahr der Fall war.
In Deutschland gibt es ja bereits eine Szene, die sehr Podcast-affin ist und sich für alles im Audiobereich interessiert. Aber in der Breite ist das Thema Podcast gefühlt noch nicht so ganz präsent. Könnt ihr mit Exklusiv-Produktionen auf den Podcast-Plattformen auch Leute erreichen, die beispielsweise von Serial noch gar nichts mitbekommen haben?
Das ist natürlich ein Blick in die Glaskugel. Ich glaube, dass wir vielleicht einen Klang erzeugen können, der die Leute mehr in den Bann zieht und für ein breiteres Publikum attraktiv sein kann. Das bleibt natürlich ein schweres Vorhaben – aber wir beobachten eben auch, dass das Format Podcast immer bekannter wird.
Ist das Format also gerade auf dem Weg aus der Nische heraus?
Ja, wobei die Nische in der deutschen Podcast-Landschaft ein bemühter Begriff ist, der schnell missverstanden wird. Die deutschen Produktionen haben zwar schon verhältnismäßig viele Hörer, aber im Vergleich zu anderen Medien ist es eine Nische und eben kein Massenmedium. Die Behauptung, dass wir das ändern können, ist natürlich vermessen. Aber wir wollen unseren Teil dazu beitragen und hoffen auf Mitbewerber.
Nicolas, zum Abschluss noch drei Satzanfänge. Bitte vervollständige die Sätze.
Podcasten bedeutet für mich…
Freiheit. Freiheit in Sachen Gestaltung und ich liebe Podcasten seit Jahren, das ist sozusagen meine Leidenschaft.
Jetzt gerade arbeiten wir bei Viertausendhertz daran, …
dass wir erstmal wieder einen niedrigeren Puls haben, dass unsere Formate weitergehen und dass vielleicht der Markt ein bisschen weiter wächst.
Nächste Jahr um diese Zeit ist unser Podcast-Label…
hoffentlich noch existent, wir sind hoffentlich noch nicht an einem Herzinfarkt gestorben und fühlen uns noch genauso wohl mit der Idee wie heute.
Nicolas, vielen Dank für das Gespräch.
Hier gibt es das Gespräch im Audio zum Nachhören:
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