Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Im Tagebuch einer digitalen Nomadin berichtet Marinela wöchentlich auf BASIC thinking von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Diesmal: Sind digitale Nomaden beziehungsunfähig?
Liebes Tagebuch,
wir digitale Nomaden sind manchmal ganz schön arrogant – zumindest muss ich das von mir zugeben. Vor etwa einem Jahr war ich das letzte Mal in Deutschland auf Heimatbesuch. Für mich ist das natürlich immer DIE Gelegenheit, um meine Freunde in Deutschland endlich mal wieder zu sehen. Natürlich erwarte ich dann auch, dass ich dementsprechend wie die verlorene Tochter gefeiert werde: „Juhu, Marinela ist endlich wieder da – wann können wir uns treffen? Wann kannst du uns von all deinen spannenden Reisen erzählen?“ So, oder so ähnlich hatte ich mir meinen Empfang vorgestellt.
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Tja, meine Freunde sahen das anders. Mein Kumpel, obwohl wir jetzt in derselben Stadt wohnen, hat mich erstmal komplett ignoriert, eine meiner besten Freundinnen konnte einfach zwischen Arbeit und Familie in drei Monaten keine Zeit finden, sich mit mir zu treffen. Ich war nicht unbedingt sauer, schließlich kann ich gut nachvollziehen, dass sie zwischen Job, zahlreichen Aktivitäten und ihrem Privatleben oft nur noch Zeit zum Schlafen finden. Aber ich war schon ein wenig, ja, gekränkt. Wenn die verlorene digitale Nomadenfreundin mal nach so langer Zeit wieder im Lande ist, muss man sich doch für sie Zeit nehmen, oder? Falsch!
Als digitale Nomaden sind wir es, die – aus Sicht unserer Freunde – aus ihrem Leben verschwinden. Sie haben meist keine Ahnung, wo wir gerade sind, was wir treiben und sie haben natürlich ihr eigenes vollgepacktes, spannendes Leben, aus dem wir Nomaden erstmal ausgeklammert sind. Es sind also nicht unsere Freunde, die sich anstrengen müssen, den Kontakt zu halten, sondern wir digitalen Nomaden selbst.
Freunde müssen nicht antanzen, wenn wir digitale Nomaden pfeifen
Peter Kowalke ist seit 2009 digitaler Nomade. Er pendelt zwischen Indien, Thailand und den USA und leitet seit etwa sechs Jahren ein sehr erfolgreiches Beziehungscoaching-Programm. Auch er hat feststellen müssen, dass seine Freunde nicht immer auf Abruf bereit stehen, wenn er mal wieder Zeit für sie hat: „Als digitaler Nomade musst du einfach viel mehr kommunizieren, um Beziehungen und Freundschaften aufrecht zu erhalten. Nichts kann natürlich das klassische „um die Ecke wohnen“ in einer Freundschaft ersetzen, aber wir haben heutzutage – gerade als digitale Nomaden – ja Zugang zu so vielen Kommunikationsformen – die müssen wir viel intensiver nutzen, um nicht aus dem Gedächtnis unserer Freunde zu verschwinden.“ Direkter formuliert: Wir Digitalnomaden können nicht erwarten, dass unsere Freunde springen, nur weil wir nach 6 Monaten totaler Abwesenheit pfeifen. Natürlich sind digitale Nomaden nicht beziehungsunfähig, aber für uns ist es sicherlich komplizierter, eine Freundschaft aus der Ferne aufrecht zu erhalten. Es ist eigentlich wie bei jeder Art von Fernbeziehung – schwierig.
Dabei kommt es natürlich auch auf die Art der Freunde an. Freunde, die selbst viel unterwegs sind und natürlich andere digitale Nomaden, haben einen ähnlichen Lebensstil und können mit den sporadischen Besuchen besser umgehen – sie selbst machen es ja auch nicht anders. Ich habe auch einige Freunde, bei denen es ganz egal ist, wie lange wir uns nicht gesehen haben. Sobald wir wieder im Café sitzen und quatschen, ist es so, als wäre ich nie weg gewesen. Doch bei vielen sesshaften Freunden können wir nicht einfach annehmen, dass sie auf uns warten oder plötzlich alles stehen und liegen lassen, wenn wir wieder im Ort sind. Wir Nomaden müssen da aktiv werden und es auch mal hinnehmen, wenn Freunde nicht immer Zeit für uns haben – ihr Lebensstil ist oft weniger flexibel als unserer. Das war für mich eine harte Lektion, und ist nach wie vor eine der schwierigsten Seiten meines Nomadenlebens. Ich habe zwar Freunde auf drei Kontinenten, bin aber einfach nicht mehr dauerhaft ein aktiver Teil ihres Alltags. Wenn ich es wieder sein möchte, muss ich dafür einfach mehr tun.
Die drei „Ks“ der Freundschaft für digitale Nomaden
Der Weg dazu führt über die drei „Ks“ der Freunschaften für digitale Nomaden: Kommunikation, Kommunikation und Kommunikation. Wer nicht aus den Augen und aus dem Sinn seiner Freunde sein will, muss auch Interesse am Leben der anderen zeigen. Ich habe beispielsweise ein Ritual entwickelt, in dem ich jeden Tag einem meiner Freunde, sei es per E-Mail, Whatsapp, Gmail-Chat oder Facebook schreibe. Ich bin auch offensichtlich jemand, der gerne, oft und viel schreibt, für andere mögen kleine Videobotschaften oder Skype-Treffen besser funktionieren. Peter Kowalke hat beispielsweise einen Reisekalender, in dem seine Freunde immer sehen, wo er gerade ist: „Meine Freunde und meine Familie können mich aber auch jederzeit erreichen. Ich finde es wichtig, dass man beim Leben im anderen Land, nicht komplett alle alten Verbindungen auflöst, sondern zum Beispiel per SMS oder auch telefonisch für andere erreichbar bleibt.“
Ich habe auch – erst widerwillig, und auf Drängen meiner besorgten Eltern hin (ich bin 33 Jahre alt, aber ich glaube, für meine Eltern werde ich immer 7 Jahre alt bleiben) – eine deutsche SIM-Karte gekauft, damit sie mich auch im Notfall in beispielsweise Guatemala erreichen können. Das ist weder ein großer Aufwand, noch ist es teuer und es hilft mir, mit Freunden zum Beispiel auch über Whatsapp in Kontakt bleiben zu können. Natürlich habe ich nicht permanent Zeit, mich mit all meinen Freunden ständig zu unterhalten, man will ja auch schließlich nicht nur alte Freundschaften aufrechterhalten, sondern auch neue aufbauen. Doch ich finde, dass die kleinen Nachrichten von unterwegs die Freundschaften beleben. Auch hier sage ich es nochmal sehr deutlich: Wenn eure Freunde euch nicht ständig per Whatsapp schreiben, seid nicht sauer oder überrascht. Hier sind digitale Nomaden in der Bringschuld. Die Kommunikation muss (nicht nur, aber vorwiegend) von uns ausgehen.
Andererseits müssen wir digitalen Nomaden auch hinnehmen, dass Fern-Freundschaften für einige Menschen einfach nicht funktionieren. Das ist auch völlig okay und ich musste das auch für einige meiner Freundschaften einsehen. Das passiert schließlich auch bei vielen Freundschaften von Menschen, die nicht als digitale Nomaden unterwegs sind. Ich finde, diesen Freunden muss man dann auch nicht hinterher rennen, sondern dann ist es tatsächlich besser, die zu erhalten, die beide Seiten mit Freude erfüllen – trotz, oder gerade wegen des digitalen Nomadentums.
Wie seht ihr das? Findet ihr auch, dass wir als digitale Nomaden uns mehr ins Zeug legen müssen, um Beziehungen aufrecht zu erhalten? Wie haltet ihr das mit der Kommunikation zu euren Freunden? Habt ihr schon Freundschafts-Enttäuschungen durch euren Lebensstil hinnehmen müssen? Ich freue mich wie immer auf Eure Kommentare!
Bis nächste Woche, dann wieder aus irgendeinem Winkel der Welt,
Eure Marinela
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