Stell Dir vor, Du bist eine Landesregierung und besitzt einen defizitären Regional-Flughafen. Du hast Dein eigenes Missmanagement satt und engagierst eine Unternehmensberatung. Deren Qualifikation besteht darin, dass sie sich bei einem anderen Großprojekt Deines Landes als so naiv und unfähig erwiesen haben, dass die Steuerzahler Deines Landes eine achtstellige Summe los wurden.
Dein Auftrag an diese Unternehmensberatung: Finde einen windigen chinesischen Käufer für den Regionalflughafen, damit der eine siebenstellige Summe an Subventionen von Deinen Steuerzahler annimmt. Was klingt wie eine Erfindung durchgeknallter Drehbuchautoren, ist in Rheinland-Pfalz Realität, nachzulesen beispielsweise hier unter dem legendären Titel „Ching, Chang, Chong“ des wunderbaren Markus Lachmann oder hier als durchgängige Chronologie beim SWR.
Doch ich will nicht zu sehr politisieren, in Rheinland-Pfalz ist eine gewisse Politik-Abstinenz der Gesundheit zuträglich. Das politisieren überlasse ich gerne der Opposition, womöglich erleben wir jetzt ja die Wiederauferstehung der Julia Kloeckner. Kennen Sie übrigens den Unterschied zwischen einem Rottweiler und einer guten Opposition? Auflösung später …
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Wenn die Katastrophe von weitem sichtbar ist
Mir geht es um etwas anderes: Wenn Sie so ein Eingangs-Szenario haben, sollten wir dringend reden. Denn bei einem solchen Eingangs-Szenario ist die Wahrscheinlichkeit überwältigend groß, dass das Ausgangs-Szenario katastrophal ausfällt. Ich rede über Krisenkommunikation.
Das Fan-Prinzip sagt ja Verhaltensweisen von Menschen voraus, die sich Dir gegenüber verhalten wie Fans aus Sport, Kultur und Unterhaltung. Eine dieser Verhaltensweisen: Sie vertrauen Dir so sehr, dass Sie Fehler verzeihen („kann ja mal passieren!“), Dich verteidigen („machst du nie Fehler?“) und nicht gleich von der Fahne gehen („deswegen doch nicht!“). Es ist also wichtig, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und sich darauf vorzubereiten: Eine Dimension dieser Vorbereitung führt zu einem Plan, der griffbereit liegt für den Fall, dass die Krise kommt. Den gibt es, wie wir gerade erleben, in der Politik nicht – weder in Großbritannien noch in Rheinland-Pfalz. Hie wie da wurden die Akteure eiskalt erwischt.
Sparst Du in der Zeit…
Doch es gibt noch eine andere Dimension – und die fasst der Volksmund ganz wunderbar zusammen: Sparst Du in der Zeit, hast Du in der Not. Übertragen auf die Krisenkommunikation: Bau die Beziehung zu Deinen wichtigsten Zielgruppen aus, dann werden sie Dir treu zur Seite stehen, wenn Dir der Wind scharf ins Gesicht bläst und sie werden Dich verteidigen.
Da gab es unlängst ein wunderbares Szenario, das diesen Aspekt des Fan-Prinzips wunderbar belegt. Ich habe schon einmal berichtet, dass an einem Wochenende bei Aldi Süd bei der elektronischen Zahlung Beträge doppelt abgebucht wurden. Die Fans des Discounters haben hier Aldi Süd vorbildlich in Schutz genommen und ein Kommunikations-Desaster verhindert.
Etwa zur gleichen Zeit gab es einen vergleichbaren Fall bei der Deutschen Bank. Hier wurden Überweisungen und Lastschriften doppelt ausgewiesen. Viele Kunden bekamen am Automaten kein Geld mehr, standen an der Tankstelle dumm da und so weiter. Auch hier hat sich die Deutsche Bank auf Facebook entschuldigt – wurde aber nicht wie Aldi von seinen Kunden verteidigt, sondern bekam mächtig auf den Deckel.
Aldi Süd schlägt die Deutsche Bank
Dankenswerterweise können wir auf Facebook ja mittlerweile unsere Gefühlslage differenzierter ausdrücken als nur mit einem „Like“ – schaut Euch mal die beiden Posts im Vergleich an, da wird glasklar, was ich meine: Bei Aldi gab es von über 90 Prozent „Daumen hoch“, bei der Deutschen Bank über 50 Prozent „wütend“.
Für uns war das keine Überraschung, denn auf Basis unserer Grundlagenforschung können wir nicht nur das Verhalten eines einzelnen Kundentypus vorhersagen, sondern auch jenes der Kunden insgesamt. Dafür segmentieren wir die Kunden in verschiedene Gruppen und erheben die Fan-Quote, also den Anteil der Kunden, die sich verhalten wie Fans. Und die Fan-Quote von Aldi Süd liegt im Branchenvergleich überdurchschnittlich hoch bei 31 Prozent, die der Deutschen Bank unterdurchschnittlich niedrig bei 14 Prozent. Weniger Fankunden = weniger Verteidiger = mehr Ärger in der Krise.
Die Bahn kann’s auch nicht besser
Ähnliches erlebt ja permanent die Deutsche Bahn. Irgendwie bekommt der ehemalige Staatskonzern seine Kommunikation nicht in den Griff. Anstatt von seinen Kunden dafür gefeiert zu werden, Tag für Tag einen logistischen Kraftakt sondersgleichen hinzulegen, gehört es zum Volkssport des reisenden Menschen, über die Deutsche Bahn zu schimpfen. Ist ja auch kein Wunder, erzählt die Bahn mir doch auf einer längeren Strecke ungefähr 20 Mal, dass sie ihr Versprechen nicht halten kann. Und zwar detailliert: Ich erfahre Verspätungen ab wenigen Minuten Dauer, vor jedem Bahnhof muss ich mir anhören, welche Anschlüsse verpasst werden. Die Lufthansa macht das übrigens wesentlich besser, wie Roman Becker und Gergor Daschmann in Ihrem Buch (hier Kapitel lesen) beschreiben.
Und nun noch die Auflösung: Der Unterschied zwischen einem Rottweiler und einer guten Opposition liegt darin, dass der Rottweiler irgendwann loslässt…