Wirtschaft

GmbH-Gründung per Video-Chat? Die Farce der deutschen Politik

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Deutschland bleibt im Digitalen rückständig. (Foto: Unsplash.com / visuals)
geschrieben von Carsten Lexa

Die Europäische Union ermöglicht und fordert die Möglichkeit zur digitalen GmbH-Gründung. Jetzt setzt Deutschland dieses Konzept um und beweist damit einmal mehr, wie rückläufig die Bundesrepublik mit Blick auf die Digitalisierung ist. Ein Kommentar.

Im Juli 2019 hat die Europäische Union eine neue EU-Digitalisierungsrichtlinie verabschiedet. Sie soll unter anderem Online-Gründungen von Kapitalgesellschaften ermöglichen.

Nun macht sich der deutsche Gesetzgeber daran, diese Richtlinie in nationales Gesetz umzusetzen. Der Plan: die GmbH-Gründung per Video-Chat. Ich frage mich: Ist das wirklich ernst gemeint?

GmbH-Gründung in Deutschland nur mit Notar

Im März 2019 habe ich noch hoffnungsfroh über die Bemühungen der Europäischen Kommission geschrieben, das Gesellschaftsrecht in der Europäischen Union zu digitalisieren. Schließlich können in Deutschland bislang nur Notare Kapitalgesellschaften wie eine GmbH gründen.

Während solche Gründungen schon in vielen Ländern möglich sind, braucht es hierzulande immer noch ein umständliches Verfahren unter Beteiligung eines Notars. Dieser beurkundet die Gründung.

Das Argument des Gesetzgebers: die Beratungsqualität. Diese sichert (angeblich) nur die Mitwirkung eines Notars. Dabei stand schon immer die Frage im Raum, warum andere Länder das Problem der Beratungsqualität nicht sehen.

Justizministerium plädiert für digitale GmbH-Gründung

Dann jedoch kam die Europäische Kommission. Diese hat, wohl anders als der deutsche Gesetzgeber, einen umfassenderen Blick auf den Beratungsbedarf von Gründern.

Sie hat das Bedürfnis erkannt, eine einfache Kapitalgesellschaft wie eine GmbH (und in Deutschland wohl auch eine UG) mittels eines Online-Verfahrens gründen zu können. Die Voraussetzungen dazu sollte die Digitalisierungsrichtlinie schaffen.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat nun kürzlich den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) veröffentlicht, mit dem unter anderem Unternehmensgründungen in einem Online-Verfahren möglich gemacht werden und durch das die EU-Digitalisierungsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll.

Und dieser Entwurf schlägt jetzt die GmbH-Gründung mittels Video-Chat vor.

Die Online-Gründung ist eine Farce

Ich weiß, was der geneigte Leser nun denkt: Ok, was kommt da noch? Leider jedoch kommt da nichts mehr. Die Gründung einer GmbH wird nun mittels Video-Chat möglich. Die Gründung einer GmbH. Nicht auch die Gründung einer Aktiengesellschaft oder einer sonstigen Gesellschaft, wobei in Deutschland damit wohl auch die UG gemeint ist.

Ebenso wenig geht es um die Gründung mittels Online-Formular, in das die Daten der GmbH eingetragen und selbst von den Gründern ans Handelsregister übermittelt werden.

Nein, es wird weiterhin eine Gründung nur unter Mitwirkung eines Notars möglich sein. Allerdings kann man jetzt als Gründer eben zu Hause sitzen und muss sich nicht mehr zum Notar in dessen Amtsräume begeben.

Die Digitalisierung in Deutschland bleibt Neuland

Ich könnte jetzt so viel schreiben über diesen Entwurf – und zwar nicht in positivem Sinne. Aber ich bin ehrlich: Im Grunde ist dieser Entwurf das, was wir in Deutschland verdient haben. Deshalb sind weitere Worte vergebliche Mühe.

Während in anderen Ländern mit den Möglichkeiten der Digitalisierung gearbeitet wird, versucht wird, diese auszureizen, bleiben wir in Deutschland in altem Denken verhaftet.

Wie heißt es im Referentenentwurf so schön: „den Notarinnen und Notaren sowie den Registergerichten [soll] weiterhin entscheidende Bedeutung zukommen“ und „die Funktionsfähigkeit und Verlässlichkeit der Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister [soll] gewahrt werden.“

Dagegen wird wohl niemand etwas sagen – auch ich nicht. Aber wieso ist die einzige Folge, die der deutsche Gesetzgeber daraus zieht, dass man dem Notar nun nicht mehr vor Augen treten muss, sondern nun eine Videokamera einsetzen darf?

Warum ist es nicht möglich, einem Gründer zuzugestehen, dass er sich selbst darüber informiert, was die Gründung einer GmbH bedeutet und er die entsprechenden Angaben in ein dazu passendes Online-Formular eingibt – ohne dass dieses Formular einem noch einmal vorgelesen wird?

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie soll bis zum 1. August 2022 in Kraft treten und für die GmbH ab dem 1. August 2023 anzuwenden sein. Gut, dass wir in Deutschland alle Zeit der Welt haben. Digitalisierung ist in Deutschland weiterhin #Neuland – und im Recht insbesondere.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.