Wirtschaft

Beteiligungen an Start-ups: Das steckt hinter der Vesting-Klausel

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Pixabay.com / mohamed_hassan
geschrieben von Carsten Lexa

Gründer und Start-ups kommen früher oder später mit der Vesting-Klausel in Kontakt. Doch was gilt es, beim Einsatz von Vesting-Klauseln zu beachten? Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es und wie steht es um Risiken? Eine Übersicht mit Praxis-Tipps.

Grundgedanke einer Vesting-Klausel

Eine Vesting-Klausel ist eine Regelung in einem Beteiligungsvertrag, den normalerweise ein Investor mit Gründern abschließt. Diese Regelung bindet einen bestimmten Gesellschafter oder mehrere Gesellschafter für eine gewisse Zeit an ein Unternehmen.

Übrigens: Vesting-Klauseln gibt es auch für Mitarbeitende. Allerdings will ich mich auf die Bindung von Gründern an ein Unternehmen konzentrieren. Die Bindungszeit, die im Rahmen der Vesting-Klausel eine Rolle spielt, ist die sogenannte Vesting-Periode.


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Investoren investieren in Gründer und Ideen

Dabei ist der Gedanke dieser Art von Regelung aus meiner Sicht einleuchtend. Ein Investor investiert zwar in ein Unternehmen. Aber ihn interessieren besonders die Gesellschafter. Sie sind es, die die Idee zum Unternehmen hatten. Deshalb kommt es auf sie und auf ihren Einsatz an, damit die Idee umgesetzt werden kann.

Der Hauptgrund des Investments liegt deshalb regelmäßig in den Gründern. Und da die Gründenden natürlich auch am Ende die Früchte ihres Einsatzes ernten wollen – und dies nicht der Fall ist, wenn sie nicht (mehr) am Unternehmen beteiligt sind – ist ein wirksames Bindungsmittel deren Beteiligung an ihrem Unternehmen.

Und noch ein Gedanke ist wichtig. Durch eine gute Vesting-Klausel ist die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert. Ebenso vermeidet sie Streit innerhalb der Gesellschaft. Das Ausscheiden eines Gesellschafters bindet regelmäßig Zeit und Geld. Das führt zu angespannten Diskussionen innerhalb des Gesellschafterkreises.

Es ist also im Interesse aller Gesellschafter, für diesen Fall eine Vorkehrung zu treffen, um ohne langwierige Diskussionen anhand eines vorab bekannten Mechanismus die Gesellschaft möglichst schnell wieder in die Lage zu versetzen, handlungsfähig zu bleiben und den Gesellschaftszweck weiter zu verfolgen.

Zwei Varianten der Vesting-Klausel

Als Vesting-Klauseln werden Regelungen bezeichnet, nach denen Gründende Anteile an ihrem Unternehmen im Laufe der Zeit erst verdienen oder ganz oder teilweise abgeben müssen.

Vesting-Klauseln existieren also grundsätzlich in zwei Varianten. In der ersten Variante – dem sogenannten „echten Vesting“ – erhält ein Gründer nach einer bestimmten Zeit eine bestimmte Anzahl an Gesellschaftsanteilen. Nach Ablauf der Vesting-Periode steht ihm also dann die im Vorfeld vereinbarte Beteiligung an der Gesellschaft zur Verfügung.

Reverse Vesting

Die zweite Variante ist bei der Beteiligung von Investoren viel weiter verbreitet. Dabei bekommt der Gesellschafter sofort alle Anteile. Alternativ behält er seine vorhandenen Anteile.

Allerdings verpflichtet er sich bereits zum Verkauf der Anteile an seine Mitgesellschafter. Oder er lässt die Einziehung seiner Anteile zu, wenn er innerhalb der Vesting-Periode ausscheidet. In diesem Modell – dem sogenannten „Reverse Vesting“ – wird dann ein Stufenplan vereinbart, nach dem dieser Gesellschafter mit zunehmender Zeit in der Gesellschaft immer mehr Anteile erhält.

Darüber hinaus enthält die Vesting-Klausel Regelungen zur Berechnung des Wertes der Anteile beim Verkauf. Aufpassen muss man in diesem Fall auf die vertragliche Formulierung. Über das „Reverse Vesting“ werden Anteile unverfallbar und damit „vested“. Anteile, die abzugeben sind, sind dann die sogenanten „Unvested Shares“.

Abfindung bei Ausscheiden

Kern- und Angelpunkt bei jedem Ausscheiden ist die Abfindung. Schließlich erhält ein ausscheidender Gesellschafter Geld dafür, dass er seine Anteile verliert. Im Rahmen von Vesting-Klauseln wird deshalb geschaut, was der Grund für das Ausscheiden ist.

1. Good Leaver

Handelt es sich um einen Grund, für den der Gründer nichts kann oder den er nicht selbst verschuldet hat – beispielsweise weil er erkrankt oder verstirbt – dann ist diese Situation unter dem Begriff „Good Leaver“ bekannt.

In einem solchen Fall bekommt der Gründer regelmäßig den „wahren Wert“ oder den „Marktwert“ seiner Beteiligung. Dieser berechnet sich nach dem Verkehrswert.

2. Bad Leaver

Hat der Gründer jedoch das Ausscheiden verursacht – gibt es also einen von ihm verursachten Grund, weil er beispielsweise kein Interesse mehr an der Mitwirkung im Unternehmen und deshalb ordentlich kündigt hat oder ihm wird außerordentlich gekündigt aufgrund einer Pflichtverletzung – dann ist dies unter dem Begriff „Bad Leaver“ bekannt.

In diesen Fällen soll der Gründer regelmäßig nur die Minimalabfindung bekommen. Er selbst ist es ja, der die Grundlage für sein Ausscheiden gelegt hat.

Vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten der Vesting-Klausel

Vesting-Klauseln bieten vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten. Das macht sie in der Praxis so flexibel, aber auch schwer zu überblicken.

Die Vesting-Periode

So ist bei der Vesting-Periode zu überlegen, welche Anreize mit einer langen oder einer kurzen Frist gesetzt werden. In vielen Fällen wird auch ein sogenanntes „cliff“ vereinbart.

Das bedeutet, dass für einen bestimmten Zeitraum – beispielsweise ein Jahr – ein Vesting einer größeren Beteiligung erfolgt und danach Anteile monatlich dem Gründer zustehen. Umgekehrt gibt es gar keine Beteiligung, wenn ein Ausscheiden innerhalb des Zeitraums des Cliffs erfolgt.

Beispiel: Eine Vesting-Klausel sieht eine Vesting-Periode über 48 Monate vor. Nach Ablauf der ersten zwölf Monate stehen einem Gründer 25 Prozent und damit 12/48 seiner Beteiligung zu. Vor Ablauf dieses Zeitraums liegt diese Beteiligung bei null Prozent. In den nachfolgenden 36 Monaten werden ihm dann anteilig die restlichen 75 Prozent – also pro Monat 1/48 – zur Verfügung gestellt.

Sodann kann überlegt werden, ob alle Anteile eines Gründers dem Vesting unterliegen oder nur ein Teil.

Besondere Ereignisse als Auslöser

Schließlich kann eine Vesting-Klausel noch vom Eintritt bestimmter Ereignisse abhängig gemacht werden. Beim sogenannten „Accelerated Vesting“ werden beispielsweise bei einem Unternehmensverkauf alle Anteile sofort gevested.

Damit stehen sie dem Gründer zu. Das wirkt sich in der Folge im Rahmen des Verkaufs für ihn mit einen höheren Anteil am Verkaufspreis aus.

Finale Gedanken zur Vesting-Klausel

Vesting-Klauseln führen bei Gründenden immer wieder zu Diskussionen. Oftmals wird diese beherrscht vom Gedanken, dass es unfair sei, Anteile an „seinem“ Unternehmen abzugeben. Ich rate allerdings zu etwas mehr Bedacht.

Zum einen sollten Gründer auch die Interessen der Investoren bedenken. Diese sind regelmäßig zuerst an den Gründern interessiert. Sie müssen die Geschäftsidee finden. Will jemand aussteigen, muss dies möglichst schnell und ohne große Diskussionen erfolgen, um das Unternehmen nicht zu gefährden.

Zum anderen müssen die Gründer selbst ein Interesse daran haben, dass sie in der ursprünglichen Konstellation erhalten bleiben bis ihre Geschäftsidee Früchte trägt. Der drohende Verlust von Anteilen ist deshalb ein sinnvolles Instrument, um den Fokus der Gründer zu erhalten.

Sicherheit in allen Situationen

Und der Verlust kann dafür sorgen, dass ein Gründer nicht schon beim kleinsten Anzeichen von Problemen oder Herausforderungen seinen Austritt aus der Gesellschaft in Betracht zieht.

Darüber hinaus muss es im ureigensten Interesse sein, Streitigkeiten im Falle eines Ausscheidens durch eine entsprechende Regelung zu vermeiden, um sich voll auf die Umsetzung der Geschäftsidee konzentrieren zu können.

Über die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Vesting-Klauseln kann es gelingen, einen sinnvollen Ausgleich zwischen den Interessen der Gründenden und der Investoren zu erreichen.

Gründende tun also gut daran, Vesting-Klauseln nicht zu verteufeln, sondern in ihnen ein Ausgleichsinstrument zu sehen, das versucht, ihre Interessen und die Interessen von Investoren in einen Ausgleich zu bringen. Ob das gelingt, hängt dann von der konkreten Ausgestaltung ab.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit über 10 Jahren deutsche und internationale Unternehmen in allen Angelegenheiten wirtschaftsrechtlicher Art, z.B. bei Gründungen, Strukturierungen oder Vertragsgestaltungen aber auch zu rechtlich-strategischen Fragen. Darüber hinaus war er Weltpräsident der G20 Young Entrepreneurs Alliance (G20 YEA), Mitglied der B20 Taskforces und Rechtsbeistand der Wirtschaftsjunioren Deutschland. Bei BASIC thinking schreibt er über unternehmensrechtliche Fragen.