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Start-up-Check! Traceless, eine Plastikalternative für die Zukunft

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Traceless
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Das Hamburger Bioeconomy-Unternehmen Traceless.

Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien und neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Traceless aus Hamburg.

Was steckt hinter Traceless?

Mit Traceless will ich ein Start-up vorstellen, auf das das Intro oben zu 100 Prozent zutrifft. Dabei erfüllt das im Jahr 2020 von Anne Lamp und Johanna Baare gegründete Unternehmen nicht nur eine Bedingung, nein, sondern gleich drei. Vordenker: check. An großen Probleme der Zeit tüfteln: check. Geschäftsmodelle revolutionieren: check.

Während Lamp die Forschung und (Weiter-)Entwicklung verantwortet, sorgt Baare dafür, dass die Zahlen passen und dass das Unternehmen nicht zu schnell wächst. Stichwort „organisches Wachstum“ – ein Aspekt, der beim Blick auf Traceless in vielerlei Hinsicht ganz entscheidend ist, wie wir gleich sehen werden.

Als promovierte Verfahrenstechnikerin ist Lamp das Hirn hinter dem wegweisenden Produkt. Im Vergleich zu herkömmlichen Kunst- und Biokunststoffen handelt es sich dabei um ein ganzheitlich nachhaltiges und vollständig abbaubares Alternativmaterial.

Eine biologisch abbaubare Plastikalternative für die Zukunft

Damit, so das erklärte Ziel, wollen Anne Lamp, Johanna Baare und ihr Team einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und die in Folge von Plastikabfällen weltweit verursachte Umweltverschmutzung konsequent vermeiden.

Dazu entwickelt Traceless ein so fortschrittliches Material, dass sich nicht nur in den biologischen Kreislauf der Natur voll integriert, sondern dabei auch noch keinerlei Spuren hinterlässt.

Denn: Das nicht toxische Material ist voll kompostierbar – auch zu Hause auf dem privaten Komposthaufen! – und baut sich demzufolge nach wenigen Wochen in der Natur zu 100 Prozent ab.

Was macht Traceless?

Dazu stellt das Unternehmen ein gelbliches Granulat her, dass auf biologischen Abfallstoffen der Agrar- und Lebensmittelindustrie basiert (zum Beispiel Treber, ein biologischer Reststoff, der bei der Bierproduktion anfällt). In die Weiterverarbeitung verwandelt sich die Substanz dann über verschiedene Produktionsschritte in Traceless-Compound-Material.

Im Hinblick auf Qualität und Funktionalität muss sich das Traceless-Produkt vor konventionellen Kunststoffen sowie vor anderen Biokunststoffen nicht verstecken. Für die Kunststoffverarbeitung entwickelt, kann es etwa zu flexiblen oder harten Materialien, weiterverarbeitet werden – das alles aber eben mit ausschließlich natürlichen, kompostierbaren Inhaltsstoffen.

Und auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das rückstandslos abbaubare Material mehr als nur wettbewerbsfähig. Es lässt sich zu Marktpreisen herstellen und eignet sich für viele verschiedenen Applikationen.

Dazu gehören verformbare und starre Verpackungen, die sowohl den Anforderungen des Lebensmittelhandels als auch des Non-Food-Segmentes entsprechen, bis hin zu Einwegprodukten, stark abriebfesten Produkten, zur Beschichtung von Papieren und Kartonagen sowie für Klebstofflösungen.

Was macht Traceless so besonders?

In dem Produkt steckt eine innovative Technologie, welche die beiden Gründerinnen selbstverständlich zum Patent angemeldet haben. Sie ermöglicht die natürliche Gewinnung von Biopolymeren aus biologischen Abfallstoffen. Anstatt also neue Polymermoleküle synthetisch herzustellen, nutzt Traceless jene, welche die Natur bereits produziert hat.

Das Traceless-Material unterscheidet sich dabei nicht nur von herkömmlichen Kunststoffen, sondern auch von anderen Biokunststoffen. Viele Biokunststoffe bestehen etwa aus erneuerbaren oder recyclingfähigen Rohstoffen, die sich aber nicht vollständig in beziehungsweise von der Natur abbauen lassen. Traceless Compounds setzten sich dagegen aus Biomasse der zweiten Generation zusammen.

Eine Lösung für den Umweltschutz und die Entsorgungsprobleme

Diese muss also nicht eigens angebaut werden, um danach dann hergestellt zu werden. In einem Weltmarkt, in dem laut Anne Lamp bis 2026 eine Nachfrage in Höhe von gut 240 Milliarden US-Dollar entstehen wird, trifft das Produkt auf eine extrem hohe Customer Awareness für Umweltschutz und Entsorgungsprobleme dieser Zeit.

Diese haben sich nach über 60 Jahren und circa acht Milliarden Tonnen Plastikmüll, von denen bis dato lediglich 10 Prozent tatsächlich recycelt wurden, unter den Verbrauchern weltweit verbreitet. Da kommt Traceless mit seiner Lösungskompetenz offensichtlich gerade zur richtigen Zeit. Denn auch heute landen immer noch 40 Prozent der Kunststoffabfälle in der Umwelt, wissen Lamp und Baare.

Gibt es Kritikpunkte? Klare Antwort: Nein!

Wo will man an so einem ganz nebenbei mit Preisen und Auszeichnungen – unter anderm Träger des Wissenschaftspreises 2022, Gewinner des German Startup Awards 2022, Nummer eins untern den Top 50 Start-ups in Deutschland, Gewinner des Darboven IDEE Preises 2021 – überhäuften Projekt noch Kritikpunkte entdecken? Ich konnte keine finden!

Blicken wir deshalb auf die Herausforderungen der Zukunft: Die liegen wohl zunächst in der Skalierung des Geschäftsmodells, so dass der enorme globale Marktbedarf auch mit entsprechenden Mengen an Material versorgt werden kann. Dazu müssen Qualität und Funktion des Materials auf gleichbleibend hohem Niveau gewährleistet und über automatisierte Prozesse hergestellt werden.

Entscheidend wird hier sein, das Material auch in neutraler Farbe anzubieten, was zwar möglich ist, aber, so ist zu hören, offensichtlich noch zu hohe Kosten verursacht.

Produktdifferenzierung, Skalierung und Qualität werden mit der ersten laborähnlichen Produktionsumgebung, die Baare und Lamp aufgebaut haben und wo sie und ihr Team unter anderm auch an konkreten Anwendungsstudien arbeiten, bis dato jedenfalls noch nicht in einem Umfang möglich sein, wie es der Markt erfordert. Das muss es aber zum jetzigen Zeitpunkt auch (noch) nicht.

Fazit: Das Bioeconomy Unternehmen Traceless

Wunschziel ist: Bis 2030 weltweit eine Million Tonnen Traceless Compounds herzustellen. Damit würde das Unternehmen in die Dimensionen des aktuell anfallenden Kunststoffmülls vorstoßen. Elf Millionen Tonnen davon gelangen etwa in Form von Mikroplastik immer noch in die Meere.

Durch die Produktion von Traceless Compounds in der genannten Menge, würde damit ein valider messbarer Impact erzielt werden. Traceless trifft mit seinem Produkt so sehr den Nerv der Zeit, dass die Schlange der anklopfenden Investoren in Zukunft nicht abreißen dürfte. Das Interesse ist jedenfalls jetzt schon sehr groß.

Das lässt perspektivisch natürlich auch reichlich gedanklichen Spielraum für Übernahme-Szenarien durch große Konzerne, für die das junge Startup exakt jenes Know-how mitbringt, das zu vielversprechenden Wettbewerbsvorteilen führt. Fakt ist: Traceless hat ein wichtiges Ziel aus meiner Sicht bereits erreicht: es macht die Welt ein Stück besser. Danke dafür und weiter so.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.