Wirtschaft

Streik in Deutschland – Das sind die Gefahren beim Arbeitskampf

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Adobe Stock/ AndriiKoval
geschrieben von Gerold Wolfarth

Autobahnauffahrten sind gesperrt, Kliniken laufen im Notfallmodus, Flugzeuge bleiben auf dem Rollfeld und Züge im Bahnhof. Meldungen dieser Art sind derzeit allgegenwärtig. Denn in Deutschland herrscht – subjektiv betrachtet – so viel Streik wie nie. Kolumne von Gerold Wolfarth. 

Die Deutschen streiken derzeit gefühlt so viel wie nie zuvor. Die einen finden das gut, die anderen schlecht. Wenn die Franzosen streiken, finden wir das normal. Frankreich eben. Aber hier? Ja auch hier ist der Arbeitskampf ein absolut relevantes Thema.

Streik in Deutschland: Wie geht das eigentlich?

Das Streikrecht in Deutschland ist insofern interessant, dass es eigentlich gar nicht gesetzlich geregelt ist. Vielmehr hat sich eher durch die Rechtsprechung entwickelt. Die wichtigsten Fakten dazu sind im Grundgesetz im Art. 9, Abs. 3 unter Koalitionsfreiheit formuliert. Eine Unterlage des Bundestages fasst es recht übersichtlich zusammen.

Streiks dürfen zum Beispiel nur von Gewerkschaften organisiert und durchgeführt werden und ein Streik muss dem Abschluss eines Tarifvertrags dienen. Politische Streiks sind in Deutschland tatsächlich gar nicht zulässig. Zu berücksichtigen ist bei einem Streik auch immer die Verhältnismäßigkeit.

Das heißt insbesondere, dass Arbeitskampfmaßnahmen erst nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Einigung durchgeführt werden dürfen und das Gemeinwohl darf durch Streiks nicht offensichtlich verletzt werden.

In Frankreich wird für Streiks übrigens keine Gewerkschaft benötigt. Im Grunde darf jede noch so kleine Gruppe ihre Arbeit niederlegen, wenn Sie eine Forderung stellen möchte.

Warum streiken richtig und wichtig ist

Grundsätzlich ist es aus meiner Sicht gut, dass gestreikt werden darf und dass gestreikt wird. Wo Ungerechtigkeit herrscht, wo Ungleichheit besteht oder wo unmögliche Arbeitsbedingungen bestehen, ist es das Recht von Arbeitnehmern dagegen vorzugehen.

Gerade in den festen Leitplanken tarifgebundener Arbeitsverträge gibt es häufig kaum andere Möglichkeiten, um größere Anpassungen durchzusetzen. Doch leider wird der Streik zuletzt immer häufiger zu falschen Zwecken eingesetzt.

Wenn es nur noch um Profilierung einer Person an der Spitze des Streiks geht, wenn Einzeldarstellung vor der Rücksicht auf andere steht und wenn es nur noch um das Streiken an sich, nicht um das Verhandeln und ein sinnvolles Ergebnis für beide Seiten geht, dann kann ich das nicht gutheißen.

Streik in Deutschland: Die Gefahren!

Wie sinnvoll kann es sein, dem eigenen Arbeitgeber langfristig zu schaden, dafür, dass man selbst utopische und absolut unwirtschaftliche Forderungen stellt? Ich möchte hier nicht den Anspruch auf Vollständigkeit aller Forderungen beim letzten GDL-Streik erheben. Aber nehmen wir das Beispiel 35 Stunden-Woche bei 10 Prozent mehr Lohn.

Diese Forderung wäre in so ziemlich allen Unternehmen extrem schwierig bis gar nicht umzusetzen. Sie bedeutete neben sehr hohen Kosten auch Nachteile für die Angestellten selbst. Eine sehr starke Komprimierung der gleichen Arbeit in weniger Zeit. Denn die To Dos müssen ja trotzdem irgendwie erledigt werden.

Das Stresslevel der Arbeitenden würde immens ansteigen. Wie sinnvoll das ist, sei dahingestellt. Eine Zugfahrt von München nach Hamburg lässt sich jedoch nicht beschleunigen oder verkürzen. Sie dauert so lange, wie sie dauert. Das heißt, die zu leistende Arbeit der Angestellten lässt sich hier nicht einfach so effizienter gestalten.

Diese Arbeitsleistung entfällt stattdessen komplett. Es müssten mehr Lokführer eingestellt werden. Die Lohnkosten steigen bei bereits Angestellten enorm und zudem durch neue Mitarbeiter. Und am Schluss gehen dann, trotz Unpünktlichkeit und schlechtem Service, die Preise für Bahnreisende nach oben.

Auch Streikende müssen entgegenkommen

Aus meiner Sicht eine Forderung, die eben nicht 1:1 umgesetzt werden kann und daher muss hier mehr Entgegenkommen von Seiten der Streikenden stattfinden.

Doch wenn ein sechs tägiger Streik der Lokführergewerkschaft GDL angesetzt wird und Gewerkschaftschef Weselsky davor nicht einmal mehr auf ein Angebot der Bahn eingeht, die Verhandlungen stattdessen auf Eis liegen, dann hat das aus meiner Sicht mehr mit Sturheit als mit echtem Wunsch nach Verbesserung zu tun. Und dann wurde das Verhältnismäßigkeitsgebot eben nicht eingehalten.

Zu welchem Zweck das Ganze? Selbstdarstellung? Vermächtnis? Ich kenne Herrn Weselsky nicht persönlich, aber meine Wahrnehmung geht in diese Richtung. Dadurch verliert der Streik nicht nur die Akzeptanz und Rückendeckung in der Bevölkerung, sondern auch an Glaubhaftigkeit.

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Über den Autor

Gerold Wolfarth

Gerold Wolfarth ist Gründer und CEO der bk Group AG, dem Marktführer im Bereich Ladenbau und technisches Facility Management. Als Gründer und CEO der bk World Holding GmbH revolutioniert er das Langstreckenreisen mit dem Elektroauto. Er ist Gesellschafter der NIXDORF KAPITAL AG und Impact-Investor. Seine Themen sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Visionen. Zudem ist er Autor des Buches „Gewinn ist nur ein Nebenprodukt“.

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