OpenAI hat einen Lernmodus in ChatGPT integriert. Er soll Schüler und Studenten dabei unterstützen, Rechenwege und Probleme zu verstehen, anstatt direkt Lösungen zu liefern. Einerseits können sie dadurch angeregt werden, mehr nachzudenken. Andererseits ist das System fehleranfällig – so wie KI allgemein. In unserem Format „Break The News“ haben wir die Hintergründe entschlüsselt.
Hintergrund zum ChatGPT Study Mode
- Die Forscher Jörg von Garrel und Jana Mayer von der Hochschule Darmstadt haben eine quantitative Längsschnittstudie zur Nutzung von KI unter 4.910 Studenten an 395 deutschen Hochschulen durchgeführt. Demnach setzen aktuell über 90 Prozent kostenpflichtige oder kostenlose KI-Tools wie ChatGPT im Studium ein. Über ein Viertel (26 Prozent) gab an, sehr häufig KI zu verwenden. Ein Jahr zuvor waren es gerade einmal zehn Prozent.
- Schüler sind ihren Eltern technisch oftmals einen Schritt voraus – man denke nur an die eigene Kindheit. Einige wissen deshalb vermutlich nicht einmal, dass ihre Kinder für die Schule Hausaufgaben-Apps nutzen – geschweige denn, dass es sie gibt. Der „KI-Lernbegleiter“ Gauth gehört mit über 50 Millionen Downloads zu den beliebtesten Anwendungen. Die App stammt von TikTok-Konzern ByteDance und soll dabei helfen, fächerübergreifend Hausaufgaben zu erledigen.
- KI-Modelle von Google DeepMind und OpenAI haben bei der Internationalen Mathematik-Olympiade (IMO) kürzlich erstmals Goldmedaillen-Level errungen. Beide Systeme lösten fünf von sechs Aufgaben, was den bisherigen Stand der KI-Forschung beim mathematischen Denken deutlich verschiebt. KI ist mittlerweile also sehr gut darin, mathematische Probleme zu lösen, stößt allerdings bei komplizierten Aufgaben auch an ihre Grenzen – und neigt gelegentlich zu Halluzinationen.
Einordnung: ChatGPT Lernmodus
Seit dem Durchbruch von einfach zugänglichen KI-Lösungen wie ChatGPT oder DeepL befindet sich auch das Bildungssystem in einem Umbruch. Insbesondere Studenten und Schüler zählten von Beginn an zu den ersten Nutzern – und auch Nutznießern.
Seitdem hat sich ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel entwickelt: Schulen, Hochschulen und Universitäten versuchen verzweifelt, mit KI-Detektoren Schülern und Studenten auf die Schliche zu kommen und sie für den Einsatz von KI zu bestrafen.
Dass sich OpenAI als KI-Vorreiter dafür einsetzt, dass Schüler und Studenten wieder mehr ihren eigenen Kopf einsetzen und weniger das ungefilterte Schwarmwissen aus dem Internet verwenden, ist lobenswert.
Richtig eingesetzt, kann der ChatGPT-Lernmodus aktiv dazu beitragen, die akademischen Leistungen und das Verständnis nachhaltig zu verbessern, weil KI dazu in der Lage ist, die Probleme mitunter individueller und ausführlicher zu adressieren als es viele Lehrer und Dozenten können.
Trotzdem gilt es realistisch zu bleiben: Der Mensch ist ein faules Lebewesen. Um vom Lernmodus, der aktiv auf dem Weg zur Lösung eines Problems mit Fragen begleitet, zum „normalen“ Chat zu kommen, genügt ein Klick.
Wer nur auf der Suche nach einer Antwort ist, wird sich mit dem Study Mode deshalb kaum abmühen. Statt zu lehren und beim Lernen zu helfen, kann der Einsatz von KI im schlimmsten Fall dann sogar dazu führen, kritisches Denken zu verlernen. Zum Hausaufgaben-Betrug kommt damit aber auch schnell: Selbstbetrug!
Stimmen
- Jörg von Garrel, Professor für Prozess- und Produktinnovationen mit Schwerpunkt auf quantitativer Sozialforschung, zu seiner Studie: „KI-basierte Tools wie ChatGPT sind inzwischen ein fester Bestandteil des Hochschulalltags und verändern die Art und Weise, wie Studenten lernen und arbeiten. Die Ergebnisse unterstreichen, dass KI-basierte Tools innerhalb kurzer Zeit zu einem integralen Bestandteil des Studiums geworden sind und sich ihr Einsatzbereich kontinuierlich erweitert.” Bildungseinrichtungen müssten Schüler und Studenten deshalb frühzeitig über die Herausforderungen und Risiken von KI aufklären.
- Eine positiv verzerrte Wahrnehmung hat KI-Experte Robbie Torney von der gemeinnützigen Bildungs-Organisation Common Sense Media. OpenAI zitiert ihn: „Statt die Arbeit für die Lernenden zu übernehmen, regt der Lernmodus sie dazu an, kritisch über ihr Lernen nachzudenken. Auch im KI-Zeitalter gelingt Lernen am besten, wenn Lernende begeistert sind und sich aktiv mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen.“ Was Torney bei seiner Werbebotschaft vergisst: Wer kein Interesse daran hat, etwas zu lernen, lässt den Lernmodus einfach aus und sich von ChatGPT direkt die Lösung ausspucken.
- OpenAI-Chef Sam Altman sieht die Bedenken bezüglich des Einsatzes von KI in Schule und Studium als unbegründet an. In der 599. Folge des Podcasts „This Past Weekend“ blickt er auf seine eigene Schulzeit zurück: „Ich erinnere mich daran als ich in der Schule war – in der Junior High – damals ist Google aufgekommen und alle Lehrer sind durchgedreht.“ Natürlich hat er recht damit, dass viele Lehrer sich mit technischen Neuerungen schwer tun – insbesondere in Deutschland. Die sogenannte German Angst sollte aber auch kein pauschales Hindernis für Innovationen sein.
Ausblick: Lernen und Studieren mit KI
KI ist bereits ein fester Bestandteil im Bildungssystem – Tendenz steigend. Wer glaubt, die Nutzung von KI-Modellen durch steinzeitliche Ansätze wie ein Smartphone-Verbot an Schulen oder handschriftliche Prüfungen an Universitäten zu umgehen, ist auf dem sprichwörtlichen Holzweg.
Denn wie so häufig gilt es, einen sinnvollen Mittelweg zu finden. Wir müssen uns auf der einen Seite darauf fokussieren, die Vorteile und Erleichterungen zu erkennen und zu nutzen, die Künstliche Intelligenz mit sich bringt.
Ein expliziter Lernmodus, der nachfragt, unterstützt und unendlich viel Zeit für Fragen hat, kann eine große Hilfe für alle Schülerinnen und Schüler sein, die sich mit gefährlichem Halbwissen von Nachhilfelehrern herumschlagen.
Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass KI-Unternehmen aktiv auf die Bildungseinrichtungen zugehen, um gemeinsam daran zu arbeiten, dass KI sinnvoll zum Einsatz kommt.
Denn: Bislang sind ChatGPT und Co. in der Regel nur unkontrollierte Werkzeuge. Damit Schüler und Studenten wirklich von KI profitieren, wäre es wichtig, dass Bildungseinrichtungen daran arbeiten, verständliche Gebrauchsanleitungen herauszugeben.
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