ChatGPT und Co. reiten weiter auf der Euphoriewelle. Doch immer mehr Brancheninsider sprechen von einer KI-Blase, die zu platzen droht. Das gilt auch für OpenAI-Chef Sam Altman, der jedoch ein doppeltes Spiel spielt.
Hintergrund
- Im ökonomischen Sinn entsteht eine Blase, wenn Bewertungen von Unternehmen oder Technologien viel stärker steigen als ihre tatsächliche Wertschöpfung oder nachhaltige Einnahmemöglichkeiten. Klassische Beispiele sind die Dotcom-Blase um 2000 oder die Immobilienblase 2008. Mit Blick auf KI glauben immer mehr Menschen, dass Investoren und Unternehmen überzogene Erwartungen hegen – sowohl was die Geschwindigkeit des Fortschritts als auch die Monetarisierung angeht.
- KI-Branchenprimus OpenAI erzielt derzeit keinen Gewinn. Stattdessen soll das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Verlust in Höhe von rund fünf Milliarden US-Dollar gemacht haben. Der aktuelle Umsatz liegt bei circa zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr. OpenAI soll Schätzungen zufolge 2,25 US-Dollar ausgeben, um einen Dollar Umsatz zu erzielen.
- Laut einer aktuellen Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind die realen Auswirkungen von KI auf Unternehmensergebnisse und Produktivität bislang eher gering. Künstliche Intelligenz könne aktuell allenfalls Routineaufgaben zuverlässig übernehmen. Qualitätskontrollen und Korrekturen würden aufgrund von KI-Halluzinationen viel Zeit kosten.
Einordnung
Die Diskussionen um eine vermeintliche KI-Blase offenbaren die enorme Diskrepanz zwischen aktuellen Umsätzen und gigantischen Unternehmensbewertungen. OpenAI ist ein Paradebeispiel dafür. Denn das Unternehmen verzeichnet Milliardenverluste und wird dennoch mit 500 Milliarden US-Dollar bewertet.
Viele erinnert das an den Hype während der Dotcom-Ära. Die KI-Forschung hat zwar rasante Fortschritte erzielt, der realwirtschaftliche Nutzen von Künstlicher Intelligenz ist bislang aber überschaubar. Produktivitätseffekte sind vor allem aufgrund einer aufwendigen Qualitätssicherung noch nicht durchschlagend.
OpenAI-Chef Sam Altman verkörpert dabei ein Paradoxon: Er warnt einerseits vor überhitzten Erwartungen, während er andererseits Milliarden an Kapital einsammelt. Sein Vorgehen gleicht einem Balanceakt zwischen dem Eingeständnis einer Blase und dem Versuch, OpenAI als Marktführer zu stabilisieren. Das ist strategisch klug, birgt aber auch ein enormes Risiko.
Denn ob die KI-Blase tatsächlich platzt, hängt letztlich an zwei Faktoren: der Geschwindigkeit realer Produktivitätsgewinne und der Geduld der Investoren. Vermutlich werden viele Start-ups verschwinden, während einige wenige Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen überleben – und dann den Markt dominieren.
Stimmen
- OpenAI-Chef Sam Altman unverblümt: „Wenn Blasen entstehen, begeistern sich kluge Leute übermäßig für einen wahren Kern. Befinden wir uns in einer Phase, in der Investoren insgesamt übermäßig von KI begeistert sind? Meiner Meinung nach ja. Jemand wird eine unglaubliche Menge Geld verlieren. Wir wissen nicht, wer, und viele Menschen werden eine unglaubliche Menge Geld verdienen.“
- Finanzexpertin Luba Schönig glaubt, dass vor allem die sogenannte „Fear of Missing Out“ (FOMO), also die Angst nicht dabei zu sein, an der Börse für den aktuellen KI-Hype sorgt: „Die hohen Bewertungen der Techfirmen und Start-ups werden stark von Fantasien beflügelt. Wir sehen derzeit eine typische Lotteriementalität. Anleger überschätzen systematisch die Chancen, einen großen Treffer zu landen.“
- Omar Moufti, Lead Strategist bei der US-Investmentgesellschaft BlackRock, ist anderer Meinung: „Im Gegensatz zur Dotcom-Blase mit unbewiesenen Modellen ähnelt KI der industriellen Revolution, die die Wirtschaft umgestaltet. Der Echtzeit-Output wird sofort verbraucht, was zu einer kontinuierlichen Nachfrage führt. Dieser ständige Bedarf an neuen Ressourcen und Infrastrukturen unterstützt das langfristige Wachstumspotenzial und unterstreicht, dass KI weit von einer Spekulationsblase entfernt ist.“
Ausblick
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob KI ein Luftschloss bleibt oder eine wirtschaftliche Ära prägen wird. Der aktuelle Konjunkturzyklus schwankt derweil zwischen Goldgräber- und Katerstimmung. Denn: Der große Produktivitätsschub gleicht eher einem Marathon als einem Sprint.
Investoren müssen sich daher in Geduld üben. Technologisch wird sich vermutlich künftig wiederum die Spreu vom Weizen trennen. Denn wer nur Buzzwords verkauft, wird untergehen. Welche Unternehmen sich langfristig etablieren, entscheidet jedoch nicht allein der Algorithmus, sondern auch das Durchhaltevermögen der Kapitalgeber.
Wenn die KI-Blase platzt, droht zudem ein Börsencrash. Schon der Einbruch im Januar hat als Reaktion auf die überraschenden Erfolge der China-KI DeepSeek gezeigt, welche Folgen bereits leise Zweifel haben können.
Letztlich gilt: Blasen platzen, aber hinterlassen stets auch etwas. So wie das Internet nach der Dotcom-Krise stärker denn je zurückkam, könnte auch KI nach einem möglichen Crash erst so richtig aufblühen. Dann vielleicht aber etwas realistischer, bodenständiger und mit weniger schillernden Versprechen.
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