Der Axel Springer Verlag will bei journalistischen und organisatorischen Abläufen verstärkt auf Künstliche Intelligenz setzen. Wie der Tagesspiegel unter Berufung auf Insiderinformationen berichtet, soll in der sogenannten „Premium-Gruppe“ kein Artikel mehr ohne KI erstellt werden. Darunter fallen die Springer-Marken Politico, Business Insider und Welt.
Hintergrund: Nur noch KI-Artikel bei Axel Springer
- Anfang des Jahres haben der Axel Springer Verlag und OpenAI eine Kooperation angekündigt. Artikel von Bild, Welt und Co. fließen seither in die Trainingsdaten von ChatGPT ein und werden in den Ergebnissen mitunter bevorzugt angezeigt. Bestimmt nur Zufall: OpenAI-Chef Sam Altman soll am 24. September mit dem Axel Springer Award ausgezeichnet werden.
- Claudius Senst, Springer-Vorstandsmitglied und CEO der „Premium-Gruppe“, kündigte in einer E-Mail ein „neues Kapitel“ für das Unternehmen an. Sein Fünf-Punkte-Plan verpflichtet Redakteure unter anderem, ChatGPT als „Standard für Recherche, Ideenfindung und schnelle Antworten“ einzusetzen. Für jeden Artikel der sogenannten Premium-Marken muss zudem ein KI-Prototyp erstellt werden. Heißt konkret: Kein einziger Artikel mehr ohne KI.
- Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer, hatte im Juni 2025 einen „Journalismus“ angekündigt, der auf Künstlicher Intelligenz basiert. Außerdem: Dass er den Unternehmenswert binnen fünf Jahren verdoppeln will – offenbar um jeden Preis.
Einordnung: KI-Strategie von Springer zeigt erste Risse
In der Vorstandsetage von Axel Springer hat entweder noch nie jemand etwas von KI-Halluzinationen oder Bias gehört. Oder: Der Verlag hat sein ohnehin fragwürdiges Journalismus-Verständnis noch weiter aufgeweicht.
Beides wäre überaus naiv und wird sich zwangsläufig rächen. Denn: Die KI-Strategie von Springer zeigt bereits erste Risse. Eine Autorin namens Margaux Blanchard veröffentlichte bei Business Insider mehrere Artikel. Problem: Eine solche Autorin existiert überhaupt nicht.
Das ist selbst der Business Insider-Redaktion erst im Nachhinein aufgefallen, woraufhin die Artikel gelöscht wurden. In der Bild erschien wiederum ein KI-Artikel über einen Casino-Betrug in der Schweiz, der voller Fehler war. Fehler, die Mathias Döpfner gerne verzeiht.
Denn: Der verantwortliche Redakteur sei schließlich nur aus zu viel Enthusiasmus und Begeisterung KI-Halluzinationen aufgesessen. Aus journalistischer Perspektive ist das eine katastrophale Ansicht. Denn was einmal im Netz kursiert, bleibt hängen – nachträgliche Korrekturen, Einordnungen oder Faktenchecks hin oder her.
Stimmen
- Mika Beuster, Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Vorstellung, man könne mit KI im redaktionellen Alltag an menschlicher Intelligenz sparen, halte ich für naiv. Die digitale Revolution erfordert eher mehr Investition in menschliche journalistische Expertise als weniger. Wir brauchen diese Fachkräfte, die einordnen, kritisch Quellen hinterfragen und erklären.“
- Die Stimmung in den Redaktionen scheint auf dem Nullpunkt. Ein Springer-Mitarbeiter dazu: „Es gibt einige große Namen wie Paul Ronzheimer oder Robin Alexander, die gepusht und mit Top-Verträgen gehalten werden. Aber wer kann, schaut, ob er nicht anderswo unterkommen kann“.
- Laut Mathias Döpfner müssen sich Redakteuren sogar dafür rechtfertigen, wenn sie keine KI nutzen. Der Eindruck des österreichischen Wirtschaftsjournalisten Alexander Fanta: „Döpfner wäre am liebsten kein Medien-CEO, er wäre gerne ein Tech-CEO.“
Ausblick: KI-Offensive droht Misserfolg
Es wird sich zeigen, ob der Springer Verlag mit seiner KI-Offensive Erfolg haben wird. Wobei der Misserfolg aus journalistischer Perspektive wahrscheinlicher ist. Zugeben würde man das aufgrund eines immer verschrobeneren Journalismus-Verständnisses jedoch nicht.
Denn die Pläne von Döpfner scheinen eher im Silicon Valley-Fieber entstanden zu sein. Was er vergisst: Journalismus ist kein Start-up oder Unternehmen, das man mit Venture Capital-Logik füttert.
Fehler, denen man wirklich verzeihen kann, sind rein menschliche. Fehler im Zusammenhang mit KI sind hingegen vermeidbar, indem man die Nutzung schlichtweg sinnvoll einschränkt, statt Redakteuren ChatGPT aufzuzwingen, um aus ihnen „Content Creator“ zu machen.
Künftig wird es bei Axel-Springer-Medien mehr Tempo und mehr Output geben. Dafür: Noch weniger Journalismus. Kurzfristig mag das finanziell vielleicht sogar von Erfolg gekrönt sein. Doch langfristig wird man diese Strategie teuer bezahlen – und zwar mit dem Vertrauen der Leser.
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