Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat 2022 eine globale Halbleiterkrise ausgelöst. Diese hätte betroffenen Unternehmen und der Politik eigentlich eine Lehre sein müssen. Doch nun droht aufgrund geopolitischer Spannungen rund um den niederländischen Halbleiterhersteller Nexperia erneut eine Chipkrise.
Die Nexperia-Krise kurz erklärt
- Die Nexperia-Krise hat ihre Wurzeln in geopolitischen Spannungen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zwischen Europa, China und den USA. Im Fokus steht der niederländische Halbleiterhersteller Nexperia, der mittlerweile Teil des chinesischen Mutterkonzerns Wingtech Technology ist. Das Unternehmen produziert elektronische Bauteile wie Dioden und Transistoren, die in der Automobilindustrie unverzichtbar sind.
 - Mitte Oktober 2025 verschärfte sich die Lage, als die niederländische Regierung wegen Sicherheitsbedenken eingriff. Sie berief sich auf den sogenannten Goods Availability Act, um vorübergehend die Kontrolle über Nexperia zu übernehmen. Hintergrund ist die Sorge, dass strategisch wichtige Halbleitertechnologie unter chinesischen Einfluss geraten könnte.
 - China reagierte mit Ausfuhrbeschränkungen und untersagte Nexperia China, bestimmte Bauteile und Materialien aus seinen chinesischen Werken in die Niederlande zu liefern. Der Konflikt führte zu einer Unterbrechung der Lieferketten. Da Nexperia ein zentraler Zulieferer für viele Automobilhersteller ist, gerieten Produktionsprozesse in Europa ins Stocken. Hersteller wie VW warnten vor Produktionsstopps, weil Standardchips nicht mehr verfügbar waren.
 
Halbleiter: Der große Fehler Europas
Die Nexperia-Krise ist Sinnbild für die Naivität der europäischen Wirtschaftspolitik. Denn: Europa hat Abhängigkeiten viel zu lange ignoriert oder unterschätzt, während China und die USA längst eine strategische Industriepolitik betreiben. Nexperia offenbart die europäische Strukturschwäche in der Halbleiterindustrie.
Der Konflikt dürfte zwar kurzfristig beigelegt werden können, birgt jedoch die Gefahr, bei politischen Spannungen jedes Mal neu aufzuflammen. Nexperia sollte deshalb ein warnendes Beispiel für eine neue geopolitische Lage sein, die es nicht zu unterschätzen gilt.
Für die Politik liegt die größte Herausforderung in einer grundsätzlich neuen strategischen Ausrichtung – in Form von technologischer Souveränität in Europa. Damit Unternehmen nicht Opfer politischer Konflikte werden, sollten sie resiliente Lieferketten aufbauen – mit Partnern und Ländern, denen man vertrauen kann.
Was viele Hersteller aber offenbar verpennt haben, ist der Aufbau ausreichender Reserven. Tesla ist etwa als einer der wenigen Autobauer noch halbwegs glimpflich durch die Halbleiter-Krise 2022 gekommen, weil man genug Chips auf Halde hatte.
Stimmen
- Sigrid de Vries, Generaldirektorin des Europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA, in einem Statement zur aktuellen Lage: „Dies ist ein branchenübergreifendes Problem, das eine große Anzahl von Zulieferern und praktisch alle unsere Mitglieder betrifft. Wir befinden uns plötzlich in dieser alarmierenden Situation. Wir brauchen wirklich schnelle und pragmatische Lösungen von allen beteiligten Ländern.“
 - Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall, denkt schon weiter. Gegenüber dem NDR sagte er: „Wir müssen uns mittel- und langfristig verstärkt darum bemühen, andere Lieferketten aufzubauen“, so Schmidt. „Und zwar aus verbündeten Staaten der westlichen Hemisphäre.“
 - Ich finde: „Während Peking Milliarden in seine Industrien pumpt, hat vor allem Deutschland zugesehen, wie unsere Wirtschaft ausblutet. Die Politik hat die Solarbranche, die Batterieindustrie und jetzt auch die Halbleiterproduktion an China verloren. Man hat sich freiwillig abhängig gemacht – nicht, weil China stärker war, sondern weil wir zu bequem und naiv waren.“
 
Europa: Nexperia-Krise ein Weckruf?
Die Nexperia-Krise sollte ein endgültiger Weckruf für Europa sein, um einen Strategiewechsel in der Industriepolitik einzuleiten. Heißt konkret: Die EU muss einerseits in heimische Produktionskapazitäten investieren. Andererseits braucht es neue Partner, um Abhängigkeiten zu reduzieren.
Kurzfristig dürften Unternehmen nicht an höheren Halbleiter-Preisen vorbeikommen, wenn sie ihre Produktion sicherstellen wollen. Eine der größten Herausforderungen: mangelnde Transparenz in globalen Lieferketten. Denn Rohstoffe, Maschinen und Endproduktionen sind teilweise über die ganze Welt verteilt.
Das heißt, dass einzelne Unterbrechungen die gesamte Kette lahmlegen können. Die digitale Nachbildung und Überwachung von Produktions- und Lieferkette mittels digitaler Zwillinge könnte in Kombination mit KI-Analysen aber helfen, drohende Engpässe früher zu erkennen.
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