Netzausfälle stellen im Fall einer Katastrophe ein massives Probleme für die Kommunikation von Rettungskräften dar. Deutsche Forscher haben deshalb ein System entwickelt, das auch dann funktioniert, wenn die Infrastruktur versagt.
Wenn eine Katastrophe eintritt, ist schnelles Handeln gefragt. Denn vor allem Rettungskräfte sind darauf angewiesen, sich schnell zu organisieren und abzusprechen. Allerdings haben Krisen in den vergangenen Jahren eine kritische Schwachstelle in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands gezeigt: Tritt der Ernstfall ein, ist der Mobilfunk oft überlastet und es kommt zu massiven Netzausfällen.
Für diesen Fall haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT eine Lösung entwickelt: Ein mobiles, selbstorganisierendes Kommunikationsnetz verbindet Einsatzkräfte untereinander, mit der Einsatzleitung und dem Internet.
Kommunikation bei Katastrophe
Das softwarebasierte, drahtlose und ad-hoc-fähige Kommunikationsnetz basiert auf der sogenannten Wi-BACK-Technologie (Wireless Backhaul). Es wurde im Rahmen des Projekts „5G Opportunity“ entwickelt und gemeinsam mit den Projektpartnern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg getestet.
Das besondere an der Technologie ist der Einsatz von Multi-Hop-Richtfunk. Dieses Verfahren ermöglicht es, die Reichweite von Funkstrecken zu erweitern, indem Daten über mehrere Zwischenstationen weitergeleitet werden. Dadurch ist keine direkte Sichtverbindung zwischen weit entfernten Punkten nötig, was das Netz in jedem Gelände flexibel macht.
Der Grundstein für die WiBACK-Technologie wurde bereits vor zehn Jahren gelegt, um ländliche Gebiete mit eingeschränkter oder fehlender Internetverbindung an die entfernte Netzwerkinfrastruktur anzubinden.
„Ein WiBACK-Netz kann in kürzester Zeit errichtet und sofort konform der Regulatorien betrieben werden“, erklärt Projektleiter Dr. Mathias Kretschmer, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT in Sankt Augustin.“Die Hardware besteht aus autarken, portablen Komponenten. Es genügt, die Batterien anzuschließen, die Antennen auszurichten und schon ist das Netz startklar.
5G und Richtfunk liefern stabiles Netz in der Krise
Um die Verbindung zu den Endgeräten der Einsatzkräfte herzustellen, nutzt das System eigene 5G-Zellen basierend auf Open RAN sowie WiFi. „Über eigene kleine 5G-Zellen sprechen wir die Smartphones an und über WiBACK bringen wir das Netz auf die Fahrzeuge“, so Kretschmer.
Diese Nutzung privater 5G-Netze über Campusfrequenzen ist essenziell für die Entlastung der öffentlichen Netze. Die Frequenzen, die aktuell kaum genutzt werden, könnten den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Katastrophenfall exklusiv zur Verfügung gestellt werden.
Bei Katastrophe sind keine IT-Spezialisten für Kommunikation nötig
Die Funktionsfähigkeit des Kommunikationssystems testeten die Forscher unter anderem auf dem Summer Breeze Open Air 2024. Auf dem Festival stellten die Projektpartner das Netz bereit und verbanden die Sanitätsstationen der Malteser mit der Einsatzleistung und dem Internet – mit Erfolg.
„Die Funk- bzw. Netzwerkknoten konnten […] zuverlässig mit Solarpanels und Akkus betrieben werden, was das Potenzial für energieautarke Kommunikationsnetze in Krisengebieten unterstreicht“, heißt es in einer offiziellen Erklärung.
Ein weiterer Vorteil: Im Katastrophenfall sind keine IT-Spezialisten notwendig. Die Funkknoten konfigurieren sich automatisiert, sodass die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen das alternative Netz schnell und ohne tiefgehende IT-Kenntnisse etablieren können.
Neue System als Zukunft der Krisenkommunikation
Die Entwicklung des Fraunhofer FIT schafft eine wichtige Grundlage für die digitale Widerstandsfähigkeit im Bevölkerungsschutz. Inzwischen wurde bereits das Nachfolgeprojekt HiLeit gestartet.
Es soll durch modulare Netzwerkknoten eine schnelle Bereitstellung und Anpassung der Kommunikation an die jeweilige Situation ermöglichen. Geplant ist, die WiBACK-Architektur um eine LEO-Satellitenschnittstelle (Low Earth Orbit) zu erweitern, damit diese als Internetanbindung verwendet werden kann.
Außerdem wollen die Projektpartner mehrere Technologien, darunter öffentliche Kommunikationsnetze, Glasfaser, LEO/IRIS2-Terminals, Feldkabel und WLAN-Richtfunk kombinieren, um ein flexibel einsetzbares, hochverfügbares Netz aufzubauen, das sich je nach Lage und Bedarf konfigurieren lässt.
Vor allem die intuitive Bedienbarkeit stehe dabei im Fokus, so Kretschmer. So sollen auch Einsatzkräfte ohne tiefgehende technische Kenntnisse das System schnell in Betrieb nehmen können.
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