Um Himmels Willen: meinVZ soll kostenpflichtig werden! Gerade häufen sich auf den Schreibtischen der Redaktionskollegen Leseranfragen bezüglich eines neuen „Kettenbriefs“ (und ich dachte, die hätten die Jahrtausendwende nicht überdauert). Darin werden andere VZ-Mitglieder gewarnt, dass die Plattform derzeit Profile auf ihre Aktivität hin abklopft und Leuten, die den Brief nicht weiterschicken, den Account dicht macht. Zum anderen, so die Nachricht, würde meinVZ zum 31. Dezember kostenpflichtig werden.
Die VZler dementieren vorhin ebenso vehement wie emotional:
1. Völliger Blödsinn!!!
2. Würden wir Euch nie private Nachrichten mit der Aufforderung schicken, etwas weiterzuleiten, etc.
3. Machen wir keine Rechtschreibfehler! (Naja, nicht so viele jedenfalls!)
4. meinVZ wird weiterhin kostenlos bleiben!
Das schreibt VZ-Mitarbeiterin Jana Karwinkel in einem öffentlichen Klartext-Statement. Ich würde den Hinweis ernst nehmen. Übrigens ist es laut Verhaltenskodex nicht einmal gestattet, derartigen Spam zu verbreiten: „Es dürfen keine Kettenbriefe, Pyramidenschemata, Wettbewerbe, Lotterien, Wettspiele oder ähnliches verschickt bzw. organisiert werden.“ Während die Kollegen damit beschäftigt sind, die Leser über diese Ente zu informieren und beruhigend auf die Hysteriker unter ihnen einzuwirken, nehmen wir uns hier eben noch die Zeit, über die Hintergründe nachzudenken.
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Natürlich ist das Quatsch. Die Überprüfung inaktiver Konten dürfte den VZ-Admins wesentlich schneller von der Hand gehen, wenn sie zwei, drei Knöpfchen drücken – immerhin wird jeder Login protokolliert. Und zur vermeintlichen Einführung von Gebühren? Auch da ist nichts dran.
Erstens will Holtzbrinck zum 1. November mit der neu gegründeten VZ-Werbefabrik sämtliche Vermarktungsaktivitäten für die sozialen Netzwerke unter einem Dach bündeln: „Schon ab 50,- € kannst Du Deine spezifische Zielgruppe mit einer Bild-Text-Werbeanzeige auf studiVZ und meinVZ erreichen.“ Es wäre mehr als ungeschickt, die Logistik von Werbeschaltungen voranzutreiben und gleichzeitig in einer Anwandlung eines Murdoch’schen Größenwahns die Plattformen pauschal auf Premium-Accounts umzustellen.
Zweitens hat die geplante Einführung von Open Social neue Möglichkeiten der Monetarisierung eröffnet. Noch vor Jahresende wird VZ sein Netzwerk für fremde Entwickler frei geben. Das wird nicht nur die bislang hermetisch abgeriegelten Plattformen (gut, Twitter-Posts haben sie schon vorher durchgelassen) nach außen öffnen, sondern den Nutzern auch einigen Mehrwert bringen – zum Beispiel kleine Apps und Spiele, die irgendwann auch einmal kostenpflichtig werden könnten. Facebook hat eben diesen Weg eingeschlagen und es ist mehr als wahrscheinlich, dass VZ nachziehen wird. Für jedes verkauftes Programm würde Holtzbrinck dann eine kleine Provision einbehalten.
Also, ruhig Blut. Löscht die Kettenbriefe und erfreut euch an dem Gedanken, dass VZ auch in (zumindest absehbarer) Zukunft kostenfrei bleiben wird.
(André Vatter)