„Liebe Netz-Piraten, würdet ihr bitte euer kriminellen Handlungen künftig einstellen. Ihr gefährdet mit eurem schändlichen Tun Millionen von Jobs in der EU. Gezeichnet: Eure Internationale Handelskammer.“ – So nett würde die Behörde ihr Anliegen den Cyber-Ganstern gegenüber vermutlich nie formulieren, es wird aber dennoch immer so auf Letztere wirken: kindlich-naiv. Und die Antwort wird auch immer die Gleiche bleiben: „Nein, außer wenn…“ Die Bedingungen muss ich hier nicht wiederholen, sie wurden schon mehr als einmal auf diesem Blog von euch und uns formuliert.
Der Fokus soll vielmehr auf der Untersuchung liegen, die die Basis für den fiktiven Brief bildet. Dem Guardian zufolge könnten in den nächsten fünf Jahren 250.000 Menschen in Großbritannien ihre Jobs in den Branchen Musik, Film und Fernsehen verlieren, wenn die Online-Piraterie im gleichen Ausmaß weiterbetrieben wird, wie bisher. In der gesamten EU werde die Zahl im gleichen Zeitraum sogar deutlich die Millionengrenze übersteigen. Dies will eine Studie mit dem Titel: „Building a Digital Economy – The Importance of Saving Jobs in the EU’s Creative Industries“ (zu Deutsch etwa: „Aufbau einer digitalen Wirtschaft: Die Bedeutung der Erhaltung von Arbeitsplätzen in den kreativen Branchen der EU“) herausgefunden haben, die der französische Marktforscher Tera Consultans im Auftrag der Internationalen Handelskammer durchgeführt hat.
Demnach beschäftigen die „kreativen“ Branchen in der EU rund 14 Millionen Menschen, was 6,5 Prozent der gesamten berufstätigen Bevölkerung in der europäischen Union entspricht. Vor zwei Jahren steuerte sie dadurch 860 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt der Staatenvereinigung (Gesamtübersicht) bei, was wiederum einem Anteil von sieben Prozent entspricht. Wie die Geschichte nun weitergeht, dürfte jedem klar sein: Man errechnet den entstandenen Schaden, den die Piraten bisher angerichtet haben und erstellt eine Verlust-Prognose für die kommenden fünf Jahre. Auf welchem Wege beziehungsweise welcher Basis solche „Schadensberichte“ angefertigt werden, ist dabei nicht so ganz klar und wurde von mir bereits im Zusammenhang mit der Jagd auf das Streaming-Portal kino.to kurz angerissen.
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Die Gefahr wird fühlbar
Jedenfalls ergibt sich eine Summe von 240 Milliarden Euro, die den besagten Industriezweigen durch fehlende Einnahmen durch die Lappen gehen. Na und um diesen Verlust wettzumachen, müssten 1,2 Millionen Jobs gestrichen werden. Ist doch eine einfache und logische Rechnung, oder nicht? Da aber niemand Jobs abbauen möchte, hat die britische Regierung nun ein härteres Durchgreifen gegen P2P-Filesharing, illegal kopierte Daten und Websites angekündigt, die solches Material speichern, anbieten, verbreiten und so weiter. Im (Nord-)Westen also nicht Neues. Wenn noch weitere Daten interessieren, kann sie entweder auf der oben verlinkten Seite des Guardian oder der der Internationalen Handelskammer nachlesen.
Auch wenn die Verantwortlichen mit ihrer härteren Gangart vermutlich genauso viel beziehungsweise wenig Erfolg haben werden, wie bisher. Sie könnten an anderer Stelle etwas bewirken. Die durchschnittliche Mutti und der durchschnittliche Vati werden sich bisher nämlich vielleicht nicht besonders gekrazt gefühlt haben, wenn sie vernahmen, dass die riesigen Konzerne ein bisschen weniger Kohle verdienten. Vielleicht fühlten sie sogar ein wenig Schadenfreude und hatten Verständnis für die „Robin Hoods“ des Internets.
Nun hat aber eine EU-Behörde den Schwarzzeichner rausholt und malt mitten in die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise das Horror-Szenario-Bild schlechthin: Jobverlust. Nun könnten sich Mutti und Vatti bedroht fühlen. Nun wird daher vielleicht eher als bisher darauf geguckt, was denn der Sprössling da immer so lange an seinem PC macht und wie es sein kann, dass er bei dem geringen Taschengeld immer neue Spiele, Filme und Musik besitzt. Und vielleicht schauen die beiden künftig auch mal ein bisschen genauer beim Nachbarn hin, was der da so in seiner CD-Sammlung und auf dem PC hat. Könnte ja in Zweifelsfall alles die eigene Existenz bedrohen…
Smarter Schachzug der Piraten-Jäger, der vielleicht sogar bei dem einen oder anderen zum gewünschten Erfolg führt. Letztlich ist und bleibt dieser Ansatz aber einer, der zum Scheitern verurteilt ist.
(Marek Hoffmann / Flickr – Fotograf: Bizmac)