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France Télécom und die trügerische Hoffnung auf ein eigenes Betriebssystem

Anfang und Ende von allem ist die Wut auf jemand anderen: France-Télécom-Chef Stéphane Richard nennt die mobilen Betriebssysteme von Apple und Google ein trojanisches Pferd, die Beziehungen zu seinen heiß geliebten Kunden aufbauten. Das will sich der Chef des französischen Ex-Monopolisten nicht länger bieten lassen und deswegen mit anderen Ex-Monopolisten ein eigenes mobiles Betriebssystem entwickeln. Deswegen hat Richard Vetreter der Schwergewichte Telefónica (Spanien), Telekom (Deutschland) und Vodafone (UK) Anfang Oktober nach Paris geladen, meldete das „Handelsblatt“. Die reagieren jedoch mit Skepsis.

So will die Deutsche Telekom kein eigenes Betriebssystem entwickeln. Man hat in den USA und Deutschland mit Google zusammengearbeitet, um mit dem G1 das erste Android-Handy auf den Markt zu bringen. An der langjährigen Exklusiv-Partnerschaft mit Apple für das iPhone in Deutschland verdient man kräftig mit. Der deutsche Ex-Monopolist hat es also (noch) gar nicht nötig, etwas an seinem Status zu ändern und scheut die hohen Kosten für ein eigenes Betriebssystem.

Die Telefónica wollte sich gar nicht zu Richards Plänen äußern, Vodafone hingegen lehnte ab. Eher wollen die Briten mit einem eigenen Marktplatz Geld verdienen, bei kostenpflichtigen Apps 30 Prozent der Einnahmen für sich einstreichen. Richard sei jedoch entschlossen, zur Not auch alleine ein eigenes Betriebssystem auf den Weg zu bringen, so das „Handelsblatt“ weiter.

Ex-Monopolist sieht seine Felle davonschwimmen

Seine Bauchschmerzen sind verständlich: Die Mobilfunkcarrier investieren Milliarden in den Netzausbau – das große Geld aber machen die Store-Inhaber wie Apple. Bei den fallenden Preisen für mobile Datenverbindungen dürfte in absehbarer Zeit nicht mehr genug Kasse zu machen sein, um die Kosten für Infrastrukturausbau und Lizenzen wieder hereinzuholen. France Télécom wurde in Frankreich außerdem die Exklusiv-Partnerschaft mit Apple beim Verkauf des iPhones gerichtlich untersagt. Eine weitere Geldquelle also, die versiegt ist.

Trotzdem ist der Ansatz, mit anderen Playern ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln der falsche: Erstens sind die gewünschten Mitspieler untereinander zerstritten. Vodafone und Telefónica (O2) etwa konkurrieren in Deutschland mit der Telekom; France Télécom über seine Tochter Orange hingegen selbst mit Vodafone und O2 in Großbritannien. Zweitens wäre die Entwicklung eines eigenen Systems eine millionenschwere Totgeburt. Der Markt ist mit iOS, Android, Bada, Windows Phone 7, webOS, Symbian, MeeGo und Co. praktisch schon gesättigt. Ein neues System zu entwickeln, ist aufwändig und kostspielig. Noch dazu wird sich kaum ein Smartphone-Hersteller finden, der es einsetzt. Fast jeder namhafte Anbieter von Nokia über Samsung, HTC bis LG hat ein oder mehrere Systeme, die er bevorzugt. Wozu sich die Arbeit machen und das Rad schon wieder neu erfinden?

Besser ein eigener Marktplatz als ein eigenes System

Der Ausweg für France Télécom könnte sein, auf einen eigenen, offenen App-Marktplatz zu setzen. Dieser könnte auch unter Android funktionieren, da hier nicht zwingend die Nutzung von Googles Android Market vorgeschrieben ist. Bislang wohl aber die Nutzung von Google Checkout beim Kauf einer kostenpflichtigen App, wofür Google 30 Prozent Transaktionsgebühr abzieht. Entwicklern ist es jedoch auch möglich, Apps auf ihrer eigenen Website zu verkaufen und die Einnahmen damit an Google Checkout vorbeizuschleusen. Hier scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen und damit vielleicht auch für France Télécom die Möglichkeit zu bestehen, einen eigenen App Store zu eröffnen und die Einnahmen ganz für sich einzustreichen.

Ansonsten wird France Télécom und anderen Ex-Monopolisten wohl nichts anderes übrig bleiben, als die hohen Investitionskosten mit höheren Grundpreisen wieder hereinzuholen, so wie das die Deutsche Telekom hierzulande seit Jahren praktiziert… So sehr ich mich als iPhone-Nutzer auch über die teuren Verträge der Telekom ärgere, so zufrieden bin ich aber durchaus mit der Netzabdeckung. Und da die Netzabdeckung noch zu einem Qualitätskriterium werden wird, kann es vielleicht kann es eine Lösung sein, einfach mal damit zu werben. Aber mal „eben schnell“ ein neues Betriebssystem zu entwickeln, das dann kaum ein Nutzer wirklich haben will, klingt nach einem übereilten Schnellschuss und als Trotzreaktion. Richard würde damit nicht glücklich werden, wenn ihm die Kunden in Scharen davon laufen, nur weil er seinen Dickkopf durchsetzen wollte.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

5 Kommentare

  • Mal rein logisch gedacht: das ist sicherlich nur ein gedanklicher Schnellschuss, der so ganz sicher nicht umgesetzt wird. Wer geht denn schon in einen Markt rein, der längst aufgeteilt ist, und ist zudem noch teurer als die Konkurrenz? Die Exmonopolisten haben ja einen anderen Kostendruck als Unternehmen wie Google, die so etwas aus der Portokasse finanzieren, und dann noch kostenlos anbieten können.

  • Erinnert doch etwas an an die 80ziger , als IBM das Betriebssystem für seinen PC und die Software Unterschätzte bzw. als Nebensächlich gegenüber der Hardware betrachtete.
    Die Geschichte ist bekannt Microsoft wurde der Software-Gigant und diktiert heute größtenteils den Hardwareherstellern seine Bedingungen… IBM stellt schon lange keine eigenen PC mehr her ……
    Es könnte den Telcos und Zugangsanbieter in nicht ferner Zukunft schon ähnlich ergehen und die heute noch großen Konzerne wie reife Früchte MS , Apple oder Google in die Hände fallen und übernommen werden.

    Zudem haben sie schon mit ihren Befürchtungen in gewisser Weise Recht , das immer mehr heute noch unabhängige Industriebereiche zunehmen Abhängig von fremden Betriebssystemen oder Software werden.
    Smartfons sind hier nur der Anfang andere wie die Unterhaltungselektronik TV Geräte …. bis hin zum Auto werden wohl folgen.
    Die Frage stellt sich dann schon inwieweit der Hersteller noch Herr über sein Produkt sein wird oder nicht die Betriebssystem- Hersteller immer mehr das Sagen haben werden?
    Reden wir heute schon vom Android – Goggle , Windows oder Apple Handy statt wie vor wenigen Jahren noch von Samsung , HTC oder Nokia Handy könnten wir bald auch schon vom Goggle , Windows oder Apple Car reden statt vom BMW , Opel oder VW?… Illosorisch? … ich glaube nicht.

    Die Frage ist eher eine Politische … wieviel Macht wir den Software – Giganten zukünftig noch geben werden ?

  • Von einem Apple-, Google- oder Windows-Auto zu reden, klingt zwar gruselig, aber im Grunde kann ich basic #4 weitgehenst zustimmen.

    Guter Kommentar und guter Artikel!