Der Fall ging bereits heute früh durch die Medien, als das Urteil noch nicht raus war. Im ZDF-Frühstücksfernsehen wurde der Jugendliche Lennart Hecker gezeigt, der zum Zeitpunkt der Tat 13 Jahre jung war. Hecker wird von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke verteidigt. RA Solmecke lässt auch sonst kaum eine Gelegenheit aus, sich medienwirksam vor der Kamera zu präsentieren. Davon abgesehen gab der Heranwachsende bekannt, er habe aus der Abmahnung und dem anschließenden Verfahren gelernt. Nach dem kostenpflichtigen Briefwechsel schloss er bei einem legalen Musikportal ein Abo in Höhe von 10 Euro monatlich ab. Nun kann er sorgenfrei und völlig legal so viel Musik hören, wie er möchte.
Das alleine ändert aber nichts an der Klage mehrerer Plattenlabels, weswegen der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) angerufen wurde. Der BGH entschied, dass Eltern für das illegale Filesharing ihres minderjährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie dieses „über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.“ Dem Anschlussinhaber der festgehaltenen IP-Adresse wird vorgeworfen, 1.147 Audiodateien angeboten zu haben, ohne die erforderlichen Urheberrechte zu besitzen. Bei einer Durchsuchung fand man auf dem beschlagnahmten PC des Kindes Hinweise auf die Benutzung der Filesharing-Clients Morpheus und Bearshare.
Zwar gab das betroffene Ehepaar eine Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten. Nun musste das Gericht abschließend klären, ob man der elterlichen Aufsichtspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Die Kanzleien der klagenden Plattenlabels nahmen die Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € in Anspruch. Die Berufung verlief zunächst zu Ungunsten der abgemahnten Eltern.
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Der Bundesgerichtshof hingegen hat die Entscheidung des Berufungsgerichts heute aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BGH stellte fest, es sei eben doch ausreichend, ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen zu belehren. Wenn das Kind den Anweisungen folgeleistet, könne man von den Erziehungsberechtigten nicht verlangen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder diesem „den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern – so der BGH – erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.“
Rechtsanwalt Jens Ferner kommentiert für BASIC Thinking das Urteil wie folgt:
„Erst einmal ist festzuhalten, dass das bisherige Abmahn-Prozedere damit an seine Grenzen stößt. Andererseits haften Minderjährige, wenn auch in Grenzen, selber für eigene Urheberrechtsverstöße. Eine seriöse Bewertung ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich und bleibt spätestens den umfassenden Urteilsgründen vorbehalten. Es ist davon auszugehen, dass Familien nunmehr umfassend entlastet sind: Bei Ehepartnern galt ohnehin keine Haftung mehr, bei minderjährigen Kindern nun auch nicht mehr. Bei volljährigen Kindern mag man in einem erst recht Schluss mit dem BGH auch keine Haftung mehr erkennen, die meisten Gerichte tendierten hier ohnehin dazu. Somit könnte der Familienanschluss komplett entschärft sein.
Aber: Es gilt vorsichtig zu sein! Hier ging es um die Haftung der Eltern als Störer. Wer nun plump sein minderjähriges Kind als Täter präsentiert, der wird eventuell damit leben müssen, dass dieses Kind dann in Anspruch genommen wird. Zwar ist bei Minderjährigen die deliktische Haftung begrenzt – aber sie existiert, je nach Einsichtsfähigkeit. Je älter das Kind, umso erfolgreicher wird es dann in Anspruch genommen. Die Verteidigung muss insofern sehr vorsichtig aufgebaut sein. Auf keinen Fall ist Betroffenen zu raten, in Zukunft schlicht auf ein bestimmtes minderjähriges Kind zu verweisen.“
Wie üblich stellt sich der Sachverhalt bei der Juristerei komplexer dar, als zunächst angenommen. Auf hoher See, im Falle der eigenen Ehefrau und vor Gericht gilt bekanntlich, dass man nie weiß, wohin das Schiff letztlich segeln wird. Flaute oder Sturm, beim BGH hat heute die Vernunft gesiegt. Weder sollte man Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich bagatellisieren, noch kann man von den Eltern verlangen, Tag und Nacht die eigene Leitung und alle internetfähigen Geräte im Haus zu überwachen, wollen sie keine Abmahnung riskieren. Das heutige Urteil ist kein Signal dafür, dass Kinder am PC tun können, was immer sie wollen. Andererseits wird dadurch vielleicht der Abmahnwahn in Deutschland ein wenig ausgebremst.
Bild: http://fotopedia.de
(Lars Sobiraj)
D.h. ich brauche Kinder, um ungestört Filesharing zu betreiben? Kann man die auch irgendwo leihen?!? Muhahaha!!!
lol
Nein, selbst das Leasing von Kindern als Mittel gegen P2P-Abmahnungen funktioniert nach diesem Ureil nicht.
Auch werden die Richter für Eltern kein Rückgaberecht für Neugeborene einführen, das kann man getrost vergessen! 😉
Du meinst also eine neue Art von „Kinder Sharing“ gegen P2P-Abmahnungen?
Sicher eine gute StartUp Idee 😉
Mit Kinder-Sharing gegen den File-Sharing-Abmahnwahn!
Lennart Hecker – ist das sein echter Name? Wenn ja, tritt er in 5 Jahren im Internet als „Len da Hack“ auf. Wichtiges Urteil, endlich hat die letzte Instanz eine Grenze gesetzt. Gute Werbung für die Kanzlei WBS, die bekommen langsam den Ruf des Online-Chikiwaras.
Denke mehr an „Piraten-Kinder“ als “Len da Hack”?
Vielleicht steigt ja sogar durch dieses Urteil noch die Geburtenrate 😉
Wieder mal ein Einzelfall der Furore macht- das ist mit Sicherheit aber keine Klatsche für die Musikindustrie, weil die meisten Eltern der „Piraten-Kinder“ sicherlich schon viel zahlen mussten…
Positive Urteil vor allen weil die Musikindustrie nicht mehr mit jeden Mondpreis in Bezug auf Abmahnungen durch kommt!.
Wichtig wäre jetzt aber eine absolute Höchstgrenze bei alle Abmahnungen. Gut wer ein „Bock schießt“ sollte schon zu Verantwortung gezogen werden können, aber bitte nicht für ein Serienbrief mehrere tausend Euro verlangen.
Zumindest Ersttäter sollten mit Kosten von unter 200 Euro auskommen können.
Noch was. Die Musikindustrie sollte auch in Bezug auf eine gute PR Darstellung in die Öffentlichkeit genau überlegen ob es nicht vielleicht besser wäre auch ohne ein Gesetz oder Verfahren sozusagen freiwillig eine möglichst niedrige Abmahngrenze zu beschließen.
Gegen die richtig großen Fische entgegen zu steuern ist sicherlich OK, aber nicht wegen jeden Furz!
Hi an alle,
das gibt es ja wohl nicht. Egal was ist man wird so oder so bestraft egal ob man es gemacht hat oder nicht.
Wie soll die Welt noch werden? Die Richter sollten sich mal die Anwälte vornehem.