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TECH

Die „Kissinger Cables“ und die Zukunft des Leakens

Robert Vossen
Aktualisiert: 09. April 2013
von Robert Vossen
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Julian Assange und WikiLeaks haben mal wieder einen großen Coup gelandet. Zumindest verkaufen sie es so – mehr als 1,7 Millionen diplomatische Dokumente der USA aus den 70er Jahren habe man online gestellt und trage somit – mal wieder – zur Wahrheitsfindung bei.

Stöbern in den Zeitzeugen des Kalten Krieges

Auf der Plattform Plus D (Public Library of United States Diplomacy) kann nun jeder die Dokumente aus der Zeit des Kalten Krieges einsehen – mit Suchmaschine, Volltextsuche, Zeitstrahl und Weltkarte. Der einzige Haken: Die Daten sind nicht mehr geheim und schon längst für die Öffentlichkeit zugänglich, da die übliche Verschlusszeit von 30 Jahren bereits abgelaufen ist.

Es ist also ziemlich unwahrscheinlich, dass skandalöse Neuigkeiten zu Tage gefördert werden, zumal Wissenschaftler des National Security Archive bereits seit sieben Jahren an den Dokumenten forschen.

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Zweifelsohne ist es ein begrüßenswerter Beitrag, Daten in einfacher Form aufzubereiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson betont sei nämlich auch Komplexität eine Form von Geheimhaltung. Das ist zwar richtig, doch für Historiker und investigative Journalisten sicherlich kein Hindernis einen großen Skandal aufzudecken.

Anti-USA-Propaganda konterkariert ein gutes Projekt

Karsten Polke-Majewski, Chefredakteur von ZEIT Online, kommt meiner Meinung nach also völlig zu Recht zu dem Schluss, dass Julian Assange ein gutes Projekt mit seiner Kriegsrhetorik und anti-amerikanischen Propaganda konterkariert, wenn er sagt, dass man der amerikanischen Regierung bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht trauen könne und dass die Kabel den weltweiten Einfluss der USA zeigen würden.

Damit hat er sicherlich nicht Unrecht – aber zum einen würden die Botschaftsdepeschen der früheren Sowjetunion sicherlich kein anderes Bild zeigen und zum anderen sind die Kabel schon längst öffentlich und werden sicherlich schon längst auch von nicht-amerikanischen Wissenschaftlern und Journalisten begutachtet. Die Sorge, dass die Geschichte nicht korrekt aufgearbeitet wird, ist also auch ohne Plus D unbegründet.

Enthüllungsplattform ohne Enthüllungen?

Auch wenn es Haarspalterei ist – die Aufbereitung nicht-geheimer Daten ist eigentlich auch nicht das, was man von einer Enthüllungsplattform erwartet. Man kann sicherlich nicht jede Woche einen Coup wie mit den US-Botschaftsdepeschen 2010 landen, doch das Ausmaß und Procedere bei den jüngsten Offshore-Leaks zeigt, dass WikiLeaks wohl nicht mehr die erste Anlaufstelle für Geheimnisverräter ist.

Ich persönlich finde, dass die Vorgehensweise, die Datenbestände zunächst an professionelle Journalisten weiterzugeben, stets der WikiLeaks-Enthüllung vorzuziehen ist. Denn auch wenn es auf die Kissinger-Kabel nicht zutrifft, so bin ich der Meinung, dass die Öffentlichkeit nicht zu wissen braucht, was der US-Botschafter über Angela Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer denkt.

Was in dem einen Fall noch amüsant sein mag, kann bei veröffentlichten Namen von Agenten und Informanten in anderen Ländern für die jeweiligen Personen lebensgefährlich sein. Den Zwischenschritt über etablierte Medien zu gehen – New York Times, Guardian, Der Spiegel, etc. – gewährleistet Sicherheit und Aufklärung.

Es ist die Aufgabe der Medien, Informationen zu filtern

Hinzu kommt, dass in unserer schnelllebigen Welt, ein Einzelner überhaupt nicht in der Lage ist, aus 1,7 Millionen Botschaftsdepeschen die relevanten Informationen zu extrahieren. Die Aufgabe der Medien ist es daher vor allem, Nachrichten nach Relevanz zu filtern und das Wichtigste des Tages zusammenfassen, anstatt in Echtzeit jede Kleinigkeit zu veröffentlichen.

Medientheoretiker Douglas Rushkoff spricht in dem Zusammenhang vom „Present Shock“ und dass die Medien in gewisser Weise im Nachrichtenstrom gefangen seien. Immerhin haben sie es dank WikiLeaks nun einfacher, in historischen Dokumenten zu stöbern und uns auf Skandale hinzuweisen, wenn welche gefunden werden. Lässt Assange noch seine Kriegsrhetorik weg, wäre das ein Weg für WikiLeaks, den ich begrüßen würde.

Bild: haak78 / Shutterstock.com

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vonRobert Vossen
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