Testbericht Wirtschaft

OTTOs „innovativer“ NFC-Sticker im Test: Gescheitert am eigenen Anspruch

OTTO-Produkt-Assistent
geschrieben von Christina Widner

Der NFC-Sticker OTTO-Produkt-Assistent verspricht innerhalb von Sekunden alle wichtigen Fragen und Details zu einem Gerät griffbereit auf das Smartphone zu liefern – OTTO nennt es eine „Innovation“. Grund genug für uns, es zu testen. // von Christina Widner

Für unseren Test muss ein Kaffeevollautomat herhalten, den wir mittels eines kleinen Aufklebers, nicht größer als eine Zwei-Euro-Münze, von OTTO pimpen wollen. Der Sticker, etwas umständlich OTTO-Produkt-Assistent genannt, verspricht, dass man mit einem NFC-fähigen Smartphone innerhalb von Sekunden alle wichtigen Informationen zum Gebrauch der Kaffeemaschine geliefert bekommt. Mittels Near-Field-Communication-Technologie (NFC) soll das Smartphone den Button erkennen und so direkt die passenden Informationen liefern.

OTTO-Produkt-Assistent

Leider ist der Punkt „Kundenfreundlichkeit“ schon bei diesem ersten, für den Test absolut ausschlaggebenden Punkt, gescheitert: Es ist – logischerweise – ein NFC-fähiges Gerät nötig. Die meisten neueren Andoid- und Windows-Phone-Smartphones bringen das mit, die neuen iPhones ab dem iPhone 6 ebenfalls, allerdings aktuell nur für Apple Pay freigeschaltet. iPhone-Nutzer bleiben also auf der Strecke. Somit wurden wir auf die „Basisvariante“ vertröstet. Auf dem Laptop oder Smartphone konnten wir statt des Einscannens einen angegebenen Direktlink mit einem individuellen Code für unser Gerät eingeben. Wesentlich schneller, als über die OTTO-Website nach der entsprechenden Seite zu suchen, ist das dann auch nicht mehr. Der große Nutzen des OTTO-Produkt-Assistent soll ja die Zeitersparnis sein.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Home Office
Senior Social Media Manager:in im Corporate Strategy Office (w/d/m)
Haufe Group SE in Freiburg im Breisgau
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen

Alle Stellenanzeigen


„Alle Extras an einem Ort“: Aber wo ist der Mehrwert?

Die Website des Produkt-Assistenten ist sehr übersichtlich aufgebaut. Neben der Bedienungsanleitung, Informationen zum Zubehör, einem Reparatur-Service und Informationen zur Garantie findet man vier Videos. Eigentlich ein guter Ansatz, jedoch leider absolut nicht zeitgemäß. Die Bedienungsanleitung, die auch in gedruckter Form mitgeliefert wurde, wurde einfach als PDF (92 Seiten!) hochgeladen. Da wir den Service-Button natürlich möglichst real testen wollten, haben wir die Seite mobil aufgerufen. Sie ist mobil zwar angepasst, man scrollt sich in dem PDF aber von unten nach oben durch die klein eingescannten Seiten und muss immer wieder zoomen, um mit Glück den passenden Schritt zu finden, den man gerade bearbeiten möchte.

Die Videos sind zudem einfach falsch eingesetzt. Wieso nicht eine interaktive Anleitung bauen, in der Schritt für Schritt die nötigen Handgriffe erklärt werden, an schwierigen Stellen kleine Videos einbauen, alles zum Wischen und Tippen an die Gewohnheiten der Nutzer angepasst? Mit dem hochgeladenen PDF fehlt jeglicher Mehrwert. Hier ist die Frage, inwieweit OTTO dafür verantwortlich ist und wie sehr die Hersteller der Gerätschaften in den Prozess des Produktassistenten eingebunden sind. Wir warten bislang noch auf eine Antwort seitens OTTO – reichen wir dann nach.

OTTO-Produkt-Assistent: Bei Problemen heißt es ausprobieren

Nun aber zurück zum Test. Wir wollen die Maschine also das erste Mal einrichten. Die ersten Schritte werden auf der OTTO-Produkt-Assistent-Seite mithilfe des Videos zur ersten Inbetriebnahme erklärt. Das funktioniert ziemlich gut, bis dann auf dem Display der Kaffeemaschine einer Fehlermeldung erscheint. Im Video wurde nicht darauf hingewiesen, was diese bedeuten könnte. Deswegen haben wir die Bedienungsanleitung aufgerufen. Auch dort bei der ersten Inbetriebnahme kein Hinweis auf mögliche Fehlermeldungen. Somit hat sich für uns die Möglichkeit geboten, ein weiteres Extra in Anspruch zu nehmen, der Reparatur-Service.

Um 14:15 Uhr haben wir die angegebene Nummer angewählt. Nach zwei Weiterleitungen werden wir auf einen Rückruf vertröstet. Grund: „Die sind aktuell alle am Telefonieren. Wissen Sie, wie viele Menschen hier anrufen?“ Anrufe scheinen für das Callcenter von OTTO ungefähr so überraschend zu kommen wie der Winter für die Deutsche Bahn. Auf unsere Nachfrage, wie lange es denn dauern würde, wurde uns ein Rückruf „im Laufe des Abends“ versprochen. Letztendlich wurden wir gegen 17 Uhr zurückgerufen. Knappe drei Stunden in einem Zeitalter, in dem die Kunden alles gleich und sofort haben wollen – definitiv zu lang. Und die 60 Cent für den Anruf sind auch weg. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter über den Sticker nicht informiert sind. „Kommen die nicht vom Hersteller? Die sind doch nicht von uns?“ bekommen wir zu hören.

Bis zum Rückruf hatten wir uns schon die 92 Seiten der Bedienungsanleitung durchgelesen und durch Zufall gefunden, wofür die Fehlermeldung überhaupt steht. Wie wir das Problem lösen können, wussten wir leider immer noch nicht. Deshalb haben wir es einfach probiert, die Maschine auseinandergebaut und versucht, es richtig einzusetzten. Das Video hätte uns bestimmt geholfen, wenn alles geklappt hätte, aber so mussten wir hin und her springen und haben letztendlich alles mit der Papierform der Bedienungsanleitung angeschlossen. Ganz ehrlich, meine Erwartung an den Produkt-Assistenten ist doch, dass er erkennen kann, wenn ich ein Problem habe und mir dann direkt sagen kann, was ich als nächstes machen muss. In der Hinsicht ist der Assistent leider nicht hilfreich.

Besser, wenn auch technisch anspruchsvoller und natürlich herstellerseitig umzusetzen, wäre es doch, wenn so ein NFC-Sticker in der Lage wäre, den Zustand des Geräts zu erkennen. Fehlermeldung – zack, Handy dran, was tun? Einrichtung – zack, Handy dran, so geht’s – mit fünf Schritten, übersichtlich in Bild, Text und Grafik. Selbiges für die Säuberung der Maschine oder den ersten Kaffee. Solange der Sticker aber nicht weiß, was ich in diesem Moment benötige, ist er weit von der uns vor dem Test versprochenen „interessanten Innovation“ weg. In seiner aktuellen Form ist der Assistent nur solange nützlich, solange alles nach Plan läuft. Und selbst das ist durch das kleingedruckte, 92-seitige PDF in schwarz/weiß mehr als unpraktisch.

OTTO-Service-Button der neue Amazon-Dash-Button?

OTTO selbst setzt seinen Produkt-Assistenten in ein Segment mit dem Amazon-Dash-Button. Der Dash-Button ist ein physischer Button, den Amazon für bestimmte Produkte rausgibt, etwa Waschmittel. Einmal an die Waschmaschine geklebt, kann ich per Knopfdruck sofort Waschmittel bei Amazon nachbestellen, sobald meines leer ist. Selbiges gilt für Toilettenpapier, Küchenrolle, Rasierer, Nudeln oder Energydrinks.

Amazon Dash Button

Der Amazon Dash Button ist nicht vergleichbar mit dem OTTO-Produkt-Assistent

Ein Vergleich – das dürften die Zeilen oben wohl deutlich machen – ist absolut nicht zu ziehen, der OTTO-Produkt-Assistent entspricht nicht dem Zeitalter und wäre vielleicht 2005 eine tolle Idee gewesen. Zudem ist der Sticker nicht mit allen Smartphones kompatibel. Wenn ich doch eine Hilfe für den Kunden anbieten möchte, muss ich doch zumindest sicherstellen, dass möglichst alle Kunden mit einem aktuellen Smartphone auch die Informationen abrufen können.

Ein klarer Pluspunkt ist natürlich, dass man nicht ständig die gedruckte Bedienungsanleitung neben der Maschine haben muss. Der OTTO-Produkt-Assistent kann einzig dabei helfen, die Bedienungsanleitung, die irgendwo in der Garage in einem alten Karton versauert, schneller zugänglich zu machen. Ob die Zeitersparnis (Website, Menü, Kaffeautomaten, Modell aussuchen) aber wirklich den Titel „Innovation“ rechtfertigt – wir sind da nicht ganz sicher.

Hinweis im Sinne der Transparenz: Sowohl Kaffeemaschine als auch OTTO-Produkt-Assistent wurden uns für den Test von OTTO zur Verfügung gestellt.

Über den Autor

Christina Widner

Christina Widner ist Service-Redakteurin bei BASIC thinking und BASIC thinking International.

2 Kommentare

  • Wie jetzt? Erst über NFC meckern, weil Apple es nicht unterstützt (Samsung z.B. hatte es schon im S3) und dann zur Schlußfolgerung kommen, 2005 sei das alles eine tolle Idee gewesen? Das erscheint mir reichlich unreflektiert! Die Bereitstellung von (digitalen) Produktinformationen sollte schon in der Verantwortung der Hersteller liegen und nicht beim Händler. Der NFC Aufkleber selbst ist doch sicher nur ein Token, der das Gerät eindeutig identifiziert, damit die zugehörigen Informationen zusammengeführt werden können. Klar ist die Lösung noch nicht perfekt. Aber statt auf Otto einzuprügeln, sollten wir uns freuen dass die mal Initiative zeigen und was voranbringen.
    Nur meine 0,02 € dazu.
    Disclaimer: Ich habe keine Verbindung zu Otto und bin auch nicht anderweitig in diesem Projekt involviert.

    • „Besser, wenn auch technisch anspruchsvoller und natürlich herstellerseitig umzusetzen, wäre es doch, wenn so ein NFC-Sticker in der Lage wäre, den Zustand des Geräts zu erkennen. Fehlermeldung – zack, Handy dran, was tun? Einrichtung – zack, Handy dran, so geht’s – mit fünf Schritten, übersichtlich in Bild, Text und Grafik. Selbiges für die Säuberung der Maschine oder den ersten Kaffee. Solange der Sticker aber nicht weiß, was ich in diesem Moment benötige, ist er weit von der uns vor dem Test versprochenen „interessanten Innovation“ weg.“

      Hier geht die Autorin auf den Hersteller ein. Ansonsten ist es wohl kein Einprügeln, sondern ein Auseinandersetzen mit den Ansprüchen („Innovation“), die OTTO selbst ausgibt. Zudem ist es kein Meckern über NFC, „weil Apple es nicht unterstützt“, sondern ein Meckern über OTTO, die eine Technologie einsetzen, die X Prozent der Nutzer nicht einsetzen können.