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Warum das Mantra „Folge deiner Leidenschaft“ absoluter Blödsinn ist

geschrieben von Gastautor

„Folge deiner Leidenschaft!“ „Tu was du liebst! “ Wie oft habt ihr als Online-Untnernehmer oder digitale Nomaden diese Ratschläge gehört? Gefühlt 1000 Mal. Warum das absoluter Blödsinn ist, weshalb Steve Jobs ein Lügner ist und wie du deine Karriere als Webworker besser planen kannst, erklärt euch Werbetexter, Weltenbummler und Freelance-Experte Pascal Schafft.

Wir wollen alle zum Laptop stepptanzen

Der Folge-deiner-Leidenschaft Slogan ist laut unzähligen Bloggern, Life-Coaches und anderen selbsternannten Experten nicht nur der Schlüssel zu unermesslichen Reichtümern, sondern auch zu einem erfüllten Leben im Nirvana.

Kein Wunder, dass Weisheiten dieser Art nicht nur unter digitalen Nomaden populär sind und fast schon gebetsmühlenartig wiederholt werden. Wer möchte nicht jeden Tag leidenschaftlich aus dem Bett springen und fröhlich zum Laptop stepptanzen?

Das Problem dabei: Solche Ratschläge sind für 99% aller Menschen völliger Blödsinn. Nicht nur das, sie können dir im schlimmsten Fall im Weg stehen und deinen Traum vom ortsunabhängigen Einkommen platzen lassen wie eine Seifenblase.

Deine Leidenschaft ist wertlos

Verglichen mit den Möglichkeiten im Leben sind die Unmöglichkeiten zahlenmäßig weit überlegen. Ich höre es nicht gerne, wenn Erwachsene Jugendlichen erzählen, dass sie Präsident werden können oder alles was sie sich erträumen. Das ist nicht mal ansatzweise wahr.

Die Wahrheit ist, du kannst für die Präsidentschaft kandidieren und das ist alles… In unserer wunderbaren und freien Gesellschaft kannst du fast alles versuchen, aber deine Erfolgschancen stehen auf einem ganz anderen Blatt

  • Marylin vos Savant, die klügste Frau der Welt nach dem Guinness Buch der Rekorde

Die schlechte Nachricht zuerst: eine Leidenschaft an sich ist völlig wertlos. Allein die Tatsache, dass du eine Leidenschaft für etwas hast, bedeutet nicht automatisch, dass du darin gut bist und damit viel Geld verdienen kannst.

Wenn du zum Beispiel eine Leidenschaft für Basketball hast, aber 1,60 Meter „groß“, dann wirst du niemals der nächste Michael Jordan.

Um es an die Spitze zu schaffen, brauchst du neben Leidenschaft auch Talent, gute Gene und eine ordentliche Portion Glück. Es ist eine schöne Fantasie, dass jeder Mensch eine Leidenschaft hat, mit der er stinkreich werden und überall in der Welt sein Geld verdienen kann. Die Realität sieht leider etwas anders aus.

Du erwartest zu viel von einem Job

Warum haben wir überhaupt den Anspruch, mit einer Leidenschaft Geld verdienen zu wollen? Reicht es nicht, gutes Geld zu verdienen, ortsunabhängig zu sein und vielleicht sogar einen bescheidenen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten?

Müssen wir wirklich jeden Tag wie vom Blitz getroffen aus dem Bett springen und uns mit Begeisterung hinter den Laptop klemmen?

Ich denke, viele Leute erwarten einfach zu viel von einem Job, wenn sie von vagen Konzepten wie „Leidenschaft“ fantasieren. Schau dir einmal die Bedürfnispyramide nach Maslow an.

Quelle: sdl-research.at

Wenn deine physischen Bedürfnisse (ein Dach über dem Kopf und Essen im Bauch), deine Sicherheitsbedürfnisse und deine sozialen Bedürfnisse abgedeckt sind, dann geht es dir bereits besser, als dem Großteil der Menschheit.

Dein Geld mit einer Leidenschaft zu verdienen, fällt unter die Kategorie „Selbstverwirklichung“ und ist die höchste Spitze der Pyramide.

Ergibt es nicht mehr Sinn, dich erstmal um die unteren Bereiche der Pyramide zu kümmern, bevor du gleich zur Selbstverwirklichung kommst? Und brauchst du wirklich einen J-O-B, um dich selbst zu verwirklichen?

Nimm meinen Fall: Ich habe meinen Traumjob gefunden (mehr dazu später). Meine Arbeit macht mir Spaß und ich kann überall in der Welt ein gutes Einkommen verdienen. Und trotzdem gibt es manchmal Tage, wo ich den Laptop am liebsten aus dem Fenster schmeißen würde.

Hochs und Tiefs sind bei jedem Job normal und es macht keinen Unterschied, ob du dabei unter Kunstlicht in einem grauen Büro sitzt oder mit einem Drink in der Hand an einem tropischen Traumstrand sitzt.

Es wird immer Tage geben, wo du einfach keinen Bock hast.

Warum werden wir also rund um die Uhr von dieser Idee bombardiert, dass wir alle eine versteckte Leidenschaft haben und wir nur den perfekten Job finden müssen, der zu dieser Leidenschaft passt, und dann leben wir glücklich bis an das Ende aller Tage?

Erfolgreiche Menschen lügen

Es geht nicht nur um dich und deine verdammte Leidenschaft

  • Walter Isaacson, Autor der Steve Jobs Biographie

Der Slogan „Follow your Passion“ oder „Folge deiner Leidenschaft“ ist recht neu, wie du an der Anzahl von Buchtiteln mit diesem Begriff sehen kannst.

Quelle: books.google.com/ngrams

Populär wurde diese Idee in den 90er Jahren. Danach ging es steil bergauf.

Klar, viele Leute plappern die Idee von „Tu was du liebst“ nur nach. Aber es gibt auch sehr erfolgreiche Menschen, die diese Idee vertreten.

Ein Beispiel dafür ist der Apple-Gründer Steve Jobs. In seiner Stanford Rede verkündete er den Satz „Du musst tun was du liebst“.

Wenn Steve Jobs das erzählt, dann hat das doch Hand und Fuß, könnte man meinen, oder?

Nö!

Der Weg zum Erfolg ist in Wirklichkeit viel komplexer, als das Ganze auf eine simple Weisheit herunterzubrechen. Um erfolgreich zu sein musst du:

  • Hart arbeiten
  • Hin und wieder gute Entscheidungen treffen
  • Die richtigen Leute kennen
  • Zugang zu den richtigen Informationen haben
  • Eine Portion Glück haben

Das klingt kompliziert und lässt sich schlecht zu einem Selbsthilfebuch oder einem knackigen Slogan verwursten. Deswegen erzählen erfolgreiche Menschen wie Steve Jobs lieber etwas vom „Leidenschafts-Effekt“ oder dass ein brennendes Verlangen sie zu ihrer Karriere getrieben hat.

Die Wahrheit ist, dass viele erfolgreiche Leute mit dem Arsch voran in ihre Karriere gestolpert sind. Steve Jobs ist dafür das beste Beispiel. Er hat Apple nicht gegründet, weil er eine Leidenschaft für Computer hatte.

Im Gegenteil, er hatte in seinen jungen Jahren überhaupt kein Interesse an Technik. Steve Jobs‘ wahre Leidenschaft war Zen Buddhismus.

In der Tech-Branche hat er nur angefangen, weil er ständig abgebrannt war und zur Abwechslung mal etwas Geld verdienen wollte. Ein Jahr bevor er Apple gegründet hat, wurde er sogar von einem Startup gefeuert… aus mangelndem Interesse!

Wenn er auf seinen eigenen Ratschlag gehört hätte, dann wäre er Zen Mönch geworden und wir hätten heute keine iPhones und Macbooks.

Ironischerweise wird Steve Jobs immer zitiert, wenn es darum geht, Weisheiten wie „Tu was du liebst“ zu verteidigen. Dabei hat der Apple-Guru das selbst vor seinem Tod nochmal richtig gestellt:

Ja, wir reden immer davon, deiner Leidenschaft zu folgen, aber wir sind alle ein Teil vom Fluss der Geschichte… Du musst etwas in diesen Fluss zurückgeben, was anderen Leuten hilft. In 20, 30, 40 Jahren sollen die Leute sich nicht nur daran erinnern, dass du eine Leidenschaft hattest, sondern dass du versuchst hast, das Leben deiner Mitmenschen zu verbessern.

  • Steve Jobs

Oder wie der Autor seiner Biographie es ausgedrückt hat: Es geht nicht nur um dich und deine verdammte Leidenschaft!

Das klingt doch ganz anders, oder?

Folge deinem Talent

Vielleicht siehst du ein, dass du erstmal die Rechnungen bezahlen solltest. Und vielleicht wird dir klar, dass erfolgreiche Menschen nicht immer die volle Wahrheit erzählen. Vielleicht dämmert dir sogar langsam, dass eine Einstellung wie „Folge deiner Leidenschaft“ ganz schön egoistisch ist.

Was nun? Wie kannst du als Webworker deine Nische finden und ein saftiges Einkommen verdienen, wenn du nicht blindlings deiner Leidenschaft folgst? Eine gute Frage.

Ein besserer Wegweiser als deine Leidenschaft, ist dein Talent. Was kannst du gut und wofür hast du eine natürliche Begabung? Wo liegen deine Stärken? Und was liegt dir überhaupt nicht?

Die Antworten auf diese Fragen geben dir einen ersten Hinweis.

Wie kannst du mit deinen Stärken am meisten Geld verdienen?

Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt Deine Berufung

  • Artistoteles

Das ist der nächste Hinweis und jetzt wird es knallhart kapitalistisch. Ich gehe davon aus, dass du nicht nur zum Spaß arbeiten möchtest, sondern dass du auch gerne ein Dach über dem Kopf und Essen im Kühlschrank haben willst. Deshalb solltest du dir die Frage stellen, wie du mit deinen Talenten möglichst viel Geld verdienen kannst.

Talente kannst du ganz unterschiedlich einsetzen.

Ich gebe dir ein Beispiel aus meiner eigenen Industrie, der Texter-Branche. Schreiberlinge haben oft den Ruf, für Peanuts zu arbeiten und kaum Geld zu verdienen.

Und tatsächlich, es gibt da draußen haufenweise abgebrannte Blogger und Autoren. Es gibt aber auch Möglichkeiten, als Texter viel Geld zu verdienen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Beruf Werbetexter, für den ich mich entschieden habe. Werbetexter können nicht nur von überall in der Welt arbeiten, sie können auch ein ausgezeichnetes Einkommen verdienen. Topverdiener in diesem Bereich schaffen es auf ein sechs- oder sogar siebenstelliges Jahreseinkommen. Das liegt daran, dass Werbetexter mit ihren Texten teure Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.

Solche lukrativen Nischen gibt es in jedem Bereich. Egal wo dein Talent liegt, es gibt garantiert eine Möglichkeit, damit viel Geld zu verdienen.

Mein Tipp an dich ist, nutze das!

Es ist keine Schande, mit deiner Arbeit auch Geld verdienen zu wollen. Umgekehrt bringt es dir keinen Orden, eine brotlose Kunst zu betreiben, nur damit du dich dann digitaler Nomade schimpfen kannst und einer vermeintlichen Passion folgst.

Mach deine Hausaufgaben. Finde heraus, wo die lukrativen Märkte sind, in denen Webworker gesucht werden – und dann verknüpfe deine Talente mit dieser Nachfrage.

Deinen künstlerischen Projekten und Hobbys kannst du dich in deiner Freizeit widmen.

Das hat den Vorteil, dass du noch lange Zeit Spaß an deinen Hobbys haben wirst. Denn es gibt keine bessere Methode, dir ein Hobby zu versauen, als es zum Beruf zu machen.

Quelle: Markstivers.com

Kultiviere deine Leidenschaft

Hier ist das größte Problem, das ich mit dem Mantra „Folge deiner Leidenschaft“ habe. Es setzt voraus, dass du bereits eine Leidenschaft hast, dass diese Leidenschaft profitabel ist und dass du dieser Leidenschaft nur noch folgen musst.

Das ist Blödsinn.

Ein besser Ratschlag stammt von Cal Newport, dem Autor von „Die Traumjoblüge: Warum Leidenschaft die Karriere killt:

Ich sehe nicht viele Beweise dafür, dass Leidenschaft etwas ist, das natürlich existiert und nur entdeckt werden muss. Es braucht harte Arbeit und viel Planung, um eine Leidenschaft zu entwickeln

Arbeit. Planung. Entwickeln.

Das klingt furchtbar anstrengend.

Fakt ist aber, du wirst nicht durch herumsitzen und meditieren deinen perfekten Traumjob entdecken. Such dir einen Job mit einem hohen Einkommenspotential, der deinen Talenten entspricht und in dem du als Webworker ortsunabhängig arbeiten kannst. Dann arbeitest du hart daran, zu den besten in diesem Feld zu gehören. Ironischerweise kommen damit angenehme Nebeneffekte wie Spaß an der Arbeit und Anerkennung deiner Kollegen von selbst.

Mit der Zeit gelangst du an einen Punkt, an dem deine Fähigkeiten für dich arbeiten werden. Wenn du in deinem Bereich unverzichtbar für deine Kunden und Arbeitgeber geworden bist, dann kannst du deine eigenen Bedingungen diktieren.

Du kannst deine Expertise und Erfahrung dazu nutzen, um dir ein Leben ganz nach deinen eigenen Vorstellungen zu schaffen, mit interessanten Leuten zu arbeiten und Projekte zu übernehmen, die dir was bedeuten.

Wenn du richtig gut bist, kannst du vielleicht sogar einer ganzen Industrie deinen Stempel aufdrücken.

Genau so finden Leute wie Steve Jobs ihre Leidenschaft in einem Sektor, der sie vorher nicht die Bohne interessiert hat.

Was meint ihr? Hat Pascal damit Recht? Wird uns hier ein Ammenmärchen verkauft? Oder glaubt ihr, dass die eigene Leidenschaft der Weg zum Erfolg ist?

Übrigens: Mehr Tipps für Webworker und Freiberufler findet ihr in Pascals Newsletter für Freelancer.

Über den Autor

Gastautor

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