Technologie

Hören/Sagen (VI): News + Hör-Tipps aus der Audio-Welt + Interview mit Toby Baier vom ‚Einschlafen Podcast‘

geschrieben von Sandro Schroeder

„Video killed the radio star“, da ist noch immer was dran. Doch Podcasts und andere Audio-Formate werden immer beliebter. In der Serie Hören/Sagen berichtet Sandro Schroeder über Neuigkeiten, Hör-Tipps und Macher aus der Audio-Welt.

Kurz zusammengefasst – Ausgabe 6


Neuigkeiten

Bitkom-Befragung zu Podcasts

Jeder siebente Deutsche hört Podcasts – zumindest hin und wieder. In der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen hört sie sogar jeder Vierte. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom. Jetzt kann man darüber jubeln, dass Podcasts langsam immer bekannter werden. Nur kommen die Bitkom-Zahlen nicht ganz ohne Haken aus.

Haken Nummer 1: Die Befragung scheint extrem weit gefasst, was die Gruppe der Podcast-Hörer angeht. So war „hin und wieder“ nicht näher definiert, die Befragten konnten also frei interpretieren, was sie darunter verstehen. Vom seltenen Hören einmal alle zwölf Monate bis zum täglichen Dauernutzer sei nichts ausgeschlossen gewesen, erklärte Dominik Prescher aus der Bitkom-Presseabteilung.


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Haken Nummer 2: Auch die Definition von „Podcast“ war weit gefasst. Den Befragten war nicht vorgegeben, was sie mit dem Begriff verbinden sollen. Wer „Fest und Flauschig“ auf Spotify hört, galt in der Befragung als Podcast-Hörer – auch wenn Schulz und Böhmermanns Sendung auf der Streaming-Plattform eigentlich gar kein Podcast ist.

Diese Einwände gegen die Bitkom-Befragung sollen keine Haarspalterei sein. Nur dürfte die nächste ARD-ZDF-Onlinestudie besser geeignet sein, um die Podcast-Nachfrage in Deutschland und ihr Wachstum seit 2015 einzuschätzen.

Denn die Bitkom-Zahlen unterstreichen zwar in jedem Fall, dass es ein grundsätzliches Interesse für Audio-Inhalte im Netz gibt. Allerdings könnten die sehr weiten Definitionen die Gruppe der deutschen Podcast-Hörer auch deutlich größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist. Laut Dominik Prescher soll Ende August soll eine Bitkom-Studie zum Medienverhalten elektronischen Medien folgen, auch darin soll das Thema Podcast vorkommen.

„Breaking Push“ bietet Pushbenachrichtungen zum Hören

„Wir versuchen das Radio mit unserer Software zu verbessern“, sagt Maximilian Knop von Konsole Labs. Die Digitalagentur bietet mit „Breaking Push“ einen Service an, der unter anderem auch Audio-Pushbenachrichtungen auf das Smartphone schicken kann. Insbesondere für Radiosender könnte das eine interessante Möglichkeit sein, um Audio-Inhalte prominenter auf dem Smartphone zu platzieren.

Die Konsole Labs Co-Gründer Maximilian Knop und Tony Ruprich haben selbst beim Rundfunk gearbeitet, „und wir sind Fans des Radios geblieben“. Den Dienst „Breaking Push“ sieht Knop auch als Antwort auf eine Frage, die sich viele UKW-Radios und Audio-Produzenten im Netz derzeit stellen: „Wie mache ich mich als Radio-Sender im digitalen Dschungel auf dem Smartphone noch bemerkbar?“

Dafür bietet die Digitalagentur dann drei Funktionen an: Eine reguläre Pushbenachrichtung, die aber mit einem eigenen Audio-Hinweis erweitert wird – beispielsweise ein „Tor! Tor! Tor“ für Fußball-Meldungen. Die zweite Möglichkeit ist die vertonte Push-Benachrichtigung, die von einer Text-to-Speech-Software umgewandelt wird.

Die dritte und spektakulärste Form der Audio-Pushbenachrichtigung: Auch kurze Audio-Dateien können als Push-Benachrichtigung verschickt und dann automatisch abgespielt werden. Das könnte eine kurzer Hinweis des Moderators an die Hörer sein, dass er beispielsweise gleich Bundeskanzlerin Angela Merkel live interviewen wird.

Diese Form der Audio-Pushbenachrichtigung ist natürlich ohne dauerhaft angeschlossene Kopfhörer am Smartphone eher weniger alltagstauglich: Wer will schon, dass die Nachrichten auf dem Smartphone-Lautsprecher automatisiert aus dem Smartphone-Lautsprecher kommen, während man im vollen U-Bahn-Abteil steht.

Aber bei Konsole Labs denkt man bei diesem Anwendungsfall sowieso eher an eine andere Gerätesorte als das Smartphone: nämlich an“Hearables„, also intelligente In-Ear-Kopfhörer. Beispielsweise könnte dann der Hearable-NutzerInnen stündlich und automatisch Nachrichten vorgelesen bekommen, unauffällig über den kleinen Knopf im Ohr.


Interview: Tobias Baier vom ‚Einschlafen Podcast‘

Licht aus, Augen zu, Podcast an. Für schlaflose Nächte kann der Einschlafen Podcast von Tobias Baier genau das Richtige sein. Mit ruhiger Stimme berichtet Tobias aus seinem Alltag, liest Werke von Immanuel Kant oder Gedichte von Rainer Maria Rielke vor. Nicht jeder seiner Podcast-HörerInnen bekommt das tatsächlich noch bewusst und mit wachem Ohr mit. Im Hören/Sagen-Interview spricht Tobias über das immense Feedback seiner HörerInnen und das „Live Einschlafen“.

Tobias Baier hilft mit dem Einschlafen Podcast beim Einschlummern.

Tobias Baier hilft mit dem Einschlafen Podcast beim Einschlummern.

Toby, was freut dich mehr: Wenn ich eine ganze Episode vom Einschlafen Podcast anhöre oder wenn ich nach zehn Minuten schon eingeschlafen bin?

Das habe ich mich noch nie gefragt, ehrlich gesagt. Eigentlich finde es immer lustig, wenn jemand schreibt, dass er gerade einmal zehn Minuten geschafft hat und dann eingeschlafen ist. Das amüsiert mich. Auch weil es zeigt, dass es echt hilft, was ich mit dem Einschlafen Podcast mache.

Andererseits freut es mich natürlich auch, wenn die Leute sagen ‘Hey, das war so interessant, ich habe jetzt mal zugehört’. Meistens ist das aber ein Thema, das die Leute mal ausnahmsweise interessant finden – und die anderen 370 Folgen sind dann wieder langweilig genug.

Deinem Podcast kann man durchaus einen gewissen Erfolg unterstellen. Du bist relativ beständig in den iTunes-Charts vertreten. Hast du noch weitere Pläne für den Einschlafen Podcast, vielleicht auch mal vollständige Werke vorzulesen?

Nein, eigentlich nicht. Das ist mein Hobby. Und das ist gerade genau so viel, wie ich bieten kann: Alle zwei Wochen einen neuen Sendung und in den Wochen dazwischen meine anderen Formate.

Es geht mir gar nicht darum, viele Geschenke zu bekommen oder Geld zu verdienen.

Auch wenn man die fast 800 Bewertungen bei iTunes, dann bekommt man auch den Eindruck, dass viele Leute den Podcast sehr mögen – die dir teilweise auch Spenden, Geschenke und Postkarten schicken. Wie fühlt sich denn dieses Feedback an?

Das fühlt sich großartig an. Die Hörer zeigen mir da, dass der Einschlafen Podcast Ihnen nicht nur etwas wert ist, sondern dass sie mir auch eine Aufmerksamkeit zukommen lassen möchten. Wie gesagt, ich mache das als Hobby-Projekt und nebenbei.

Es geht mir gar nicht darum, viele Geschenke zu bekommen oder Geld zu verdienen. Aber auch jeder Euro, der mir über Patreon, Flattr oder Paypal in den Hut geworfen wird, ist eine Art Feedback: ‘Was du da machst, das ist mir was wert.’ Dieses Feedback ist sehr wertvoll. Das ist der Antrieb für mich, auch weiterzumachen.

Ich glaube, “live einschlafen” ist natürlich so ein bisschen albern.

Also machst du den Einschlafen Podcast zum Teil auch für das Feedback?

Ich mach den Einschlafen Podcast sogar größtenteils für das Feedback. Wenn ich eine Postkarte von einem Hörer aus dem Urlaub bekomme, da weiß ich: Das was ich hier mache ist tatsächlich sinnvoll.

Es fühlt sich nicht immer sinnvoll an, denn ich sitze hier abends allein im Büro, spreche in dieses Mikrofon rein und monologisiere eine Stunde lang vor mich hin. Manchmal kommt man sich da schon blöd vor. Ich bin schon sehr froh und dankbar, dass da Leute sogar live zuhören und sich eine Community bildet.

Sowohl beim Realitätsabgleich von Holger Klein als auch bei deinem Einschlafen Podcasts überträgst du deine Aufnahme live als Stream. Was ist das Besondere daran?

Ich glaube, “live einschlafen” ist natürlich so ein bisschen albern. Aber die Live-Hörer schlafen nicht dabei ein, sondern schreiben sehr engagiert Sendungsnotizen sowie Kapitelmarken mit und stellen die der Allgemeinheit zur Verfügung. Darüber können meine Hörer zu bestimmten Stellen springen, beispielsweise wenn ich Immanuel Kant vorlese. Dadurch tragen die Live-Hörer natürlich auch ganz viel zum Produkt Einschlafen Podcast bei.

Das komplette Audio-Interview mit Tobias Baier vom Einschlafen Podcast gibt es auf SoundCloudbei iTunes, per RSS-Feed oder direkt hier. Darin spricht Tobias noch über seine anderen Projekte neben dem Einschlafen Podcast, unter anderem über seine dauerhafte Gastrolle im Realitätsabgleich von Holger Klein. Außerdem verrät Tobias, was er als Produktmanager an der Podcast-App von Apple ändern würde und was er persönlich zum Einschlafen hört.


Hörtipps

Tolle Idee! – Was wurde daraus? (Forschung)

„The next big thing“, die nächste unschlagbare Erfindung – das wird ja regelmäßig angepriesen und versprochen. Der Deutschlandfunk schnappt sich solche Ideen („Autofahrer als Meteorologen“) alle zwei Wochen – und forscht nach, was daraus geworden ist. Die Episoden sind wenige Minuten kurz, in der gewohnten Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks produziert und kurzweilig („Die Forscher kamen zu einer allgemeinen Formel, die sie Regen-Wischer-Beziehung nennen“). Bisher gibt es nur sechs Episoden, aber die Reihe ist schon jetzt eine „Tolle Idee“.

Here’s the thing with Alec Baldwin (englisch, Interview)

Ein Schauspieler interviewt andere Stars. Uff, das klingt erstmal nach einem „Ich bin berühmt und labere mit meinen berühmten Freunden“-Format. Der Schauspieler Alec Baldwin mausert sich im Podcast vom New Yorker Radio WNYC zu einem begnadeten Interviewer. Dazu bietet die erstklassige Gästeliste für jeden Geschmack und jedes Interesse mindestens ein Interview: Von Late-Night-Talker Jimmy Fallon über die internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen Joanne Liu – Alec Baldwin bekommt sie alle. Vielleicht hilft da doch der Prominentenbonus.


Die nächste Ausgabe von Hören/Sagen erscheint am 6. September 2016. Mit Neuigkeiten rund um Podcasts und Audio im Web, Interviews und Hörtips. Folge uns auf TwitterFacebook und abonniere unseren Newsletter, um die nächste Folge nicht zu verpassen! Ihr habt Feedback zu Hören/Sagen? Dann schreibt mir bei Twitter (@saschroeder), kommentiert den Artikel und hinterlasst bei iTunes eine Bewertung!

Über den Autor

Sandro Schroeder

Sandro Schroeder ist freier Autor für BASIC thinking. Er arbeitet als freier Journalist unter anderem für das Onlineradio detektor.fm.