Ihr müsst keine digitalen Nomaden sein, um eure Reisen finanziern zu können. Bumms! Was hat die gesagt? Ja genau, ihr habt richtig gelesen. Ich, Marinela Potor, langjährige digitale Nomadin, sage klipp und klar, dass es außer dem Onlinejobben und dem Reisebloggen noch ganz andere Möglichkeiten gibt, um eure Reisen zu finanzieren.
Digitales Nomadentum ist nicht alles
Mir geht es nämlich ziemlich auf den Wecker, wenn ich lese, wie selbstständige Online-Unternehmer auf Freelancer herabschauen: „Ach so, du arbeitest freiberuflich. Da tauschst du ja immer noch Zeit gegen Geld. Also ich habe mich ja mit meinem passiven Einkommen da doch sehr viel weiter entwickelt.“ Ja, danke, ich bin wirklich glücklich mit meinem Job, aber schön, dass du das loswerden konntest.
Noch schlimmer trifft es die Backpacker oder Around-The-World-Tripper. Da kommt zum verächtlichen Blick oft noch ein Naserümpfen dazu: „Ja, das habe ich ja gaaaanz am Anfang auch so gemacht, aber so in Hostels übernachten ist einfach nicht mehr mein Style.“
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Wer sich durch die Blogs anderer digitalen Nomaden liest, kann schnell den Eindruck bekommen, dass das Leben und Arbeiten als Onlineunternehmer die einzig wahre Art ist, die Welt zu erkunden. Das ist natürlich Blödsinn! Denn während die Arbeit als Webworker sehr viele Vorteile hat, es ist längst nicht die einzige und für viele vielleicht auch nicht die bevorzugte Möglichkeit, um gleichzeitig zu reisen, ohne dabei pleite zu gehen.
Work & Travel Programme
Es gibt natürlich die klassischen Work & Travel Programme, mit denen ihr über ein spezielles Visum in Länder wie Australien, Kanada oder den USA einreist und bis zu einem Jahr arbeiten – und natürlich reisen dürft.
Das Schöne daran ist, dass ihr das Arbeiten vom Reisen entkoppelt. Wenn ihr reist, dann reist ihr auch zu 100 Prozent und müsst nicht etwa noch abends an den Laptop. Reisen kann so viel spontaner werden und fühlt sich dann auch eher an wie ein entspannter Urlaub. Es ist egal, ob ihr sieben Tage lang den Inkaweg wandern wollt oder mit den Berbern wochenlang durch die Sahara zieht – ihr seid nicht aufs Internet angewiesen und könnt all eure Reisen ohne Sorgen oder Gedanken an die Arbeit in vollen Zügen genießen.
Die Kehrseite ist natürlich auch: Wenn ihr arbeitet, dann rackert ihr euch ab. Wir sprechen hier nicht von flauschigen Bürojobs, sondern von Erntehilfe, Minenarbeit, Arbeit auf dem Fischkutter oder Kellnern. Die Jobs, die ihr bei Work & Travel Programmen bekommt, sind oft körperlich sehr hart. Hinzu kommt, dass die Work & Travel Programme ein Alterslimit haben. Wer über 30 Jahre alt ist, wird es hier schwer haben, ein entsprechendes Visum zu bekommen.
Dennoch, solche Work & Travel Programme ermöglichen es euch, mehrere Jahre lang durch die Welt zu reisen, ohne euch dabei finanziell zu ruinieren.
Selbst ist der Reisejobber: Arbeitsvisum selbst organisieren
Doch wer sagt eigentlich, dass ihr unbedingt diese Programme mitmachen müsst? Es ist zwar nett, wenn euch eine Organisation unterstützt, doch mit ein wenig Eigeninitiative und -recherche geht es auch ohne. Ihr könnt natürlich nicht in jedem Land der Welt einfach so anfangen zu arbeiten. In den meisten Fällen ist die Arbeitserlaubnis an ein spezielles Visum geknüpft. In Südamerika zumindest war aber meine Erfahrung, dass diese Visa gerade für Europäer sehr schnell und gerne vergeben werden.
Nutzt eure Netzwerke
Wenn euch das Geld auf euren Reisen ausgeht oder ihr von vorneherein ein Land als Basis gewählt habt, bemüht euch hier um ein Arbeitsvisum. Ihr könnt bei Unternehmen vor Ort direkt nachfragen, geschickter ist es aber, wenn ihr vorab Netzwerke wie lokale Facebook-Gruppen, Stellenbörsen oder Couchsurfing nutzt, um an Jobs heranzukommen. Ideal ist es, wenn ihr so vielen Menschen wie möglich erzählt, dass ihr auf Jobsuche seid. Denn dann ergeben sich viele Stellenangebote von alleine.
Für mich war so die Jobsuche in Chile eine Sache von einer Woche. Nachdem mein Jahresvertrag im ersten Job ausgelaufen war, hatte ich über Kontakte schon direkt ein neues Stellenangebot. So hatte ich nach knapp drei Jahren genug Geld angespart, um das nächste Jahr voll reisen zu können (auch wenn es dann doch anders gekommen ist).
Jobs unterwegs finden
Ein weiteres Beispiel: Ich habe in Bolivien einen Japaner kennen gelernt, der ein Jahr auf jedem Kontinent verbracht hat. Seine Strategie: Er heuerte in einem Land an, wo es besonders leicht war, ein Arbeitsvisum zu bekommen und arbeitete dann so lange, bis er genug Geld zusammen gespart hatte, um weiter zu reisen. Mittlerweile gibt es sogar eine Webseite, die Reisenden dabei hilft, solche Jobs leichter zu finden.
Auch bei selbst organisiertem Work & Travel habt ihr den großen Vorteil, dass ihr mit dem angesparten Geld aus diesen Jobs entspannt reisen könnt, ohne nebenher arbeiten zu müssen. Doch solche Visumsaufenthalte mit Tätigkeiten, in denen ihr in lokaler Währung bezahlt werdet, sind oft finanziell nicht mit einer Stelle in Deutschland zu vergleichen und erfordern deshalb oft auch langfristige Aufenthalte im jeweiligen Land. Dazu müsst ihr also bereit sein und die entsprechende Ausdauer mitbringen.
Arbeit gegen Kost und Logis
Wer schon ein bisschen angespart hat und reisen möchte, ohne zu viel Geld auszugeben und auch keinen festen Job in einem Land annehmen will, für den gibt es sehr viele Möglichkeiten der Freiwilligenarbeit. Freiwilligenarbeit heißt in diesem Fall: Ihr bietet eure Arbeitskraft an und werdet mit materiellen Dingen wie Essen oder einer Gratis-Unterkunft bezahlt. Es gibt auch sehr viele Webseiten wie WWOOF, Help Exchange oder Workaway, die euch bei der Organisation solcher Jobs helfen.
Doch Vorsicht! Viele nutzen den guten Willen der Freiwilligen schamlos aus und wollen oft, dass ihr für eure Arbeit auch noch Geld zahlt. Von solchen Stellen rate ich grundsätzlich ab. Sonst ergeht es euch womöglich wie zwei Mädchen, die ich in Ecuador getroffen habe: Sie hatten einen Monat lang auf einer Farm Kuhmist gescheffelt – und mussten dafür auch noch ihren Aufenthalt und ihr Essen bezahlen!
Freiwilligenarbeit selbst organisieren
Auch diese Art von Arbeit auf Reisen könnt ihr aber genauso gut auf eigene Faust organisieren. Ich bin beispielsweise mehrere Monate durch Chile, Argentinien und Bolivien gereist, indem ich in Hostels gearbeitet habe und dafür kostenlos ein Bett und Mahlzeiten bekommen habe. Ihr könnt natürlich stattdessen auch in Schulen Deutsch unterrichten oder auf einer Pferdefarm als Reitlehrer arbeiten – je nachdem, was euch am meisten reizt. Mein Tipp: Seht zu, dass ihr nicht acht Stunden am Tag arbeitet. Gerade wenn ihr euch eure Freiwilligenarbeit selbst organisiert, gibt es einen gewissen Verhandlungsspielraum, sodass ihr nicht völlig eingespannt seid, sondern auch noch Zeit habt nebenher Ausflüge zu unternehmen – oder sogar als Freelancer zu jobben, wenn ihr das wollt.
Das Schöne an dieser Art von Arbeit auf Reisen ist für mich, dass man Menschen hilft und dabei gleichzeitig sehr viel Neues lernt. Als Volunteers müsst ihr ja keine Experten sein. Ganz im Gegenteil, ihr werdet als Helfer gesehen, denen man noch etwas beibringen kann. So könnt ihr in ganz neue Gebiete einsteigen und völlig neuartige Dinge lernen wie etwa Traktor fahren, Zäune bauen oder Kühe melken. Darüber hinaus lebt und arbeitet ihr einerseits mit Locals und könnt so die Kultur vor Ort auf ganz intensive Art erleben. Andererseits trefft ihr aber auch andere Freiwillige aus aller Welt und habt so eine tolle Mischung aus Austausch mit Reisenden und dem Leben in einer lokalen Gemeinschaft.
Der große Nachteil ist natürlich, dass ihr mit Freiwilligenarbeit kein Geld verdient. Trotzdem könnt ihr dennoch dadurch eine Menge Geld sparen und so viel länger reisen.
Housesitting
Das ist eine Variante, die ich selbst noch nicht so ausgiebig ausprobiert habe, aber von vielen Freunden und Bekannten immer wieder wärmstens empfohlen wird. Beim Housesitting passt ihr auf das Haus einer anderen Person auf – während diese selbst reist. Meistens müsst ihr dabei noch auf den Garten und / oder ein Haustier aufpassen. Auch hier gibt es zahlreiche Webseiten wie MindMyHouse oder TrustedHousesitters, die Kontakte zwischen Hausbesitzern und Sittern herstellen.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Ihr könnt gratis in meist sehr tollen Orten und schönen Häusern überall auf der Welt wohnen, habt die ganze Bude für euch alleine und müsst wirklich dafür fast keinen Finger krümmen. Einige dieser Jobs sind sogar bezahlt, das ist aber eher die Ausnahme. Solche Aufenthalte sind ideal, wenn euch ein Ort besonders zusagt und ihr einfach eine Weile an einem Ort entspannen wollt. Wenn ihr nebenher noch Onlinejobs habt, könnt ihr sogar dabei noch Geld verdienen.
Der große Nachteil ist für mich, dass ihr durch Haustiere oder intensive Gartenpflege an einem Ort gebunden seid. Ihr könnt also keine großen Reisen unternehmen, sondern müsst am jeweiligen Ort bleiben. Wenn ihr wiederum einen Ort genauer kennen lernen möchtet, sind solche Aufenthalte perfekt. Auch gibt es natürlich Angebote mit unterschiedlichem Zeitaufwand. Ein Housesitting-Job dauert vielleicht sechs Monate, während ein anderer nur über zwei Wochen geht. Wenn ihr solche Jobs kombiniert, bekommt ihr dann wiederum eine schöne Mischung aus langfristigen und kurzen Aufenthalten und könnt so das Tempo eurer Reise variieren – während ihr dabei noch Geld spart.
Reist um die Welt, wie es euch gefällt
Um langfristig zu reisen, gibt es also viele Möglichkeiten. Digitales Nomadentum ist nur eine davon. Probiert am besten mehrere Optionen aus und entscheidet dann, welche euch am meisten zusagt.
Wie sieht das bei euch aus? Welche Methoden nutzt ihr, um langfristig zu reisen? Welche könnt ihr weiter empfehlen und bei welchen habt ihr schlechte Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf eure Geschichten!
„Wenn ihr arbeitet, dann rackert ihr euch ab. Wir sprechen hier nicht von flauschigen Bürojobs, sondern von Erntehilfe, Minenarbeit, Arbeit auf dem Fischkutter oder Kellnern. Die Jobs, die ihr bei Work & Travel Programmen bekommt, sind oft körperlich sehr hart.“
Das war für mich aber keine unliebsame Kehrseite, sondern im Nachhinein das Kernstück meiner Reise. Wie die tausend schönen Wasserfälle und Strände in Australien hießen? Vergessen. Wie wir völlig fertig nach acht Stunden garstige Mangos pflücken auf rumpelnder Ladefläche den Kindheitsanekdoten der Farmersöhne lauschen? Unvergesslich!
Zu Mangos habe ich auch zehn Jahre später noch eine ganz besondere Beziehung. Wer einmal die berüchtigten Verbrennungen durch den Saft der Mangostängel am Leib erfahren hat, diejenige wird von nun an regelrecht wollustig das süße Fleisch der Mangofrucht in sich aufnehmen 😉
Im Nachhinein gebe ich dir absolut Recht! Gut ist nur, wenn man das auch vorher weiß. Sonst steht man in Australien auf der Obstfarm und will sich den Nagellack nicht ruinieren – das wäre die falsche Ausgangssituation.
Schön, dass die Farmarbeit bei dir eine so tolle Erfahrung war – ich glaube auch, dass man so unglaublich schöne Erinnerungen sammeln kann.
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