Grün

Zwischenlandung: 26 Stunden in Doha

geschrieben von Marinela Potor

Die Stadt unter uns glänzte golden. An ihren Ausläufern, wo die Lichter immer mehr ineinander verschwammen, konnte ich zackige Ränder erkennen. Die Ausläufe der Metropole formten hier ein bizarres Muster, das sich im nächtlichen Dunkel des Meeres verlor. Doch von der Dunkelheit unbeeindruckt funkelten die zahlreichen Lichter fröhlich weiter, als würden sie speziell für uns einen Begrüßungsstanz aufführen. Willkommen in Doha!

Doha aus dem Flugzeug

Es war Mitternacht und es herrschte Hochbetrieb am Flughafen der katarischen Hauptstadt. Die romantischen Lichter der Stadt waren von grellen LED-Leuchten in einem modernen Gebäude abgelöst worden. Eine Mischung aus Touristen in Flip-Flops, Männern in weißen Gewändern und Frauen in schwarzen Kleidern tummelte sich am Einwanderungsschalter.

Wir zahlten für unser Einreise-Visum (ca. 27 Euro für einen 30-tägigen Aufenthalt), holten unsere Rucksäcke ab und dachten schon sehnsüchtig an unser Bett, als wir jäh von einem lauten Piepen über uns unterbrochen wurden.


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Bevor uns klar war, woher das Geräusch kam und was da eigentlich piepte, stand schon ein Beamter neben uns und fuchtelte mit einem Gerät an unseren Rucksäcken herum. Er schaute uns ernst an und sagte: „Sie haben Flaschen dabei.“

„Ist das etwa Alkohol?“

Nun ist es an sich kein Verbrechen, eine Flasche in seinem eingecheckten Gepäck zu transportieren, wohl aber – zumindest in Katar – wenn sich darin Alkohol befindet. Das mehrheitlich salafistisch-muslimische Land toleriert zwar den Konsum von Alkohol, doch braucht man dafür eine spezielle Genehmigung, was sich angeblich auch zur WM 2022 nicht ändern soll. 

Touristen wiederum ist die Einfuhr von alkoholischen Getränken komplett untersagt. Für Zwischenlandende gibt es allerdings die Möglichkeit, den Alkohol in Schließfächern am Flughafen zu deponieren und beim Abflug wieder abzuholen.

Wir waren also recht entspannt, als mein Freund seinen Rucksack öffnete und einige Souvenirflaschen an Ouzo und Raki vorzeigte. Der Beamte runzelte die Stirn. Plötzlich war er ganz aufgebracht und riss meinem Freund eine Plastikflasche aus dem Rucksack: „Was ist das?“

Wir hatten unseren Whiskey in eine Apfelsaft-Flasche umgefüllt, um nicht so viel Glas transportieren zu müssen. Der Beamte roch an der Flasche. „Ist das etwa Alkohol?“ Wir bestätigten das. Der Beamte schoss davon und kam wenige Minuten später wieder. „Es tut mir leid, diese Flasche ist vorab geöffnet worden und es liegt offensichtlich ein Täuschungsversuch vor.“

Täuschungsversuch? Ich hob die Augenbrauen. Mein Freund warf mir einen warnenden Blick zu. Das war wirklich nicht der Moment, um meinen Gerechtigkeitssinn auszupacken. Also schwieg ich, als der Beamte kurzerhand alle unsere Flaschen konfiszierte. Willkommen in Katar.

Taxis wie Luxuslimousinen

Sobald wir vor den Flughafen traten, war uns klar: Das ist kein armes Land – und jeder, der hier ankommt, soll das auch sehen. Wir blickten auf hochmoderne Straßen, gläserne Gebäude und Taxis, die aussahen wie Luxuslimousinen. Zum Glück hatten wir eine Couchsurferin gefunden, die uns für unsere Nacht in Doha aufnehmen konnte, denn ansonsten kostet das „billigste“ Hotelzimmer um die 100 Euro.

Die Fahrt zu unserer Gastgeberin war wie Tausendundeine Nacht 2.0: weiße „Hummer“ und schicke Sportwagen rasten an der Schnellstraße an uns vorbei. Der Straßenrand war von Palmen gesäumt, die militärisch in Reih‘ und Glied standen.

In der Ferne konnten wir luxuriöse Einkaufszentren ausmachen. Wir waren nun inmitten der funkelnden Lichter, die wir aus dem Flugzeug gesehen hatten, als der Fahrer zu einem schicken Apartmenthaus fuhr. Wir waren angekommen.

Unsere Gastgeberin hatte uns sämtliche Eingangscodes gegeben und sehr genaue Anweisungen, wie wir ins hochgesicherte Gebäude kommen können, denn mittlerweile war es schon zwei Uhr morgens, und sie war schon ins Bett gegangen. So fielen wir eigentlich nur auf die weiche Matratze in einen tiefen Schlaf. Gute Nacht, Doha.

Der Morgen danach

Am nächsten Morgen inspizierten wir zum ersten Mal unsere Umgebung. Die Wohnung war riesig, modern und hatte eine beeindruckende Aussicht auf die Wolkenkratzer der Stadt. Unsere Gastgeberin hatte uns netterweise viele Tipps dagelassen, um unseren kurzen Aufenthalt in Doha so interessant wie möglich zu gestalten. Wir waren bereit die Stadt der Ölmultis, Expats und der künftigen Fußballweltmeisterschaft zu erkunden.

Nach sieben Monaten Europareise kamen uns die imposanten Gebäude in Doha unwirklich vor. Nur der sandige Wind erinnerte uns daran, dass wir eigentlich mitten in der Wüste waren. Auf den Bürgersteigen eilten Expats zu ihren Büros, auf den Straßen fuhren Horden von weißen Autos durch die dicht bebaute Innenstadt. Wir beschlossen, an der Meerespromenade, der Corniche, entlangzulaufen. Eine fatale Idee!

Der Preis der Moderne

Denn niemand, wirklich niemand in Doha läuft. Nicht nur, weil die Entfernungen groß sind, sondern weil selbst Ende November die Sonne unerbittlich brennt.

Dohas „Corniche“

Dennoch war es eine unvergleichliche Art, die Stadt zu erleben. Wir sahen hellgrüne Golfplätze, die ohne Unterlass aus kleinen Düsen besprenkelt wurden. Wir sahen Wandbemalungen, die die Kataris davor warnten, ungesundes amerikanisches Fast-Food zu essen.

Und wir sahen – traurigerweise – Horden von müde wirkenden südasiatischen Arbeitern, die entweder aus speziellen Bussen zum Arbeitsplatz hin – oder zurück gekarrt wurden.

Die Kataris machen nur etwa 12 Prozent der Landesbevölkerung aus, Arbeiter aus Nepal und Indien dagegen über 40 Prozent. Sie repräsentieren das massive Wachstum sowie den kontinuierlichen Baudrang des Landes. Leider werden sie von den Einheimischen oft wenig besser als Sklaven behandelt und der Anblick dieser ausgelaugten Männer erinnert daran, welchen Preis das rapide Wachstum von Katar fordert.

Welchen Preis zahlt Katar für die Moderne?

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gibt das Land sich sehr fortschrittlich, zumindest was westliche Expats angeht. Frauen wird zwar empfohlen, Schultern und Knie zu bedecken, aber es herrscht relativ viel Toleranz gegenüber den Sitten der „Fremden“ (auch wenn Homosexualität „verboten“ ist).

Kataris haben erkannt, dass sie mit dem Fachwissen dieser Menschen ihr Land schneller voranbringen können. So möchten sie die westlichen Experten nicht nur mit ihrer Toleranz, sondern auch mit kräftigen Finanzpaketen zu mehrjährigen Arbeitsverträgen ins Land locken. Als Tagestouristen bekommt man dies jedoch nur am Rande mit.

Gezähmte Basare und ein Palast zum Abendessen

Wir waren zumindest mehr damit beschäftigt, all die fremden Eindrücke zu verarbeiten. Ein schöner Ort dafür ist das Museum für Islamische Kunst, das von außen die Form einer verschleierten Frau hat.

Museum für Islamische Kunst

Hier kann man tief in die Geschichte der islamischen Kunst eintauchen und sich ein wenig von der rauschenden Moderne draußen erholen.

Danach waren wir bereit für den großen Basar. Doch obwohl wir hier ähnliches Chaos wie in der Türkei oder Marokko erwartet hatten, bekamen wir nun die „gezähmte“ Form zu sehen.

Dohas „Altstadt“

Alles strotzte nur so vor Sauberkeit, niemand schien zu schreien, und es gab sogar Pfeile, die uns den Weg wiesen. Wir ließen uns durch die geordneten Gassen treiben und landeten schließlich bei einer Art Straßenschauspiel. Anders als Maskat in Oman, wirkt Doha – trotz des vielen Weiß – bunt und lebendig.

Zum Abendessen trafen wir uns mit unserer Couchsurfing-Gastgeberin in einem iranischen Restaurant, das mich allerdings mit all dem Glitzer und Glimmer mehr an einen Palast erinnerte. Sie erzählte uns, dass die Kataris es lieben, abends in der Innenstadt essen zu gehen und dass es deswegen auch vom Italiener bis zum Thailänder so ziemlich alles gäbe, worauf der Gaumen Lust hätte. Und das in ausgezeichneter Qualität!

Wir konnten gar nicht genug von dem leckeren Essen bekommen – vielleicht war es auch der Hunger nach einem achtstündigen Spaziergang in der Sonne Dohas.

Bis bald, Katar

Danach war es dann leider auch schon Zeit, zum Flughafen zurückzufahren. Unsere 26 Stunden in Katars Hauptstadt näherten sich dem Ende. Es waren schöne Stunden gewesen, heiße Stunden und definitiv Stunden, in denen wir sehr viel Neues gesehen hatten.

Als unser Flugzeug sich erneut über die Stadt erhob, winkten uns die blitzenden Lichter zum Abschied zu. Auf Wiedersehen, Doha!

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

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