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TSG Hoffenheim: Spielerentwicklung nach Maß

TSG Hoffenheim: Spielerentwicklung nach Maß
geschrieben von Philipp Ostsieker

Die TSG 1899 Hoffenheim hat sich 2017 in der Spitzengruppe der Bundesliga etabliert. Dank einer starken Leistung spielen die Kraichgauer auf jeden Fall europäisch. Für den Erfolg betreibt der Klub einen großen Aufwand.

Seit 2008 spielt die TSG Hoffenheim in der Bundesliga. Nach einem furiosen Start als Herbstmeister folgten Höhen und Tiefen. 2017/18 wird der Klub erstmals europäisch spielen. Die zwischenzeitlichen Versuche, mit etablierten Stars schnellen Erfolg zu realisieren, schlugen fehl. Daraus hat der Heimatklub von Mäzen Dietmar Hopp gelernt und setzt wieder auf die eigene Nachwuchsförderung. Dafür überlassen die Verantwortlichen nichts dem Zufall.

Alles beginnt in der Ausbildungs-Akademie der TSG Hoffenheim. Vier Zentren, neun Plätze, 33 spezialisierte Trainer. 169 Jungs von elf bis 23 Jahren trainieren hier bis zu fünfmal pro Woche. Zwölf von ihnen wohnen im vereinseigenen Internat. Berühmtester Absolvent: Verteidiger Niklas Süle. Dieser wechselt im Sommer als Nationalspieler nach vier Jahren zum FC Bayern München.

Für Süles Spiel ist die perfekte körperliche Konstitution eine Grundvoraussetzung. Die Hoffenheimer analysieren diese bei ihren Spielern akribisch und überlassen nichts dem Zufall. Das ist Trainingssteuerung durch High-Tech Methoden. Ein wichtiger Teil der Datenerhebung: Der Chip am mittlerweile bekannten Brustgurt. Mit ihm erfassen die Trainer permanent die wichtigsten Daten: Herzfrequenz, Laufleistung, Schnelligkeit.

TSG Hoffenheim prüft regelmäßig Vitaldaten

Für die Auswertung zuständig: Christian Weigl. Als einer von zwei Athletiktrainern ist seine Funktion während des Trainings: Überblick und Kontrolle über die Vitaldaten der gesamten Mannschaft – in Echtzeit. Das soll langfristig Überanstrengung vorbeugen und Spieler wie Niklas Süle vor Verletzungen schützen.

Dafür versucht Weigl gezielt verschiedene Fragen zu beantworten: „Weicht in dieser Woche was ab von dem, was bei ihm eigentlich normal ist. Ist er vielleicht ein bisschen müde? Hat er vielleicht einen leichten Infekt, dass Herzfrequenzen höher sind, als normal? Dass wir nicht reagieren müssen, wenn er krank ist, sondern wir auch schon früher reagieren können: hey, da bahnt sich vielleicht irgendwo was an. Das ist eigentlich das, was wir uns davon versprechen.“

Weigl sieht verschiedene Farben, die den Herzfrequenzen der Spieler zugeordnet werden. Von grau, blau, grün über orange bis rot. Befindet sich der Spieler größtenteils im grün-orangenen Übergangs-Bereich, urteilt Christian Weigl: „Da fühlt er sich relativ wohl. Das ist schon ne ordentliche Intensität, aber nicht Anschlag, wo ich sage: Hey, irgendwann ist da ein Abbruchkriterium erreicht.“

Daten nicht nur Sammeln, sondern vor allem nutzen

Der Verein sammelt nicht nur die Leistungs-Daten der Spieler – sondern erführt sie auf einer vergleichenden Plattform zusammen. Das Ziel: Die Daten taktisch für Spiel und Training zu verwenden. Denn die „Team Performance“ ist neben den Themen „Fan Experience“ und dem „Stadium Management“ für viele Klubs die wichtigste Säule beim Thema Digitalisierung. Technologie-Giganten wie SAP haben sich als Partner etabliert.

Für Julian Nagelsmann, Chef-Trainer der Profis liegen die Vorteile auf der Hand: „Du kannst Daten sammeln, nicht nur physiologischer Natur, sondern auch psychologischer Natur, aber auch vor allem, was Taktik und Technik angeht. Da kommen wir immer mehr dahin, gerade auch mit unserem starken Partner SAP, dass wir auch technisch taktische Daten kriegen. Da sind wir, glaube ich, anderen Vereinen voraus. Die Meisten kriegen überwiegend physiologische Daten, und es ist sehr sehr wichtig, dass Du diese Daten sammelst auf Basis Deiner Philosophie, und die dann auch so nutzen kannst, dass Du dich im technisch-taktischen Bereich weiter entwickelst.“

Julian Nagelsmann kann direkt die Werte des kompletten Teams checken. Die Fitness der Spieler bestimmt das nächste Training. Schon kleine Überlastungen können Verletzungen hervorrufen. Deswegen steht nach jeder Einheit Physiotherapie auf dem Plan. Sogar hier soll High-Tech die Abläufe verbessern. Die Hoffenheimer Profis nutzen zur Reha-Dokumentation eine bisher eigens für sie entwickelte App.

Niklas Süle: „Wir kommunizieren innerhalb vom Team mit der SAP-App. Da kann ich gleich die Trainer informieren wie ich das Training empfunden habe und dann haben die ein schnelleres Feedback von mir. Und wenn ich irgendwie Beschwerden hab, also Du schickst es quasi gleich dem Physiotherapeuten. Er kann das schon direkt vorbereiten. Und er weiß schon gleich bescheid, was Du so hast.“

„Jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“

Wer erinnert sich noch an Jürgen Klinsmann als FC-Bayern-Trainer? 2008 sagt er, er wolle „jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“. Damals wurde er dafür belächelt. Tatsächlich können aber Klubs wie 1899 Hoffenheim mit den gesammelten Daten das komplette Training jedes Spielers verbessern und individuell anpassen.

Dr. Jan Meyer, Mannschafts-Psychologe: „Da hilft uns unsere Software sehr. Wo hat sich was getan, verbessert verschlechtert – wie ist er im Vergleich zu einem anderen Spieler auf der gleichen Position oder dem Teamdurchschnitt. Das macht es letztlich in den nächsten Schritten auch leichter, über statistische Methoden Muster zu erkennen oder Kompensationsmechanismen. Der eine ist schnell im Kopf, der andere hat schnelle Füße, und beim Ziel sind sie in der gleichen Geschwindigkeit.“

Peter Görlich, Geschäftsführer und Manager, glaubt, dass hinter dem Sammeln von Daten ein konkreter Plan stecken muss. TSG Hoffenheim arbeitet streng nach einem Anforderungsprofil, damit aus den Daten irgendwann Informationen generiert werden können. Damit sollen wiederum Trainings-, Wettkampf-,  aber auch Regenerationsprozesse optimaler gestaltet werden. Dieses Thema habe man in Hoffenheim ausführlich diskutiert und nun einen Vorsprung gegenüber anderen Klubs.

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.

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