Ob digital oder analog, Fußball-Klubs suchen nach Wachstumsstrategien. Doch wo anfangen? Muss sich nun jeder Klub nach China aufmachen? Oder sollten eher alte Geschäftsmodelle überdacht werden?
„What Sport Needs to Learn from the Amazon Story“ – diesen Beitrag veröffentlichte Ben Wells, Ex-Marketingchef beim FC Chelsea London, im Februar.
Worum ging es? Wells schilderte die 23-jährige Entwicklung des Giganten Amazon vom Online-Buchhändler hin zum weltweit viertgrößte börsennotierte Unternehmen. Die Entwicklung verglich Wells mit der Unbeweglichkeit im Sportbusiness. Er kritisierte die Verantwortlichen dafür, dass sie im Prinzip seit 100 Jahren das gleiche Geschäftsmodell verfolgen würden.
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Das Sportbusiness lebe größtenteils von medial getriebenen Sponsoren-Paketen und ignorieren die Marken-Community, die keine umfangreichen Reichweite und Impressionen brauchen, sondern einen direkten und persönlichen Draht zu einem Teil der Fans/Kunden/Nutzer. Ähnlich verhielte es sich mit der Abhängigkeit von linearen TV-Deals.
Der Vergleich mag teilweise hinken. Dennoch ist der Beitrag ein schöner Denkanstoß. Wie können Sport- und insbesondere Fußballklubs ihr Geschäft ausbauen? Was sind relevante Wachstumsstrategien?
Marktdurchdringung: Haben die Klubs ihr Potenzial national ausgeschöpft?
Eine von vier wesentlichen Wachstumsstrategien: den bestehenden Markt (z.B. Deutschland) mit eigenen bestehenden Produkten (Kernprodukt Fußball, z.B. in Form von Tickets, Merchandising oder Trikot-Sponsoring) durchdringen.
Ich persönlich frage mich oft: Haben die deutschen Klubs ihren Markt wirklich schon durchdrungen? Ich bin seit 23 Jahren BVB-Fan und seit acht Jahren Vereinsmitglied. Dennoch habe ich zu kaum einem Zeitpunkt das Gefühl, dass der Verein mich, rein kommerziell betrachtet, wirklich erreicht. Gefühlter Fakt: Auf klassischen Wegen soll vor allem die sehr treue Gruppe von (Stehplatz-)Dauerkarten-Besitzern abgeholt werden. Auf Plattformen wie Facebook & Co. geht der Klub inhaltlich stark in die Breite.
Über sechs Millionen Fans hat der Klub alleine in Deutschland. Fast 150.000 davon sind Mitglieder. Im besten Fall differenzieren die Verantwortlichen nach Fan-Typologien, z.B.
- Der Manische
- Der Leidenschaftliche
- Der Affine
- Der Sympathisant
Als interessierter Beobachter fällt es jedoch zumindest in der digitalen Welt schwer, eine differenzierte inhaltliche Ansprache der verschiedenen Fan-Typen zu erkennen. Der Grad von Reichweite und Interaktion wirkt dank Spielbezug, verschiedener Aktionen oder Gewinnspielen sehr hoch. Aber weder eine inhaltliche Vielfalt oder Tiefe sind letztlich erkennbar – obwohl dies ggf. für den Affinen oder Sympathisanten interessant sein könnte.
Produktdifferenzierung: Beispiel „FC Bayern 24/7“
Hier inbegriffen sind Aktivitäten auf dem bestehenden Markt mit veränderten oder neuen Produkten. So hat etwa der FC Bayern im Februar sein inhaltliches Angebot erweitert und differenziert. Die Plattform FC Bayern.tv ging im Februar live und bietet den Fans eine Ansammlung an News und Inhalten in HD und 24 Stunden pro Tag.
Der Pay-TV-Kanal kostet 5,95 Euro pro Monat und kann sowohl über die Telekom-eigene IPTV-Plattform Entertain TV als auch die Website und App des FC Bayern empfangen werden.
„Mit dem Start von FC Bayern.tv sind wir der erste deutsche Klub mit einem eigenen linearen TV-Sender“, sagt FCB-Boss Karl-Heinz Rummenigge. „Wir sind stolz, diesen Sender in Zusammenarbeit mit unserem Hauptsponsor Telekom zu realisieren. Es ist ein neuer Weg, um unsere zahlreichen Fans zu erreichen.“
Stefan Mennerich, Director of Media & Communication, fügte hinzu: „FC Bayern.tv ist ein weiteres entscheidendes Element in unserem Medien-Mix. Wir bieten den Fans Hintergrundgeschichten, Talkshow-Formate, Exklusiv-Interviews und Live-Inhalte. Das Team von Carlo Ancelotti steht dabei im Mittelpunkt, aber wir berichten ebenfalls über die Basketballer, die Fußball-Frauen, die U23, die Nachwuchs-Teams und andere Bereiche.“
Der Klub positioniert sich, auch im Wettbewerb zu klassischen Medien, als Content-Anbieter. Im Erfolgsfall werden nicht nur zusätzliche Nutzerdaten gesammelt, sondern neue Erlösströme durch Bezahlinhalte generiert.
Diversifikation: Beispiel „eSport Teams“
Wenn ein Klub seinem Kernmarkt an quantitative Grenzen stößt, ist natürlich auch die Entwicklung auf einen neuen Markt möglich. Spannend sind die verschiedenen Ansätze der deutschen Klubs im Bereich eSport.
Als erster Fußball-Bundesligist hat der VfL Wolfsburg das große Potenzial im elektronischen Sport gesehen. Bereits im November 2013 veranstaltete der Klub gemeinsam mit EA SPORTS ein Turnier der Virtuellen Bundesliga (VBL) in der Volkswagen Arena.
Ex-Geschäftsführer Klaus Allofs sagte zum Engagement: „Wir erkennen den eSport als wichtig an und wollen hier unter den Bundesliga-Klubs führend sein. Unser Ziel ist es, die Verbindung zwischen realem und digitalem Fußball herzustellen. FIFA wird von Jahr zu Jahr realistischer und findet sowohl bei unseren Profis als auch bei unseren Fans sehr großen Anklang.“
BVB-Chef Hans-Joachim Watzke „findet das komplett scheiße“. Dennoch hat das Thema in der Fußball-Welt eine hohe Relevanz. Die Zahl der Zuschauer steigt rasant, große Events finden mittlerweile in Stadien statt, Preisgelder erreichen stattliche Höhen bis zum zweistelligen Millionenbereich und prominente Investoren entdecken eSports für sich. Auch für Medienunternehmen wird eSports zunehmend interessant: Sky und Sport1 widmen dem Thema eigene Sendungen samt Live-Übertragungen und schaffen damit ein zusätzliches, großes Publikum.
Wir dürfen gespannt sein, wer in der Bundesliga nach dem VfL Wolfsburg und Schalke 04 nachziehen wird.
Markterweiterung: Beispiel „International“
Viele Klubs in der Bundesliga betrachten den nationalen Markt als gesättigt. Die Verantwortlichen des FC Bayern München sehen dies vermutlich anders als die des Emporkömmlings RB Leipzig – und auch zwischen Erst- und Zweitliga-Klubs, Groß- und Kleinstadt gibt es natürlich Unterschiede.
Denkt man an die Internationalisierung im Fußball, kommen allen Interessierten zunächst die Asien- oder Amerika-Reisen des FC Bayern oder von Borussia Dortmund, also den deutschen Top-Klubs, in den Sinn. Auch Klubs aus der „zweiten Reihe“, wie der FC Schalke 04, der 1. FC Köln oder Hamburger SV sind seit einigen Jahren für Trainingslager oder Testspiele in China, Dubai oder Japan aktiv.
Speziell China steht im Mittelpunkt. In diesem Jahr haben die Deutsche Fußball Liga (DFL), der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sowie die deutsche Politik (Bundesregierung und Bundesinnenministerium (BMI)) eine Vereinbarung mit dem chinesischen Bildungsministerium und dem chinesischen Fußballverband getroffen. Dauer: fünf Jahre.
Insgesamt steht die Bundesliga laut einer Studie der ADVANT GROUP gut da. Zwar nach wie vor mit Abstand zur Premier League konnte die Bundesliga den zweiten Platz vor der spanischen LaLiga Santander, der italienischen Serie A und der französischen Ligue 1 verteidigen. Das Wachstum von 21 Prozent seit 2014 kann sich im Vergleich zur Premier League (13 Prozent) ebenfalls sehen lassen.
Vor allem in den Bereichen Partnerschaften sowie Social Media sehen die Initiatoren der Studie zusätzliches Potenzial. Die deutschen Vereine werden im Schnitt zu 20 Prozent von ausländischen Partnern unterstützt (England: 50 Prozent, Spanien: 35 Prozent), der Durchschnitt internationaler Facebook-Fans liegt bei „nur“ 3,2 Millionen (England & Spanien: 10 Mio.).
Die Kategorien und Optionen wirken für die genannten Top-Klubs sehr schlüssig. Fraglich ist jedoch, für wie viele Vereine aus dem unteren Drittel der ersten oder etwa dem Teilnehmerkreis der Zweitligisten das Thema Internationalisierung sinnvoll und überhaupt machbar ist. (Wie) können Mainz 05 oder Darmstadt 98 aktiv werden?
Wachstumsstrategien im Fußball: Innovativ oder ideenlos?
Lag Ben Wells mit seiner Generalkritik nun richtig? Das lässt mit dieser oberflächlichen Betrachtung natürlich nicht beantworten. Dennoch fällt auf: Wirklich innovative Wachstumsstrategien sind ligaweit nicht sichtbar. Das muss aus geschäftlicher Perspektive auch gar nicht verkehrt sein.
Der Fokus liegt auf den bekannten Kernprodukten wie Merchandising, Ticketing sowie Sponsoring-Flächen. Diese Aktivitäten werden relativ ähnlich auf den internationalen Märkten wiederholt. Gerade die Klubs, die international keine große Rolle spielen, sollten also ihren Kernmarkt im Blick behalten. Der größte Hebel wird immer der sportliche Erfolg bleiben. Besonders aus diesem Grund spricht vieles dafür, sich auch für sportliche Durststrecken zu wappnen. Die Klubs müssen sich auf Dauer unabhängiger vom sportlichen Erfolg aufstellen.