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Interview: Wie Microsoft die digitale Transformation im Fußball vorantreibt

Peter Jaeger (Microsoft) über die digitale Transformation im Fußball
geschrieben von Philipp Ostsieker

Die digitale Transformation im Fußball bringt viele neue Player ins Sportbusiness. Einer der etablierteren neuen Player ist Microsoft. Wir haben mit Peter Jaeger von Microsoft Germany gesprochen, wie er die Klubs der Bundesliga unterstützt.

Peter Jaeger, Senior Director DX und Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland GmbH

Peter Jaeger, Senior Director DX und Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland GmbH

Im Zuge der Digitalisierung sowie des zunehmenden Wettbewerbs um Aufmerksamkeit, national und international, innerhalb und außerhalb der Bundesliga, sind die Klubs gezwungen, sich weiterzuentwickeln. Die digitale Transformation im Fußball bewältigen die Klubs in der Regel nicht alleine. Deshalb helfen Experten wie Peter Jaeger. Peter Jaeger ist Senior Director DX und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland GmbH.

Wir durften Peter Jaeger ausführlich zu den Lösungen von Microsoft, den aktuellen Problemen der Klubs sowie seinen Prognosen für die Zukunft befragen.


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matchplan mag: Hallo Peter, vermutlich kennt fast jeder Mensch in Deutschland Microsoft oder kommt mit einem Microsoft-Produkt in Berührung. Warum engagiert sich Microsoft plötzlich im Sport?

Peter Jaeger: Ein plötzliches Engagement ist es nicht. Wir sind schon relativ lange dabei, auch wenn wir erst zwei Jahren in Deutschland damit aktiv sind. Das Thema ist bestimmt schon vier bis fünf Jahre relevant.

Wir haben gemerkt, dass die Digitalisierung viele Bereiche in Unternehmen erfasst. Auch Sport-Klubs sind mittelständische Unternehmen. Egal, ob ich die erste und zweite Bundesliga oder in die NBA und NFL betrachte, es handelt sich schon um größere Unternehmen. Einige haben ein Volumen, mit dem sie es locker in den MDAX schaffen würden.

Die Initialzündung für uns war, dass wir gemerkt haben: Die Branche verändert sich und sie digitalisiert sich. Und wir können stark unterstützend den Weg der Vereine mit begleiten und ihnen bei der digitalen Transformation helfen, erfolgreicher zu werden.

Und in welchen Bereichen unterstützt ihr die digitale Transformation im Fußball?

Wir unterstützen hauptsächlich in vier Bereichen. Das erste Thema ist das „Fan Engagement“, also rund um die Fans. Wie kann ich dem Fan z.B. bessere Informationen zukommen lassen. Wie kann ich als Sportklub darauf basierend auch die Monetarisierung steigern?

Der zweite Punkt ist das Thema „Team Performance“. Hier haben wir gerade einen neuen Best Case veröffentlicht. Wir gehen hier sehr tief in die Leistungsdaten der Spieler hinein. Ein sehr spannendes Thema, bei dem wir Big Data, IoT und die Cloud miteinander kombinieren. Damit versuchen wir für die Analyse der Spieler, eine möglichst breite und gute Datenbasis zu haben. Das bieten wir nicht nur für den Fußball, sondern für die gesamte Sportindustrie. Das funktioniert genauso gut im Handball oder Skisport.

Im Fußball arbeiten wir z.B. mit Bernhard Peters und dem HSV zusammen. Ich denke, Bernhard Peters ist einer der bekanntesten Sport-Diagnostiker, die wir in Deutschland haben. Er hat das Thema schon vor etwa zehn Jahren in Hoffenheim vorangetrieben, um Spielerdaten im Nachwuchs- sowie im Profibereich zu sammeln und diese dem Trainerstab an die Hand zu geben. Wie stelle ich die Mannschaft gegen welche Mannschaft auf? Auf welche Jugendspieler setze ich?

Mittlerweile kommen auf einen Lizenzspieler etwa 2.000 Jugendliche. Das ist totaler Wahnsinn. Es gibt ja das Prinzip der Ausbildungsvereine als „Zulieferer“. Scouting beginnt schon bei Spielern, die zehn, elf Jahre alt sind. Entsprechend setzen die Vereine auch dort schon, Leistungsdiagnosen zu erstellen und Daten zu speichern. Sie fragen sich: Welcher von diesen 2.000 Spielern kann so erfolgreich werden, dass er sich potenziell als Lizenzspieler etablieren könnte?

Der dritte Punkt ist das ganze Thema „Venue Management“. Insbesondere in den USA sind wir damit höchst erfolgreich. In Deutschland sind wir mit der Digitalisierung der Sportarenen leider noch hinten dran. Und die Sportarenen sind ja mittlerweile „Multi Purpose“-Arenen. Es gibt Konzerte, Konferenzen und andere Veranstaltungen. Und manchmal wird auch Fußball dort gespielt. Von den 365 Tagen, die wir haben, wird dennoch am wenigsten Fußball im Stadion gespielt.

Wie kann ich jetzt das gesamte „Venue“ digitalisieren, damit ich für möglichst viele und unterschiedliche Bereiche Mehrwerte liefern kann? Ich hab andere Anforderungen, wenn ich ein Konzert, eine Konferenz oder ein Bundesliga-Spiel veranstalte. Wie kann ich die Venue also entsprechend aufbauen? Das geht natürlich auch in den gesamten Food- und Beverage-Bereich hinein.

Das vierte ist unser eigentliches Kerngeschäft, das „Team hinter dem Team“. Wie optimiere ich die ganz normalen Geschäftsprozesse, also etwa Bürokommunikation? Da kommen wir ursprünglich her, also Office, Dynamics, CRM, Datenhaltung etc.

Vor über zwei Jahren haben wir uns hier in Deutschland aus der Deckung begeben. Da habe ich u.a. beim SPOBIS auf der Hauptbühne gesprochen und ganz klar das Ziel ausgegeben habe, dass wir mittelfristig alle 36 Bundesligisten haben wollen.

Kannst du uns verraten, wie viele dieser Klubs aktuell in eurem Portfolio sind?

Wenn wir über alle unterschiedlichen Bereiche sprechen, dann sind es mehr als 20 Klubs. Sehr viele nutzen unsere Business-Applikationen. Damit meine ich nicht Office, sondern tatsächlich über die Kern-Businessprozesse, also z.B. für das „Team hinter dem Team“.

Mit sieben Vereinen gehen wir ganzheitlich das Thema Digitalisierung an – fünf Erstligisten, zwei Zweitligisten. Mit dem HSV, Werder Bremen und dem FC St. Pauli haben wir auch drei formale Referenzen.

Geld schießt sehr wohl Tore.

Du hast schon spannende Infos zu den einzelnen Säulen verraten. Welche Säulen werden denn besonders häufig in Anspruch genommen? Worauf liegt euer Fokus, wenn ihr mit den Klubs sprecht?

Wir diskutieren mit den Vorständen der Vereine in erster Linie, wo sie gerade stehen. Wie bereit sind sie für die Digitalisierung in Summe? Es gibt Vereine, die sagen: „Wir glauben daran.“ Diese starten dafür oft auch ein komplettes Change-Management-Programm. Für solche Ansätze arbeiten wir z.B. auch mit Partnern wie KPMG zusammen.

Es gibt andere, die sagen: „Ich hab ein Problem mit meinem Ticketverkauf. Baut mir doch mal bitte ein neues Ticketing-System, was dann auch mit den Einlass-Schranken vorm Stadion funktioniert.“ Das ist wirklich die komplette Range. Es hilft aber durchaus, dass wir bei allen 36 Vereinen mit Office präsent sind. Unser eigentlicher Ansatz ist aber eine ganzheitliche Unterstützung des Themas Digitalisierung.

Aktuell geht es den Vereinen häufig um den Bereich „Fan Engagement“. Hier stehen wir in Deutschland ja mittlerweile auch im internationalen Wettbewerb. Irgendjemand hat mal gesagt: „Geld schießt keine Tore“, das ist heute de facto nicht mehr so. Geld schießt sehr wohl Tore. Das fällt speziell auf, wenn ich die Umsätze in England oder Spanien betrachtet. Die Werte sind um ein Vielfaches höher als hier in Deutschland.

In der Deloitte Football Money League haben wir derzeit nur drei Bundesligisten in den Top-20, nur den FC Bayern in den Top-10. Das ist ein riesiges Problem. Wie professionalisiere ich also mein Fan Engagement nicht nur am „Matchday“, sondern durchaus auch 24/7?

Da gibt es Methoden wie z.B. ein „Profiling“ von den Fans zu haben. Früher gab es eine One-Way-Kommunikation. Früher haben sich Fans für Dauerkarte, Fan-Reisen oder Merchandising eingeloggt. Das waren aber alles unterschiedliche Datentöpfe. Wir führen diese Datentöpfe erstmals zusammen, damit wir ein einheitliches Bild auf den Fan bekommen. Der Fan soll umgekehrt ein einheitliches Login in die einzelnen Bereiche des Vereins haben können. Damit ich weiß: Wer ist der Fan? Das hilft de Fan selbst auch.

Ein gutes Beispiel: Wenn ich weiß, er hat diese Saison schon ein Heim-Trikot gekauft, warum soll ich ihm dann ein Mailing schicken mit “Kauf doch ein Heimtrikot”? Das ergibt in 90 Prozent der Fälle einfach keinen Sinn. Dann biete ich ihm z.B. lieber ein Auswärtstrikot an. Darüber verbessere ich dann mein Marketing.

Sobald ich die vielen Datentöpfe zusammen gefasst habe, habe ich auch die Möglichkeit, vorausschauend wirklich gutes Profiling auf den Fan zu machen. Dann kann ich wirklich entsprechend seiner Gewohnheiten adressieren. Ich weiß, zu welchen Heimspielen er kommt. Ich weiß, welche Spieler er mag. Häufig habe ich ja auch einen Fan wegen eines Spielers. Das ist bei den vielen Transfers sehr relevant. Das muss ich verstehen, sogar weltweit verstehen.

Du hast die zahlreichen Datentöpfe, oder auch Touchpoints, angesprochen. Von wie vielen Schnittstellen sprechen wir denn für eure Produkte?

Der HSV arbeitete vor unserem Projekt mit etwa 50 verschiedenen Datentöpfen. Das waren teilweise eigene, teilweise externe Datentöpfe. Die müssen aber irgendwie konsolidiert werden. Sonst ist es bei diesem Umfang an Daten leider klar, dass ich nur relativ wenig Ahnung von meinen Fans haben kann.

Im ersten Schritt haben wir also alle vorhandenen Daten harmonisiert und in einer einzigen Datenbank konsolidiert. Sämtliche interne wie externe Daten, z.B. auch von Google- oder Facebook-Ad-Kampagnen.

Auf dieser Basis haben wir mit einem Partner aus Nürnberg eine Profiling-Lösung entwickelt. Wie sieht mein Fan aus? Was sind die wahrscheinlichen nächsten Schritte? Mit diesem Wissen realisieren die Klubs bei neuen Kampagnen wiederum sehr hohe Conversions. Weil wir z.B. mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit wissen, dass bestimmte Fan-Typen einen bestimmten Merchandising-Artikel kaufen wollen.

Wir versuchen, die Vereine immer in Richtung einer ganzheitlichen Transformation führen.

Es wird ja auch viel über die Plattform-Ökonomie gesprochen. Die Vereine investieren viel Geld bei Google, Facebook & Co. – werden diese Datenquellen auch angezapft oder laufen sie “nebenher”?

Die muss ich sogar anzapfen. Aber heute versenken die Vereine sehr unstrukturiert Geld bei den Googles und Facebooks dieser Welt, weil sie den Fan einfach nicht kennen.

Sind denn die KPIs der Klubs eher kurzfristig Umsatz-getrieben oder geht es um Themen wie optimierte Durchlaufzeiten, Prozesse oder Strukturen.

Es kommt darauf an. Wir haben auch schon den ein oder anderen Deal abgelehnt, weil die Klubführung sehr stark in alten Barter-Logiken gedacht haben. Also wie viele Logen kaufst du, wenn ich mit dir ein Projekt starte? Es ging nicht darum, KPIs oder Prozesse zu optimieren.

Und das ist nicht unser Ansatz. Die Vereine, die Vereine, die wir haben, zahlen für die Lösungen und die Leistungen, die sie über uns abrufen. Wir sponsern nicht einen einzigen Verein.

Die Basis für die Diskussion: Möchte der Verein eine Transformation haben? Möchte der Verein in das digitale Zeitalter? Oder wollen sie nur kurzfristig ihren Umsatz erhöhen? Wir versuchen, die Vereine immer in Richtung einer ganzheitlichen Transformation führen. Es gibt Vereine, bei denen der Wunsch nicht da ist. Denen können wir natürlich einzelne Produkte liefern. Diese Vereine können den Umsatz dann sicherlich etwas steigern. Das hat dann aber nichts mit einer digitalen Transformation zu tun.

Seit ein bis zwei Jahren haben die Entscheidungsträger das Thema auf dem Schirm. Wie lange dauert es von dem Punkt, an dem ihr diese grundsätzlich überzeugt, bis hin zum gemeinsamen Projekt sowie messbaren Ergebnissen?

Es ist leider noch sehr unterschiedlich und davon abhängig, wie der Verein geführt ist. Es gibt noch viele Vereine, die nicht unternehmerisch geführt werden. Sie spielen Fußball um des Fußball willens. Sie sind aber Wirtschaftsunternehmen. Fußball um des Fußball willens zu spielen, ist lobenswert. Diese Vereine sind dann nicht unser Schwerpunkt. Unser Schwerpunkt sind Vereine, bei den die Vereinsführung weiß, dass sie hier etwas tun muss, um im nationalen oder internationalen Wettbewerb führend zu sein.

In jedem Verein, vom FC Bayern bis zum SV Sandhausen, gibt es einen Social-Media-Verantwortlichen, alle haben eine Website, alle machen Ticketing, alle haben ihr Merchandising. Und da hört es dann oft auf.

Ein positives Beispiel ist ein neuer Europapokal-Teilnehmer, bei dem wir zum Start einen Design Thinking Workshop mit den Klub-Verantwortlichen durchgeführt haben. In echter Startup-Methodik haben wir festgelegt: Was wollen wir erreichen? Wo wollen wir es erreichen? Wie wollen wir es erreichen? Daraus abgeleitet haben wir Produkte definiert. Aus den Produkten wurden Prozesse definiert. Die Prozesse müssen umgesetzt werden. Das ist ein Idealbeispiel für einen Verein, der sagt: Ich möchte mein Unternehmen für die digitale Welt bereit machen.

Dann gibt es die anderen Vereine, die sagen: „Ich habe ein CRM von euch. Helft mir bitte, es effizienter einzusetzen. Ich möchte mit euch aber auch die Themen Ticketing und Webseite in Angriff nehmen.“

Das Bild „von Bayern bis Sandhausen“ ist ja immer sehr anschaulich. Alle reden oft von der sportlichen und finanziellen Schere zwischen den Vereinen. Bestätigt sich dieser Eindruck hinsichtlich der digitalen Transformation? Oder hat grundsätzlich jeder Klub die Chance, in das Thema einzusteigen?

Jeder Klub bis hinunter in die dritte Liga hat diese Chance vielleicht nicht. Aber der Großteil der Vereine in der ersten und zweiten Liga hat sie schon. Es wäre wünschenswert, dass ähnlich wie es die spanische La Liga getan hat, eine einheitliche Plattform für alle Vereine aus Bundesliga-Mitteln zur Verfügung zu stellen. Das würde die Chancengleichheit deutlich erhöhen.

Die DFL denkt schon seit einiger Zeit darüber nach, was sie für die gesamte Liga tun könnte. Das wäre wirklich wünschenswert. Denn bei Projekten in ganzheitlicher Form, sprechen wir schon über Kosten wie bei Ablösesummen für einen guten Bundesliga-Spieler. Ohne Sandhausen & Co. zu Nahe treten zu wollen: Das würde sie wahrscheinlich sehr überfordern.

Eine einheitliche Liga-Plattform würde helfen. Ob wir das nun tun, sei mal dahin gestellt. Um auch kleineren Vereinen die Chance zu geben, digital weiter voran zu kommen, wäre das sehr wünschenswert.

Ich glaube, wenn die Liga sich nicht um ein einheitliche Plattform kümmert, wird uns irgendwann auch die italienische Liga überholen. […]

Für realistisch hältst du so eine einheitliche Liga-Plattform denn?

Ich glaube, wenn die Liga sich nicht darum kümmert, wird uns irgendwann auch die italienische Liga überholen. Die englische und spanische Liga haben uns schon locker hinter sich gelassen. Und die anderen Ligen rüsten auch auf. Die DFL muss etwas tun.

Angenommen, diese einheitliche Plattform kommt nicht. Ich will mich als Verantwortlicher eines kleinen Klubs trotzdem dem Thema nähern, auch wenn ich mir keinen großen Dienstleister leisten kann. Welche Möglichkeiten hätte ich, das Thema “im Kleinen” voranzutreiben?

Es ist zu überlegen, was sinnvolle Teilaspekte einer Gesamt-Plattform sind. Oder man könnte etwa eine SaaS-Plattform für den Bereich Fan Engagement launchen. Und dann wirklich on-demand die Leistungen abrufen. Das ist das große Ziel, an dem SAP und auch wir arbeiten. Dann können wir auch in die dritte Liga schauen. Dort spielen auch erfolgreiche Vereine, die aber teilweise finanziell etwas angeschlagen sind. Die könnten so eine Lösung natürlich gut nutzen.

Das eine ist das Produkt selbst, das andere ist die Frage, wie ich damit konkret umgehe. Welche Rolle spielt das Thema Technologie-Akzeptanz für eure Arbeit?

Persönlich hatte ich z.B. große Bedenken, als Heribert Bruchhagen zum HSV gekommen ist. Nach eins, zwei Diskussionen hat er es voll und ganz akzeptiert.

Wir haben z.B. mit Sicherheit eine Herausforderung, je älter die Vorstandsriege ist. Das ist aber auch im normalen Wirtschaftsunternehmen so. Die Generation Y ist leider noch nicht in den Führungsebenen angekommen. Die haben es etwas leichter.

In dem Moment, in dem man etwas umfassender erklären kann, was das Thema für die Vereine bedeutet, ist die Akzeptanz dann gegeben.

Ist die Akzeptanz dann automatisch für „Easy Delivery“ von Essen und Trinken gegeben? Nein. Da gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten. In den USA ist es ein Kernthema, das wir bei jedem Projekt haben. In Deutschland ist die vorherrschende Meinung, dass sich die Zuschauer auf das Spiel konzentrieren sollen. Essen und trinken sollen sie dann in der Halbzeitpause.

Was sind aus deiner Sicht in einem Jahr, in fünf Jahren und in zehn Jahren Entwicklungen, auf die Fans sich freuen oder vorbereiten können?

Kurzfristig werden wir automatisierte Zahlungssysteme für Essen und Trinken in Stadien mit sehr starkem WLAN sehen. WLAN im Stadion ist eine Herausforderung, aber auch die Basis dafür, dass ich automatisierte Dienste nutzen kann. Viele Klubs rüsten ihr WLAN derzeit auf, um solche Dienste anbieten zu können.

Wenn ich den Eingangsbereich vom Stadion passiere, kann ich mir direkt meine Wurst und mein Bier bestellen, ohne mich lange an der Ausgabe anstellen zu müssen. Genau das gleiche wäre dann in der Halbzeitpause möglich. So funktioniert es auch mit „Bier holen und Bier wegbringen in fünfzehn Minuten“. Ich denke, das ist das erste, was kommen wird.

Zudem wird mehr Content am Spieltag über das WLAN auf die mobilen Devices gespielt.

In fünf Jahren werden wir, da bin ich mir sicher, eine sehr viele höhere Transparenz auf die Spieler selbst bekommen. Bundesligisten werden zudem immer stärker zu Content Publishern. Diesen Content können sie dann wahrscheinlich immer besser monetarisieren. Die Klubs werden ihr eigener TV-Sender, nicht nur am Matchday, sonderm am Pre und Post Day.

Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren immer noch ins Stadion gehen, weil es nach wie vor ein einmaliges Erlebnis ist. Ich denke aber, dass wir uns dann das Erlebnis Stadion auch ins Wohnzimmer holen können. Es gibt Ansätze für Mixed Reality, die teilweise auch schon bei uns vorhanden sind. Wir haben eine Demo mit der NFL gebaut, mit der wir das NFL-Stadion-Erlebnis ins Wohnzimmer holen können. Das Thema wird kommen, aber das Gefühl im Stadion zu sein, wird trotzdem unersetzlich bleiben

Für das Thema „Digitale Transformation im Fußball“ seid ihr ein sehr großer Player. Dann gibt es Anbieter wie SAP. Ich habe aber das Gefühl, dass der Markt für Lösungen und Tools sehr fragmentiert ist und es viele Anbieter für viele Detail-Lösungen gibt. Kannst du für uns den Markt abgrenzen?

Für ganzheitliche Lösungen sehe ich nur SAP und Microsoft. Beide haben einen Plattform-Ansatz, der mit Kernprodukten von uns bestückt ist und um Partnerlösungen ergänzt wird. Wir liefern auch nicht für unsere vier Säulen alle Themen aus dem eigenen Haus. Das ist ein umfangreiches Zusammenspiel mit 15 bis 20 Partnern aus ganz Deutschland. Wir werden z.B. nicht selbst Sensoren entwickeln, die uns Leistungsdaten der Spieler erfassen.

Genauso für das Thema Video-Analyse: Wir haben die Plattform, aber auf dieser noch eine Lösung eingebaut. Ein Beispiel für einen Partner ist G2K aus München für Videonalysen. Die haben das Produkt für Stadien bzw. gegen Hooligans gebaut. Die bauen so etwas aber auch für Kontrollsysteme. Da gibt es dann wieder Überschneidungen zu Partnern, die im Sport aktiv sind, aber auch in anderen Geschäftsbereichen.

Ein anderer guter Partner ist Symanto aus Nürnberg, die sich des Themas „Profiling“ angenommen haben. Wir haben die Cloud, sie haben das Know-How, wie ich einen Fan wirklich analysieren kann. Da gibt es sehr, sehr viele Player. Alleine im Videoanalyse-Bereich gibt es glaube ich rund 60 namhafte und ernstzunehmende Player.

Hier versuchen wir nicht alles selbst zu erfinden, sondern sinnvoll Partnerlösungen zu kombinieren und zu einer Gesamt-Plattform zusammenzuführen. Im Ticketing gibt es eine Plattform namens BFN, die haben eine der führenden Ticketing-Lösungen für Sportstätten gebaut. BFN ist die eine, Eventim ist die andere. Wenn ich die 36 Vereine durchgehe, habe ich die eine oder die andere Lösung im Einsatz. Und wir können beide integrieren. So bauen wir das Ganze auf.

Etwas unabhängig von Microsoft bzw. digitalen Ökosystemen: Welcher Trend wird bei der digitalen Transformation im Fußball überbewertet, welcher unterbewertet?

Ich glaube, dass ganze Thema AI wird noch nicht in seiner Ganzheitlichkeit erfasst. Was kann bzw. wird es für unser ganzes Leben bedeuten? Viele reden darüber. Vielen haben angefangen, Lösungen zu bauen. Viele Startups entstehen in diesem Umfeld, aber es wird nach wie vor noch echt unterschätzt, was es für uns in Summe als Gesellschaft bedeutet.

Was wird überschätzt? Das ist schwierig. Von den vielen Facetten meines Geschäftsbereichs glaube, oder hoffe ich zumindest, dass sie auf jeden Fall funktionieren.

Was vielleicht oft sehr gehyped wird, sind Themen im Social-Media-Umfeld bzw. Network-Plattformen. Das Thema ist sehr schnelllebig, entsprechend schnell springen viele abwechselnd auf unterschiedliche Züge auf, ohne dass der Wert immer ganz klar ist. (lacht) Es mag an meinem Alter liegen, aber eine Plattform wie Snapchat habe ich bis heute nicht verstanden.

Ich denke, dass wir stark in Richtung Canvases und Bots marschieren werden. Ich denke, dass viele Apps, die wir heute nutzen, über kurz oder lang z.B. in Messengern verschwinden werden –  egal ob FB Messenger, Skype oder WeChat.

Grundsätzlich lohnt es also, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Euer Ansatz ist dann ja letztlich ein sehr gutes Grundgerüst, um sich den vielen Trends flexibel nähern zu können, oder?

Genau das macht auch Microsoft aus. Wir stürzen uns nicht zu 100 Prozent auf einzelne Themen, sondern sind ein Plattform-Anbieter. Wir haben eine super solide Cloud-Plattform, die global verfügbar ist. All unsere Lösungen basieren auf diesem System. Und dann haben wir die unterschiedlichsten Partnern-Lösungen, die wir integrieren können.

Zum Abschluss: Was wünschst du matchplan mag zum Start?

Ich glaube, was wir brauchen, ist ein Blog, der sich stark auf das Thema Digitalisierung im Sport fokussiert. Es gibt viele schöne Seiten, aber die neuen (Digital-)Themen kommen auf vielen vorhandenen Sport-Plattformen einfach immer noch zu kurz.

Wir sehen in vielen Vereinen immer mehr Digital-Verantwortliche, die bei den aktuellen Angeboten nicht wirklich gut aufgehoben sind. Wohin geht der gute CDO eines Bundesligisten und informiert sich über digitale Lösungen und Trends? Das tut er vielleicht in den gängigen Digital-Magazinen, aber die sind weit weg vom Sport.

Von daher: Viel Erfolg!

Peter, vielen Dank für das spannende Gespräch!

Übrigens, hier gibt es alle Infos zur „expert week“ und zum Start von matchplan mag.

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.

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