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Was Experten vor 20 Jahren zur Mobilität vorausgesagt haben – und was davon eingetroffen ist

geschrieben von Marinela Potor

Fliegende Autos, Virtual Reality statt Reisen und das Ende des Verbrennungsmotors: So stellten sich deutsche Experten vor 20 Jahren die Mobilität der Zukunft vor. Was davon ist eingetroffen? Womit lagen die Fachleute völlig daneben? Wir haben uns sieben Zukunftsprognosen zur Mobilität aus dem Jahr 1997 angeschaut und den Realitätscheck gemacht.  

1. Autos werden aus Plastik sein

Die Prognose

Autos werden nicht mehr aus Stahl, sondern aus Aluminium und Kunststoff gebaut.

Die Visionäre

Zu dieser Schlussfolgerung kamen 1997 Horst E. Friedrich und F. Welsch. Sie glaubten, dass Stahl langfristig zu schwer und ineffizient sei und die Automobilbranche deshalb auf leichtere Baustoffe umsteigen würde.


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Der Realitätscheck

Die Ingenieure lagen absolut richtig. Leichtbau spart Kosten und Energie und ist aktuell, nicht nur für Autos, der absolute Renner im Fahrzeugbau. Doch was die beiden vor dem Durchbruch des 3-D-Druckes nur ansatzweise ahnen konnten: Es gibt mittlerweile Autos, die nicht nur zum größten Teil aus Plastik bestehen, sondern sogar auch noch ausgedruckt werden.

2. Virtual Reality statt Reisen

Bild: Inflight VR

Die Prognose

Virtualität und Cyberspace werden teilweise zum Reiseersatz.

Der Visionär

Michael Rotpart glaubte schon vor 20 Jahren, dass Reisen sich vom „Orte ansehen“ zum „Orte erleben“ wandeln werde. Dabei würden virtuelle Reiseerlebnisse eine immer größere Rolle spielen. Ganz nach dem Motto: „Sag mir wie du reist und ich sag dir, wer du bist.“

Der Realitätscheck

Die Suche nach dem „ultimativen Reiseerlebnis“ ist zum Volkssport geworden und VR hat das Reisen zwar nicht ersetzt, dafür aber ergänzt. Neben VR-Touren, in denen Urlauber schon im Vorfeld ihre Reiseziele anschauen können, gibt es auch Konzepte, um VR in Flugzeugen einzubauen.

3. Bye bye, Verbrennungsmotor

Die Prognose

In 20 bis 30 Jahren wird der Verbrennungsmotor auslaufen.

Die Visionäre

In einem Tagespiegel-Artikel wurde das nahende Ende des Verbrennungsmotors prophezeit. Demnach werde die Autoindustrie im Jahr 2017 fieberhaft daran arbeiten, umweltfreundlichere Antriebsformen als Alternativen zu Diesel- und Benzinmotoren zu finden.

Der Realitätscheck

Völlig daneben lagen die Autoren nicht. Auch wenn sein Aus noch nicht in Sicht ist, scheint es, als ob der Verbrennungsmotor langsam aber sicher zum Auslaufmodell wird. Anders als die Journalisten glaubten, sind es aber nicht die Hybridmotoren, die die Autos der Zukunft ausstatten werden. Denn seit dem Durchbruch der Lithium-Ionen-Akkus arbeitet so ziemlich jeder Autobauer an einer Alternative, der 1997 nur wenige Experten Erfolgschancen ausrechneten: Elektromotoren.

4. Nur Spinner fahren Falträder

Die Prognose

Klappfahrräder sind nur etwas für Spinner.

Der Visionär

So ganz kann Zeit-Reporter Frank Drieschner seinen Spott nicht verbergen, wenn er über seinen Besuch der Faltrad-Messe in Bamberg berichtet. „Drinnen spazieren kaum mehr als dreißig Besucher zwischen den Ständen hin und her, überwiegend Männer zwischen dreißig und vierzig, offenbar fast durchweg Experten, deren Gespräche um Phänomene wie Rahmengeometrie, Kräftefluß und Rollwiderstand kreisen.“. Sein Fazit: hochinteressant, aber wohl nur ein ulkiges Gimmick für schrullige Männer.

Der Realitätscheck

Das Faltrad ist trendy! Nach einem Imagewechsel vom Spielzeug für nerdige Männer zum coolen Accessoire ist die Produktion der Klappräder kontinuierlich gestiegen. Doch mit einem hatte Frank Drieschner Recht: Das gute alte Rad ist immer noch da!

5. Wasserstoff für Flugzeuge braucht keiner

Roaming simply

Die Prognose

Wasserstoff als Antrieb in Flugzeugen? Brauchen wir nicht!

Der Visionär

Dr. Joachim Nitsch, Leiter der Abteilung „Systemanalysen und Technikbewertung“ bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart sagte vor 20 Jahren:  „Es besteht keine Notwendigkeit für eine rasche Markteinführung von Wasserstoff im Rahmen der gegenwärtigen Energiepolitik.“ Bis dahin galt der Wasserstoff, der leichter und energiereicher als Kerosin ist, vor allem in der Luftfahrt als Antrieb der Zukunft. Doch die Zeiten für Wasserstoff seien nun vorbei, so  Nitsch.

Der Realitätscheck

Offensichtlich können auch Experten in der eigenen Branche voll daneben liegen. Wenn es auch stimmt, dass Flugzeuge immer noch mit Kerosin betrieben werden, Wasserstoff ist wieder im Kommen. Es ist sogar die DLR selbst, die vornehmlich an der Entwicklung von wasserstoffbetriebenen Passagierflugzeugen arbeitet. Von der DLR stammt etwa das weltweit erste bemannte Flugzeug, das ausschließlich mit Brennstoffzellen angetrieben wurde und 2015 stellte die DLR der Öffentlichkeit HY4 vor, ein Konzept für ein Wasserstoffflugzeug für vier Personen.

6. Autos fliegen

(Bild: Airbus/Italdesign)

Die Prognose

Ab 2000 werden Autos fliegen.

Der Visionär

Dieser Satz stammt vom Aktionskünstler Christoph Schlingensief. Es ist allerdings nicht ganz klar, wie ernst Schlingensief es damit war, als er vor 20 Jahren diesen Satz in einem Spiegel-Interview sagte.

Der Realitätscheck

Auch wenn Christoph Schlingensief wohl nicht als Mobilitätsexperte (im klassischen Sinn) bezeichnet werden kann, so ganz falsch lag er nicht. Von Airbus über Lilium bis hin zu Tesla und Uber gibt es weltweit die ersten Modelle von fliegenden Autos. Ganz so schnell wie vorausgesagt ging es dann aber doch nicht. Ein voll funktionsfähiges fliegendes Auto haben wir bisher immer noch nicht.

7. Die Deutschen steigen auf Carsharing um

Die (vorsichtige) Prognose

Wenn die Deutschen insgesamt erleben, wie sinnvoll Carsharing sein kann, werden immer mehr Nutzer auf das Modell umsteigen.

Die Visionärin

Katrin Gillwald untersuchte im Rahmen eines Working Papers für das Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, ob Carsharing in Deutschland eine Zukunft hat. Ihre Schlussfolgerung: Ja, aber nur wenn viele Menschen vom Nutzen überzeugt werden können.

Der Realitätscheck

Peer-to-Peer, Carsharing und Plattformöknomie gehören mittlerweile zum Standardvokabular wenn wir von modernen Mobilitätskonzepten sprechen. Carsharing in Deutschland ist tatsächlich im Kommen, wenn auch derzeit noch viel Skepsis herrscht. So behält Katrin Gillwald auch zwei Jahrzehnte nach ihrem Working Paper Recht: Das Modell kann nur funktionieren, wenn es eine kritische Masse überzeugt. Deutschland scheint (noch) nicht ganz so weit zu sein wie Gillwalds Prognose vor 20 Jahren.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

Kommentare

  • Ich würde sofort auf Carsharing wechseln, wenn die Kosten absehbar geringer wären als für den Unterhalt eines eigenen Fahrzeugs und die Verfügbarkeit gewährleistet wäre. Dies wäre natürlich möglich, da die intensivere Nutzung des Fahrzeugs neben einer längeren Lebensdauer in Arbeitsstunden, umgerechnet günstigeren Versicherungsbeiträgen und günstigen Preisen für den massenhaften Erwerb durch B2B sowie sparsamen Motoren durch moderne Fahrzeuge eine Menge Sparpotential besteht. Aber vermutlich werden in weitgehend monopolisierten Märkten und aufgrund der Gewinnerzielungsabsicht in absehbarer Zeit keine bezahlbaren Preise angeboten. Zumal die Kalkulation der Fahrzeuge vermutlich von 0.20-0.30 Euro Wertverlust pro Kilometer enthalten würde, was nicht nur völlig unrealistisch ist, sondern zudem keine Konkurrenz zu alten Gebrauchtwagen.

    • Hallo Nina,
      danke erstmal für den Kommentar. Tja, viele Experten sagen auch, dass Unternehmen wie Car2Go die Preise nur deshalb niedrig halten können, weil ein großes Unternehmen wie Mercedes-Benz dahinter steht, anders wäre das nicht haltbar. Wenn es aber eine weitere Öffnung des Marktes gibt, bzw. ein Unternehmen mal ein gutes, sicheres, überzeugendes und vor allem deutschlandweit verlässliches Angebot offeriert, könnte ich mir schon vorstellen, dass Nutzer umsteigen.

      Menschen sind halt faul und geizig, und aus reinem Idealismus steigt keiner komplett auf Carsharing um.