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DFB: Change Management à la Jürgen Klinsmann (2/2)

DFB: Change Management à la Jürgen Klinsmann
geschrieben von Philipp Ostsieker

„Der Erfolg von 2006 ist eher Löw als Klinsmann anzurechnen.“ „Klinsmann war vor allem Motivator und Pressebespaßer, während Löw im Hintergrund die Fäden gezogen hat.“ Dies ist der Tenor in der deutschen Medien- und Fan-Szene. Warum diese Aussagen Jürgen Klinsmanns Arbeit nicht gerecht werden, lest ihr im zweiten Teil der Change-Management-Betrachtung beim DFB ab 2004.

Genau wie bei der Makro-Betrachtung greife ich auch für die Mikro-Betrachtung auf die Ausführungen von Prof. Dr. Wolfgang Jenewein zurück. Mit seinem Team versucht er herauszufinden, wie Jürgen Klismann innerhalb von nur zwei Jahren ein erfolgreicher Change-Management-Prozess beim DFB gelingen konnte. Die ausführliche Version der Analyse im Harvard Business Manager könnt ihr hier herunterladen.

Laut Prof. Dr. Jenewein kommt es beim Wandel eines Unternehmens nicht nur auf organisatorische (Makro-)Veränderungen an. Das Team um Jürgen Klinsmann musste auch auf der Mikroebene jeden einzelnen Akteur für sein großes Change-Projekt gewinnen. Der entsprechende Führungsstil besteht laut Jenewein aus vier wichtigen Facetten, den sogenannten vier „I“.


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1. Identifizierend: Rückgrat auch bei Gegenwind

Jürgen Klinsmann positionierte sich als starke Identifikationsfigur. Seine Erfolge als Spieler bescherten ihm durchaus einen Vorsprung. Entscheidend aber war das Verhalten des Führungstrios über die vollen zwei Jahre.

Die Verantwortlichen demonstrierten Zusammenhalt und Standhaftigkeit. Zudem ließen sie sich auch bei unpopulären Personalentscheidungen oder Misserfolgen nicht beirren.

Thomas Hitzlsperger im Harvard Business Manager: „Man spürte einfach in jeder Phase des Projektes, dass  Klinsmann ein Vollprofi ist, der genau weiß, was er tut. Das gab uns Sicherheit und Zuversicht.“

Auch unabhängig vom Fußball: Ein Vorgesetzter, der es allen Parteien immer recht machen möchte, verliert an Authentizität. Ein guter Change Manager zeigt Rückgrat in schwierigen Phasen.

Michael Ballack damals: „Jürgen Klinsmann zog sein Ding durch, auch wenn es einmal nicht so gut gelaufen ist. Ich fand es beeindruckend, dass er sich und seiner Linie immer treu geblieben ist.“

2. Inspirierend: Jürgen Klinsmann setzt auf Bild & Ton

Durchdachte Strukturen waren vorhanden. Doch diese mussten mit Leben gefüllt werden. Jürgen Klinsmann und sein Team wiesen die Spieler kontinuierlich auf das große Ziel, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, hin.

Der Bundestrainer setzt auf Bild und Ton. 2005 sahen 40 Nationalspieler das Motivationsvideo „Herausforderung 2006“. Das Bildmaterial: die großen Momente des deutschen Fußballs, insbesondere von den WM-Siegen 1954, 1974 und 1990. Die Musikauswahl: „Lose yourself“ von Eminem.

Der Funke sprang auf die Mannschaft über. Und auch bei der WM 2006 dienten Highlight-Videos vor jedem Spieler zur Motivation des Teams. Musik und Videos seien nicht von Beginn geplant gewesen, so Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann.

Die Gefahr: Oft wirken solche Elemente künstlich. Speziell im Sport ist die Chance aber hoch, Spieler emotional von einem Ziel zu begeistern. Mitarbeiterführung werde oft die Austauschbeziehung Belohnung gegen Leistung reduziert. Besonders in Krisenzeiten reiche dies aber laut Wolfgang Jenewein nicht aus.

3. Intellektuell: Konfuzius sagt…

…: „Erkläre es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde mich erinnern. Lass es mich selbst tun, und ich werde es verstehen.“

Was notorische Kritiker als „Küchen-Philosophie“ bezeichnen würden, spiegelte sehr gut den Kerngedanken der DFB-Führung wieder. Es ging darum, die Spieler stärker als gewohnt mit einzubeziehen. Ein Beispiel: Vor jedem Spiel sollte ein Teammitglied, meist ein Ersatzspieler, eine Kabinenansprache halten.

Neben einem organisatorischen Leitbild gab es auch das Leitbild „des selbstverantwortlichen, offenen und interessierten Spielers“. Das Team sollte dafür auch von spannenden Persönlichkeiten lernen, egal ob Unternehmensberater oder Extrembergsteiger.

Innerhalb des Teams testete das Führungstrio 39 unterschiedliche Spieler. Teilweise verzichteten Klinsmann & Co. sogar bewusst auf Stars, um auch den jungen Spielern zusätzliches Selbstvertrauen zu schenken.

In vielen Organisationen ist wenig Platz für Neues. Das geschieht nicht immer bewusst. Dennoch verpassen es Führungskräfte Innovationen und Ideen ihrer Mitarbeiter zu würdigen. Das Involvement der Basis sinkt, die Abhängigkeit von einem einzelnen Akteur steigt.

4. Individuell

Besonders in einem Team-Sport besteht die Gefahr, dass Team-Ergebnisse über die Stärken und Schwächen Einzelner hinwegtäuschen. Einzelgespräche oder -analysen entfallen, der Trend geht zum Mittelmaß.

Und Mittelmaß wollten die DFB-Innovatoren unbedingt vermeiden. Einzelgespräche und Individualtrainings waren an der Tagesordnung. Jeder Spieler profitierte von individuellen Trainings- und Tagesplänen. Videoanalysen fanden vor allem positionsbezogen statt.

„Ich will jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“. Zugegeben, dieses Zitat von Jürgen Klinsmann entstammt aus seiner Anfangszeit beim FC Bayern München. Und dennoch passt es so viel besser zu seiner Zeit als Bundestrainer, wenngleich er beim DFB nicht jeden Spieler jeden Tag trainieren konnte. Die Spieler merkten, dass es für jeden von ihnen einen spezifischen Plan gab, der für den Team-Erfolg von Relevanz sein würde.

2009 ergänzte Klinsmann seine Aussage in der FAZ: „Ein Trainer kann nur helfen, damit sich ein Spieler selbst besser macht. Ein Trainer kann einen Spieler nicht besser machen. Der Antrieb muss beim Spieler selbst liegen.“

Jürgen Klinsmann über seine Zeit beim FC Bayern: „Ich bin beim FC Bayern an meine Grenzen gestoßen. Ich hatte zu viel damit zu tun, an Besitzständen zu rütteln und sie einzureißen, anstatt ruhig an der Weiterentwicklung der Mannschaft zu arbeiten. Ich bin beim FC Bayern mit Menschen zusammengetroffen, die komplett anders denken. Im Nachhinein war es deshalb auch ganz gut und richtig, dass man sich getrennt hat.“

Das Scheitern als Vereinstrainer übersteigt in der Wahrnehmung oftmals die erfolgreiche Zeit als Bundestrainer und Change Manager. Dabei stellen wir fest: Der Wandel war und ist nachhaltig. Dafür haben in Folge insbesondere Joachim Löw und Oliver Bierhoff gesorgt. Für die Initialzünding darf sich Fußball-Deutschland aber auch bei Jürgen Klinsmann bedanken.

Hier geht es zu DFB: Change Management à la Jürgen Klinsmann (1/2).

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.