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DFB: Change Management à la Jürgen Klinsmann (1/2)

DFB: Change Management à la Jürgen Klinsmann
geschrieben von Philipp Ostsieker

Es ist äußerst schwierig, eine ehemals erfolgreiche, sich in der Krise befindliche Organisation zu verändern. Jürgen Klinsmann und sein Team standen 2004 genau vor diesem Problem. Mit dem Erreichen des dritten Platzes bei der WM 2006 bewiesen sie, dass es funktionieren kann.

Prof. Dr. Wolfgang Jenewein äußerte sich dazu 2008 ausführlich im Harvard Business Manager. Mit seinem Team versucht er herauszufinden, wie innerhalb von nur zwei Jahren ein erfolgreicher Change-Management-Prozess beim DFB gelingen konnte.

In diesem Teil betrachten wir das Change-Management-Projekt beim DFB auf Makro-Ebene. Die ausführliche Version könnt ihr hier herunterladen.


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1. Gefühl der Dringlichkeit schaffen

Jürgen Klinsmann hatte den deutschen Fußball seit 1954 analysiert. Sein Fazit: Sowohl der DFB als auch die deutsche Nationalmannschaft wären dringend reformbedürftig. Einige Beispiele: kaum aktive deutsche Nationalspieler im Ausland sowie Defizite in Trainingslehre und Sportwissenschaften.

Klinsmann damals: „Während sich unsere ausländischen Konkurrenten weiterentwickelten, haben wir uns in vielen Bereichen nicht bewegt. So gab es bei der deutschen Nationalmannschaft immer nur einen Trainer und einen Co-Trainer, die für alles zuständig waren. Man hat die Dinge nicht hinterfragt. Man hat immer mit den gleichen Strukturen gearbeitet. Dabei ist so viel Geld im Spiel, da muss es doch auch eine professionelle Betreuung des Kaders in allen Bereich geben.“

2. Starke Führungskoalitionen etablieren

Eines stand direkt fest: Klinsmann wollte nur mit den „besten der Besten“ zusammenarbeiten. Die Verantwortung sollte auf mehrere Schultern übertragen werden. Dennoch verlangte er die alleinige Entscheidungskompetenz für alle sportlichen Themen. Klinsmann gegenüber Harvard Business Manager: „Mein Führungsteam sollte neben Co-Trainer, Manager, Sportpsychologen, Fitnesscoach, Chefscout und Medienbeauftragten auch ein Nationalmannschaftsbüro für die Abwicklung sämtlicher organisatorischer Belange umfassen. Ich wollte ein hochprofessionelles Umfeld mit Teammitgliedern schaffen, denen ich blind vertrauen konnte. Bei diesen Forderungen war ich kompromisslos und ich sagte dem DFB: „Wenn ihr mich haben wollt, dann machen das so oder gar nicht.““

In Folge gewann Klinsmann sowohl Joachim Löw (Assistenztrainer) als auch Oliver Bierhoff (Teammanager) dazu. Diese zwei Personalentscheidungen sollten sich als besonders nachhaltig erweisen.

3. Vision und Strategie entwickeln und kontinuierlich kommunizieren

Die Vision war mutig, ja fast abwegig: „Wir wollen 2006 im eigenen Land Weltmeister werden.“ Das Führungstrio ergänzte das sportliche Ziel durch eine weitere Komponente. Man wollte die Menschen in Deutschland wieder für Fußball begeistern. Am schönsten sagte es Oliver Bierhoff: „Jedes Kind in Deutschland soll wieder den Wunsch haben, Nationalspieler zu werden.“

Dies hatte auch Einfluss auf die Strategie und Spielphilosophie. England galt als das Maß aller Dinge, zumindest hinsichtlich Energie und Emotionen. Fehler sind besser als Abzuwarten, Raumgewinn besser als Ballbesitz.

In die Strategiefindung waren auch die Spieler involviert. Fazit: Es musste eine offensive und aggressive Spielstrategie her. Wo es nur ging, wurden Strategie und Vision wiederholt und vermerkt.

4. Eigendymanik ermöglichen und umfassende Handlungsfreiheit einräumen

„Grau is alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz.“ Das wussten auch Klinsmann, Löw und Bierhoff. Schließlich mussten die klugen Ideen auch umgesetzt werden.

Klinsmann übernahm die unterschätzte Rolle als Moderator ein. Er hatte die „besten der Besten“ gefordert, nun ließ er also die Experten ihrer Arbeit nachgehen. Das Team achtete dabei auf die strenge Trennung sportlicher und organisatorischer Aufgaben.

Die sportliche Bilanz ließ sich zum Start durchaus sehen. Ganz ruhig wurde es dennoch nicht um das Change-Projekt. So traf das Team um Klinsmann etwa einige unpopuläre Personalentscheidungen. Die qualitative Entwicklung der Mannschaft stand im Vordergrund. Dafür nahmen die Verantwortlichen teils deutliche Kritik auf sich.

5. Sichtbare Erfolg erzielen und sichern

Als WM-Gastgeber absolvierte das DFB-Team keine wirklichen Härtetests. Nur mit Testspielen war es schwierig trotz Vision, Strategie und neuen Prozessen kurzfristige Erfolge aufzuzeigen.

Etwa ein Jahr nach Amtsantritt fand der Confederations Cup in Deutschland statt. Die deutsche Mannschaft wurde nach einer guten Turnierleistung Dritter. Darüber hinaus schaffte es das Team, die geplante offensive Spielkultur umzusetzen.

Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann damals: „Die Spieler haben gemerkt: Was Jürgen Klinsmann uns erzählt, das stimmt wirklich. Die Taktik, die Fitness, die Psyche, das Umfeld – alles läuft gut, und plötzlich hat man begonnen an die Vision, den Gewinn der Weltmeisterschaft, zu glauben. Der Cup war gewissermaßen der proof of concept.“

6. Neue Ansätze im Alltag verankern

Laut Wolfgang Jenewein sind Change-Projekte oft auf eine Person fokussiert. Der Verdacht lag auch im Falle Jürgen Klinsmann nahe. Doch so weit kam es nicht. Das Projekt wurde nicht zum „Klinsmann“-, sondern zum „DFB-Projekt“. Dieser Fakt wurde auch nach seinem Rücktritt 2006 deutlich. Löw und Bierhoff übernahmen nahtlos das Projekt und führen es seitdem weiter.

Klinsmann damals: „Die Lösung der Probleme kam nicht aus einer Einzelperson, sondern aus der Gemeinschaft heraus – Führen heißt, einer Sache zu dienen.“

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.

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