Reisen im Wohnmobil liegt für die meisten irgendwo zwischen Spießerurlaub und unbezahlbar. Das will Paul Camper jetzt ändern. Die Sharing-Plattform, auf der Camper-Besitzer ihre eigenen Fahrzeuge vermieten können, ist so etwas wie das „Airbnb für Camper“ und hat sich in wenigen Jahren von einem Ein-Mann-Betrieb zu Deutschlands erfolgreichster Peer-to-Peer-Plattform für private Campervermittlung entwickelt.
Wohnwagen sind teuer. Das gilt sowohl für Besitzer, die sich einen Neuwagen für Zehntausende von Euros anschaffen, als auch für Mieter, die bei Wohnmobilvermietern für einen Campingurlaub viel Geld hinblättern müssen. Hinzu kommt, ähnlich wie beim Boatsharing oder Carsharing, dass der eigene Campervan im Schnitt maximal drei Wochen pro Jahr genutzt wird. Den Rest der Zeit, steht er einfach herum und verliert dazu noch an Wert. Genau für dieses Problem gibt es seit 2013 in Deutschland eine Lösung: Paul Camper.
Airbnb für Wohnmobile
Auf dieser Plattform bringt Gründer Dirk Fehse Vanbesitzer mit Mietern zusammen. Aktuell finden hier 1700 Camper und 10.000 Mieter in Deutschland und den Niederlanden zusammen. In den kommenden Jahren soll die Webseite europaweit Nutzer erreichen.
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Das Prinzip ist ähnlich zu vielen anderen Sharing-Plattformen. Ein interessierter Mieter startet eine Suchanfrage und kann diese nach Ort, Datum und Art des Wohnmobils filtern. Finden Nutzer ein passendes Angebot, schicken sie eine Art „Bewerbung“ an die Besitzer, stellen sich vor und erklären das Ziel ihrer Reise. Im Anschluss – und hier unterscheidet sich Paul Camper von Plattformen wie Airbnb – haben die Vanbesitzer Zeit, die potentiellen Mieter kennenzulernen. Das ist im Mindestfall ein Telefonat und im Idealfall ein persönliches Treffen, bevor der Vertrag zustande kommt.
Die günstigsten Angebote auf der Seite liegen bei 55 bis 59 Euro pro Tag, ohne Aufpreis oder versteckte Zusatzkosten, wie das Unternehmen versichert. Für Mieter ist dies damit bedeutend günstiger als die klassische Wohnmobilvermittlung. Wohnmobilbesitzer können so sogar ihre Camper komplett refinanzieren. Paul Camper wiederum verdient pro Transaktion 15 Prozent. Im Schnitt wird ein Camper acht bis zehnmal pro Jahr vermietet.
Aktuell können die Wohnmobile von Personen zwischen 23 und 75 Jahren, die mindestens drei Jahre lang einen Führerschein haben, gemietet werden. Die Kunden sind bunt gemischt und reichen von jungen Pärchen über Familien in Elternzeit bis hin zu älteren Ehepaaren.
Anfangs lief der ganze Prozess noch komplett manuell ab, die Vermieter mussten sogar für die Versicherung in Vorleistung treten. Einige Investoren und eine Finanzierungsrunde später, ist die Webseite voll automatisiert und Paul Camper hat mit einer Versicherungsgesellschaft einen ganz spezielles Versicherungspaket (Kfz-Versicherung, Haftpflichtversicherung und europaweiter Schutzbrief) herausgearbeitet.
Ein Camper namens Paul
Was so einfach klingt, war für Gründer Dirk Fehse aber kein leichter Weg. Alles begann mit einer Reise im Campervan durch Australien. Dirk Fehse war damals noch im Studium und wollte mit der Reise aus dem Alltagstrott ausbrechen. Bei seiner rustikalen Reise lernte Fehse recht schnell, dass das flexible, unabhängige Reisen im Wohnmobil für ihn ideal war. Eine Überraschung.
Denn Fehse kommt weder aus einer Camper-Familie noch war ihm – als stets bis zur gezupften Augenbraue herausgeputztem Student – das minimalistische Reisen als besonders erstrebenswert erschienen. „Ich habe damals aber zum ersten Mal gemerkt, dass man eigentlich nur ganz wenige Dinge braucht, um glücklich zu sein“, erzählt er im Interview mit Mobility Mag.
Zurück in Deutschland wollte er seine Wohnwagenabenteuer fortsetzen, bis er feststellte, wie teuer es eigentlich ist, einen eigenen Wohnwagen zu kaufen oder zu mieten. Mit Unterstützung seiner Eltern kaufte er sich schließlich einen VW T 4, den er Paul nannte. Für Dirk Fehse war damals schon klar, dass er sich Paul nur leisten konnte, wenn er ihn nebenher vermieten würde. So bot er ab 2011 seinen Camper Paul über die Kleinanzeigen auf Ebay an. Innerhalb von wenigen Wochen hatte er seinen Camper für das ganze Jahr ausgebucht. Die Idee zu Paul Camper war geboren.
Der Gründer, der nie einer sein wollte
Was nach einer gähn-langweiligen klassischen Gründerstory klingt, ist eher die sehr persönliche Entwicklung eines jungen Mannes, von jemandem, der nie ein Unternehmen gründen wollte, zu einer Start-up-Erfolgsgeschichte. Denn Dirk Fehse hatte lange Zeit Angst davor, sich selbstständig zu machen – und vor allem davor zu scheitern.
Als jemand, der in der ehemaligen DDR geboren wurde, waren ihm kapitalistische Risikogedanken recht fremd. „Für mich bestand das Leben ganz lange aus vier Säulen: Familie, Freunde, Job und Beziehung“, sagt Fehse. Als seine Beziehung in die Brüche ging und er anschließend seinen Job in der Wirtschaftsberatung immer mehr in Frage stellte, wurde ihm klar: „Ich hatte ganz lange einen wichtigen Bestandteil vergessen – das Ich.“
Dirk Fehse wurde klar, dass er – mehr für sich selbst als aus finanziellen Gründen – seine Idee zu Paul Camper in ein ernsthaftes Business entwickeln wollte. Angespornt durch einen Design-Thinking-Workshop wagte er sich schließlich in die Selbstständigkeit: „Am 1. Januar 2013 habe ich offiziell meinen Gewerbeschein zum Vermieten von Wohnmobilen eingereicht.“
Das Hipp-Babybrei-Prinzip
Was damals von der Profilerstellung bis hin zur Buchung noch komplett manuell über Excel-Tabellen und E-Mails ablief, hat sich vier Jahre später – laut Eigenaussage – zu Deutschlands erfolgreichster und authentischster privater Sharing-Plattform für Camper gemaustert. Auf die Frage, woran er das eigentlich fest macht, antwortet Dirk Fehse trocken: „Gibt es denn eine andere vergleichbare Plattform?“
Tatsächlich gibt es einige Punkte, die Paul Camper aus der Masse der klassischen Internet-Wohnmobilvermietung herausheben. Zunächst ist es Fehse sehr wichtig, dass Paul Camper eine Peer-to-Peer-Plattform war, ist und bleibt. Das heißt, auf Paul Camper können nur Privatpersonen ihre eigenen Fahrzeuge vermieten. Kommerzielle Anbieter sind Tabu. „Das ist schließlich unsere Philosophie. Wir können ja nicht P2P sagen und B2P anbieten“, erklärt Dirk Fehse. Dahinter steckt der Wunsch, mit Paul Camper nicht nur eine lukrative Plattform zu schaffen, sondern eine aktive Camper-Community aufzubauen.
Und genau hier kommt das zweite Alleinstellungsmerkmal ins Spiel: Die viel beworbene Authentizität von Paul Camper. Deswegen sehen Nutzer auf der Landingpage kein anonymes Logo, sondern Dirk Fehses Gesicht. Das Team wird – natürlich mit Fotos – vorgestellt. „Wir machen das ganz nach dem Hipp-Babybrei-Prinzip: Dafür stehen wir mit unseren Namen!“
Und mit seinem Gesicht, „damit Nutzer ein Gesicht vor sich haben, in das sie notfalls reinboxen können.“ Er wolle Nutzern zeigen, dass hinter Paul Camper engagierte Personen und keine anonyme Firma stecke. So sind alle 35 Mitarbeiter im Team leidenschaftliche Camper und – eine weitere Besonderheit von Paul Camper – zweimal im Jahr veranstaltet das Start-up Community-Treffen.
Feedback beim Bierchen am Lagerfeuer? Unbezahlbar
Zum Anfang und zum Ende der Saison trifft sich das Team mit den Vermietern der Plattform, natürlich auf dem Campingplatz. Es gehe dabei darum, dass die Vermieter sich gegenseitig und das Team hinter Paul Camper persönlich kennenlernen können. Darüber hinaus veranstaltet das Team Workshops und gibt Tipps zur Vermietung und Profilerstellung. „Für uns ist das natürlich auch wertvolles Feedback, da wir so mitbekommen, was unsere Community sich wünscht und was wir verbessern können. Beim Bierchen am Lagerfeuer erfährt man natürlich ganz andere Sachen als man es jemals in einem Online-Feedbackbogen könnte“, sagt Dirk Fehse.
So hat das Unternehmen nach und nach mehr Dienstleistungen rund um das Thema „Campen“ aufgebaut. Das reicht von einem Blog mit Tipps zum Campen bis hin zu einem eBook-Reiseguide für Camper. Aktuell testet Paul Camper in einem Pilotprojekt mit einem Kooperationspartner eine neue Art von Wohnwagen, der für das Sharing-Prinzip optimiert ist.
Und das ist erst der Anfang. Fehse will mit Paul Camper am liebsten das Campen selbst neu definieren. Denn abgesehen vom Nischentrend #Vanlife, gilt der Urlaub im Wohnwagen in Deutschland immer noch als sehr spießig. Dabei müsse der Wohnmobilurlaub ja nicht immer die klassische Kleinfamilie mit Plastikzaun um den Camper sein, sagt Fehse. „Warum ist Campen nicht auch das Schlafen im Baumhaus oder abenteuerliches Zelten?“ Genau deshalb geht es ihm darum, Campen nicht als Urlaub im Fahrzeug, sondern als Lebensgefühl zu vermitteln.
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