Flixbus expandiert also in die USA. Aktuell gibt es weder einen konkreten Zeit- noch Streckenplan für das Fernbusunternehmen in den Vereinigten Staaten. Das ist auch gut so, denn wenn Flixbus in den USA erfolgreich operieren möchte, muss sich das Münchner Unternehmen extrem gut vorbereiten. Ein Kommentar.
In der vergangenen Woche kündigte Flixbus an: Wir starten in den USA. Einige Mitarbeiter sind bereits in Los Angeles, um hier den Geschäftssitz aufzubauen und das US-Business für einen voraussichtlichen Start im Jahr 2018 vorzubereiten. Doch so erfolgreich das Fernbusunternehmen in Europa ist, so schwierig ist der Markt in den Vereinigten Staaten. Die Konkurrenz ist groß, die Kundschaft komplizierter. Nur wenn das Unternehmen sich von Anfang an clever positioniert, wird es die Herkulesaufgabe „US-Expansion” erfolgreich meistern können.
X-Faktor USA
Was ist so anders am US-Markt als am europäischen Markt? Zunächst ist die Ausgangslage eine ganz andere. Als Flixbus 2013 in Deutschland startete, war der Fernbusmarkt hierzulande ein völlig unbeschriebenes Blatt. Es gab zwar viele Konkurrenten, aber alle fingen von Null an. So konnte Flixbus sich recht schnell aufgrund seiner aggressiven Preispolitik als Marktführer durchsetzen und mehr oder weniger die gesamte Konkurrenz schlucken.
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In den USA sieht die Situation ganz anders aus. Hier gibt es seit über 100 Jahren einen Fernbusmarkt, mit etablierten Konkurrenten. Besonders zu erwähnen sind hier Marktführer Greyhound und Megabus. Megabus ist vor rund elf Jahren ins US-Geschäft eingestiegen, interessanterweise mit einem Modell, das stark an Flixbus erinnert. Megabus konzentriert sich auf wenige, beliebte Strecken innerhalb einer Region, bietet bei früher Buchung Tickets ab einem US-Dollar an und hat mit Pünktlichkeit, freundlichen Fahrern und mehr Luxus an Bord (bequemere Sitze, WLAN, saubere Toiletten) viele Greyhound-Kunden abgegriffen.
Andere kleinere Fernbusanbieter konzentrieren sich ebenfalls auf ein sehr spezifisches Marktsegment. Das mögen einige wenige Strecken sein, in denen Unternehmen mehr Fahrten zu besseren Zeiten und günstigeren Preisen als Greyhound anbieten. Das kann aber auch ein Angebot sein, dass auf eine sehr spezifische Kundengruppe ausgerichtet ist. Grupo Senda bietet beispielsweise vor allem Fahrten zwischen den USA und Mexiko an.
Keiner hat, was Greyhound anbietet
Greyhound wiederum operiert seit 1914, ist traditionell als DAS Fernbusunternehmen bekannt und bietet das an, was außer Greyhound tatsächlich kein anderes Fernbusunternehmen in den USA anbietet: Ein landesweites Streckennetz. Wer tatsächlich so abenteuerlustig ist und sehr viel Geduld hat, könnte theoretisch im Greyhound von Boston an der Ostküste quer durch die USA nach Seattle an die Westküste fahren.
Greyhounds Konkurrenten haben sich bisher auf Operationen in einer Region beschränkt, sodass für weite Strecken in den USA für Fahrgäste oft nur ein Busunternehmen in Frage kommt: Greyhound. Wenn auch der Service oft zu wünschen übrig lässt, Greyhound hat tatsächlich in den vergangenen Jahren aufgrund des erhöhtenKonkurrenzdrucks seinen Service verbessert und auch die Preise etwas gesenkt.
Konkurrenz auch von Billigfliegern
Das liegt nicht nur an Fernbusmitbewerbern wie Megabus oder Bolt Bus, sondern auch an neuen Billigfluglinien. Von Frontier über Allegiant bis hin zu Spirit haben einige neue Airlines extrem günstige Flüge im Angebot. Wer beispielsweise von Denver, Colorado nach Portland, Oregon fliegen will, kann mit Frontier Airlines einen Hinflug für rund 50 US-Dollar buchen und kommt in drei Stunden am Ziel an. Im Vergleich dazu kostet die Fahrt im Greyhound 115 US-Dollar – und dauert 30 Stunden.
Was bedeutet das alles für Flixbus? Flixbus kommt in einen Markt, der bereits sehr lebendig ist und bekommt Konkurrenten nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Luft.
Es wird also sehr spannend zu sehen, welche Strecken Flixbus zunächst wählen wird. Es ist zu erwarten, dass Flixbus sich auf die dichter besiedelten Gebiete in den USA konzentriert, die Ost- und Westküste. Hier trifft das Unternehmen aber auch auf die meisten Fernbus-Konkurrenten. Nun sind die Amerikaner grundsätzlich immer gerne bereit, etwas Neues auzuprobieren. Wenn Flixbus bessere Preise, attraktive Strecken und guten Service anbietet, kann das Konzept durchaus aufgehen. Hier ist natürlich die Frage aller Fragen: Wie lange kann es für ein Unternehmen rentabel sein, die Preise zu drücken – wenn die Konkurrenten nach dem gleichen Prinzip operieren?
Hinzu kommt, dass Flixbus einen weiteren unbekannten Faktor im US-Mix hat: den Fahrgast.
Warum Bus fahren, wenn ich ein eigenes Auto habe?
Die Mehrheit der Menschen, die aktuell in den USA Bus fahren, sind entweder Studenten oder Menschen, die sich kein eigenes Auto leisten können – also eher im unteren Preissegment angesiedelt. Die große Mehrheit der US-Bevölkerung hat, braucht und liebt sein eigenes Fahrzeug.
Außerhalb der Küsten, in weniger dicht besiedelten Gebieten, ist es unter anderem normal, 20 Minuten zum nächsten Supermarkt zu fahren. Zu Fuß gehen ist keine Option und öffentliche Transportmittel sind praktisch nicht vorhanden. Hier wurden ganze Städte rund um das Auto konzipiert, sodass es sogar mit dem Fahrrad schwierig oder einfach gefährlich ist, von A nach B zu kommen. So sind viele US-Amerikaner auf das eigene Auto angewiesen. Um zur Arbeit zu fahren, um einkaufen zu gehen, um die Kinder zum Sport zu fahren, um ins Kino zu gehen – schlichtweg um mobil zu sein. Road Trips sind zudem Teil der Kultur, Familienbesuche mit Autofahrten über mehrere Tage in einen anderen Staat nichts Ungewöhnliches und eine sechsstündige Fahrt zum Flughafen einer anderen Stadt wird als kurze Strecke empfunden.
Doch wenn ohnehin die meisten Menschen ihr eigenes Fahrzeug haben: Warum sollten sie Bus fahren? Für weite Strecken gibt es Billigflüge, für die Ultrakurzstrecken Uber, Lyft & Co. und für alles andere hat man sein Auto. Genau deshalb hat sich auch bislang kein anderes Busunternehmen außer Greyhound – und zu einem gewissen Grad Megabus, wenn auch sehr beschränkt – an die große, weite Mitte des Landes gewagt.
Neue Kunden gewinnen? Mammutaufgabe!
Denn anders als an den Küsten und in den Großstädten, wo es tatsächlich einen Trend gibt, mehr auf öffentliche Transportmittel zu setzen als aufs eigene Auto, suchen Fernbusunternehmen im Mittleren Westen, in den Südstaaten oder in den Mountain States eher vergeblich nach Kunden. Hinzu kommt, dass Benzin in den USA keine große Ausgaben bedeutet. Aktuell zahlt man für eine Tankfüllung eines Mittelklassewagen etwa 15 Euro.
So gäbe es für Flixbus in einem großen Teil der USA zwar kaum Konkurrenten, dafür wäre es aber eine Mammutaufgabe, hier Kunden zu gewinnen. Aber auch nicht völlig unmöglich, wenn Flixbus klug vorgeht.
US-Erfolg für Flixbus ist ein weiter Weg
WENN Flixbus (und das ist ein großes „Wenn“) sich an den Küsten erfolgreich etablieren kann, wäre der nächste Schritt wahrscheinlich die Expansion in andere Gebiete. Wenn Flixbus wiederum tatsächlich wie angekündigt vor dem US-Start viele Daten sammeln wird, könnten interessante alternative Strecken im Landesinneren herauskommen.
Der Transport von Studenten aus den größeren Metropolen in die kleineren Unistädte wäre ein solches Beispiel. Auch gibt es eine Marktlücke in Sachen Flughafentransport. Tatsächlich fahren viele Amerikaner im Landesinneren viele Stunden zum nächstgelegenen Flughafen und parken dort ihre Autos für den zweiwöchigen Urlaub. Das sind Ausgaben im Bereich von 100 bis 500 US-Dollar, die viele Amerikaner zahlen, einfach weil es keine günstigere Alternative gibt. Auch hier könnte ein Fernbus zum Flughafen eine spannende Marktlücke für Flixbus sein.
Die vielen Konjunktive sowie Wenn und Aber zeigen jedoch schon: So leicht wie in Europa wird Flixbus es in den USA nicht haben. Alles hängt davon ab, wie clever Flixbus seine Strecken wählt, wie sehr der Service überzeugt und auch davon, ob Flixbus es schafft, eine neue Klientel in die Fernbusse zu bringen.
Eine wahre Herkulesaufgabe.
Es wird also spannend zu sehen, welche Strategie Flixbus wählen wird und wie, beziehungsweise ob überhaupt, sich das deutsche Fernbusunternehmen in den USA behaupten wird.