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„Voll autonome Fahrzeuge sehe ich noch nicht!“ – Experte Adrian Zlocki zur Zukunft der Mobilität

Straße Zukunft der Mobilität
geschrieben von Marinela Potor

Wie könnte unsere mobile Welt in 5, 15 und 50 Jahren aussehen? Genau das fragen wir in regelmäßigen Abständen Experten der Branche. Adrian Zlocki, Dozent und Bereichsleiter Fahrerassistenz am Institut für Kraftfahrzeuge (IKA) an der RWTH Aachen University glaubt: In 50 Jahren ist das eigene Auto in der Garage passé.

Fliegende Autos, autonome Fahrzeuge, Shared Mobility: Die Zukunft der Mobilität ist vielseitig. Genau deshalb wollten wir von Experten der Branche wissen, wie sie sich eigentlich die mobile Zukunft vorstellen.

Adrian Zlocki ist Dozent und Bereichsleiter Fahrerassistenz am IKA der RWTH Aachen University. Seit seiner Promotion an der RWTH Aachen University im Jahr 2010 ist er in der Fahrzeugforschung am Institut aktiv und leitet aktuell den Bereich Fahrerassistenz und automatisches Fahren am IKA. So sieht seine Vision zur Zukunft der Mobilität in 5, 10 und 50 Jahren aus.

Die Zukunft der Mobilität in 5 Jahren: Aktive Fahrzeugsicherheit wird automatisiert

Adrian Zlocki IKA RWTH Aachen

Bild: Adrian Zlocki

In fünf Jahren stell ich mir vor, dass wir tatsächlich erste Fahrzeuge mit weiteren Automatisierungsfunktionen auf der Straße haben und diese Fahrzeuge auch kaufen werden. Allerdings werden die automatisierten Funktionen noch sehr eingeschränkt sein. Das heißt, das Auto wird teilweise einige Aufgaben komplett übernehmen – in gewissen Situationen wie zum Beispiel im Stau oder auch auf Autobahnen in einigen Fällen.

Ich sehe allerdings in diesem Zeitraum noch keine Automatisierung im Stadtverkehr oder in komplexeren und komplizierteren Fahrsituationen. Dennoch werden wir in der Summe einen großen Sprung in Sachen Fahrzeugsicherheit, insbesondere der aktiven Fahrzeugsicherheit sehen. Das zeigen allein die Aktivitäten, Forschungen und Investitionen in vielen Start-ups, an Universitäten und natürlich auch von den Fahrzeugherstellern selbst.

Wir sehen jetzt schon immer mehr Umfeldsensoren im Fahrzeug – Radarsensoren, Kamerasensoren, Laserscanner oder auch die Eigenlokalisierung per GPS und in Zukunft über Galileo und GPS, über die hochgenauen Karten. All diese Sensoren und das daraus resultierende genaue Umfeldmodell, das dadurch in den Fahrzeugen erstellt wird, lassen neben der Fahrzeugautomatisierung auch immer mehr aktive Sicherheitssysteme zu. Dadurch werden zum Beispiel Notbremsassistenten oder Ausweichassistenten immer effektiver, was wiederum die Sicherheit im Straßenverkehr steigert. Ich glaube, dass die Automatisierung an sich Einzug erhalten wird, aber in fünf Jahren werden die Unterschiede zu heutigen Fahrzeugen noch nicht so signifikant sein.

Die Zukunft der Mobilität in 15 Jahren: Autos parken sich selbst

In 15 Jahren sehe ich insbesondere viele neue Konzepte der individuellen Mobilität. Heute haben wir ja ganz klassisch Privatfahrzeuge (PKWs), die Nutzfahrzeuge (LKWs) und den klassischen öffentlichen Nahverkehr (Bus, Bahn, Flugzeug, Schiff). Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir in 15 Jahren viel mehr unterschiedliche Mobilitätskonzepte sehen, wie zum Beispiel das Shuttle. Das bedeutet, dass man in naher Zukunft nicht mehr zwangsläufig mit seinem eigenen PKW von A nach B fährt. Stattdessen nutzt man zum Beispiel solch ein Shuttle. So fährt man beispielsweise zum Einkaufen im Shuttle. Den eigenen PKW nutzt man nur noch in ganz bestimmten Situationen, für Langstrecken etwa.

Ich denke auch, dass wir in 15 Jahren verstärkt automatisiert fahren. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir dann schon wirklich auch in der Stadt automatisiert fahren können. Ich halte diese urbanen Verkehrsszenarien immer noch für sehr komplex. Aber es ist durchaus realistisch, dass wir hier auch erste Ansätze in Serie erleben können.

Was wir ganz klar sehen werden, ist die Automatisierung beim Parken. Das bedeutet: Wir geben die Fahrzeuge am Parkhaus nur noch ab oder steigen schon vor dem Parkhaus aus und geben dem Fahrzeug den Befehl „Park dich!“ Das ganze Thema „Parkplatzsuche“, insbesondere im Parkhaus wird durch das Fahrzeug und durch die Funktionalität selber gelöst. Als Fahrer steigt man also nur ganz gemütlich aus. Wenn man auf dem Rückweg ist, ruft man sein Fahrzeug einfach. Sobald man dann am Parkhaus ankommt, steht das Auto schon bereit und man kann einsteigen.

Die Zukunft der Mobilität in 50 Jahren: Mobilität kaufen statt Auto besitzen

Es ist gut möglich, dass wir in so ferner Zukunft voll automatisierte Fahrzeuge auch in der Stadt haben werden. Die Frage ist aber: Werden wir dann noch Mischverkehr haben, also einen Mix aus automatisierten Fahrzeugen und menschlichen Fahrern? Ich denke, es wird in 50 Jahren eher so gelöst, dass dann alle Fahrzeuge im urbanen Raum, beziehungsweise in einem abgegrenzten Bereich um die Innenstadt herum, automatisiert sind und keine manuellen Fahrzeuge mehr in dieser bestimmten Zone fahren dürfen.

Ein Szenario, das vielen für diese Zeit vorschwebt, ist natürlich das fliegende Auto. Dann käme damit also noch die dritte Dimension dazu und man wäre nicht mehr nur noch an die Straße gebunden. In Summe würde ich tatsächlich den Mobilitätsfächer in 50 Jahren noch viel weiter aufspannen und ganz neue Konzepte denken.

Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass es dann noch sehr viele weitere Konzepte gibt und man selbst dann wirklich kein eigenes Fahrzeug mehr besitzten muss (aber natürlich immer noch kann), sondern nur noch Mobilität kauft. Man geht also nicht mehr zum Händler und kauft sein eigenes Auto. Stattdessen kauft man Mobilität und kann dann von A nach B durch unterschiedliche Konzepte transportiert werden. Sei es durch ein fliegendes Fahrzeug, durch ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, durch ein Shuttle, durch ein urbanes Schienen-Shuttle und so weiter. Das klassische Konzept von „ich besitze einen PKW, der zu 90% der Zeit in der Garage steht und wenn ich mal irgendwohin fahre, hole ich ihn heraus“wird sich verwandeln zu „ich kaufe eine Mobilitätskarte oder Mobilitätsvolumen.“

Wie bei einem Abo oder einer Flatrate können Nutzer dies dann aufbrauchen für eine Fahrt im Shuttle oder einen Transport im Zug. Ich sehe auch Angebote mit mehr oder weniger Privatsphäre. So wird es sicherlich Konzepte geben, die Nutzern mehr Raum geben, wie etwa ein Pod, in dem nur zwei oder drei Personen sitzen. Wer also mehr Privatsphäre auf dem Weg zur Arbeit möchte, kann dies bekommen. Wer darauf keinen Wert legt, fährt im Shuttle und all das zu entsprechend unterschiedlichen Tarifen. Man ist also nach wie vor so mobil wie heute, aber das eigene Fahrzeug in der Garage wird aber der Vergangenheit angehören.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

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