Grün

Busfahrer-Studie: „Man möchte als Mensch wahrgenommen werden“

Imagekampagne Busfahrer DB Regio Nächster Halt Playoffs
Mit Imagekampagnen wie dieser soll der Ruf der Busfahrer verbessert werden (Foto: Prof. Ralf Lobeck, AMD Akademie Mode & Design, Düsseldorf)
geschrieben von Marinela Potor

Hand aufs Herz: Erinnert ihr euch noch an euren letzten Busfahrer? Tatsächlich beachten die meisten von uns, wenn wir ganz ehrlich sind, die Busfahrer meistens gar nicht. Sie fahren uns von A nach B und fertig. Warum das so ist und was diese Gleichgültigkeit eigentlich mit den Busfahrern macht, haben Wissenschaftler der Hochschule Fresenius in einer Studie untersucht. Ihr Ergebnis: Wir sollten Busfahrer mehr als Menschen wahrnehmen.

Was denken wir eigentlich über Busfahrer? Das wollte ein Forscherteam der Hochschule Fresenius herausfinden und hat dazu in einer gemeinsamen Studie mit der DB Regio Bus sowohl Fahrgäste als auch Busfahrer befragt.

Warum die Ergebnisse überraschend waren und was wir vielleicht an unserem eigenen Verhalten beim Busfahren überdenken sollten, darüber haben wir mit Dr. Sabine Hammer vom Institut für komplexe Gesundheitsforschung an der Hochschule Fresenius gesprochen.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Home Office
Senior Social Media Manager:in im Corporate Strategy Office (w/d/m)
Haufe Group SE in Freiburg im Breisgau
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen

Alle Stellenanzeigen


Busfahrer werden nicht wahrgenommen

Mobility Mag: Frau Hammer, Sie wollten mit Ihrer Studie sehen, wie es um das gesellschaftliche Ansehen von Busfahrern bestellt ist. Was haben Sie herausgefunden?

Sabine Hammer Hochschule Fresenius

Sabine Hammer hat mit ihrem Team untersucht, warum Busfahrer so einen schlechten Ruf haben (Foto: Sabine Hammer)

Sabine Hammer: Uns ist einerseits klar geworden, dass die Leistung und die Verantwortung des Busfahrers enorm sind und die Fahrer auch mit großem Pflichtbewusstsein mit dieser Verantwortung umgehen. Es ist auch offensichtlich, dass der steigende Verkehr in den Städten ein immer größeres Problem wird und damit direkt die Busfahrer belastet.

Am erstaunlichsten für uns war aber, was für ein Schattendasein eine so wichtige Person führt. Sie werden ja zum Teil gar nicht wahrgenommen. Als wir zum Beispiel mal stichprobenartig Fahrgäste beim Aussteigen zum Busfahrer gefragt haben, hat mehr als die Hälfte gesagt, dass sie keine Ahnung hatten, wer da vorne eigentlich saß.

Woher kommt dieses Desinteresse an den Menschen hinterm Steuer?

Viele denken einfach nicht darüber nach, wer die Person ist, die den Bus fährt. Man steigt ein, kommt an, steigt aus – fertig. Das ist für uns selbstverständlich und wir denken, dass das so sein muss. Welche Arbeit die Busfahrer tatsächlich leisten, scheint vielen nicht besonders wichtig zu sein. Da fehlt ein wenig Verständnis und Anerkennung.

Als Vergleich: Wenn mir jemand die Tasche über die Straße trägt, sage ich auch „Danke“. Beim Busfahrer denken viele, das sei nicht nötig, seine Dienstleistung wird als selbstversändlich angesehen Klar, es ist sein Job, uns von A nach B zu fahren. Aber wenn er diesen gut macht, kann man das ruhig auch mal anerkennen.

Was macht denn dieses Verhalten mit den Busfahrern?

Es ist ja so, dass unser Beruf auch viel mit unserer Identität zu tun hat. Wir definieren uns über unsere Jobs. Dieses Ignorieren der Busfahrer wirkt sich natürlich auf die Menschen aus.

Wenn ich weiß, dass keiner mich wahrnimmt und die meisten meinen Job langweilig finden oder glauben, dass ich nichts besonderes leiste, dann übertrage ich das irgendwann auf mich als Person und bekomme möglicherweise das Gefühl, weniger wert zu sein.

Sie haben in Ihrer Studie Fahrgäste befragt. Interessanterweise sagen da sehr viele, dass sie den Beruf des Busfahrers als sehr wichtig ansehen. Woher kommt dann die Diskrepanz im Verhalten gegenüber den Busfahrern im Alltag?

Bei unseren Ergebnissen wird deutlich, dass es so etwas wie eine Dienstleistungserwartung gibt. Das heißt, man denkt, der Busfahrer ist eine Serviceperson, die muss mich transportieren, das ist ihr Job. Nach Möglichkeit soll das natürlich auch anständig, pünktlich und sicher vonstattengehen.

In vielen Köpfen ist dabei die Vorstellung, dass man die Busfahrer ja direkt für diese Dienstleistung bezahlt, wenn man eine Fahrkarte kauft. Auch wenn das natürlich nicht so ist, entsteht bei vielen Fahrgästen die Erwartungshaltung, dass der Service auch perfekt sein muss – denn man hat ja bezahlt.

Wenn es dann nicht perfekt klappt und der Bus mal Verspätung hat oder die Fahrt ruckelig ist, dann macht man als Fahrgast automatisch den Fahrer dafür verantwortlich.

Busfahrer trödeln nicht

Sind sie denn nicht auch dafür verantwortlich, wie pünktlich der Bus ankommt oder wie sie fahren?

Nein, eben nicht. Busfahrer können oft überhaupt nichts dafür. Genau hier fehlt einfach das Wissen bei den meisten von uns. Der Bus kommt ja nicht deshalb zu spät, weil der Fahrer trödelt, sondern weil die Taktung sehr eng ist und lange nicht mehr den modernen Verhältnissen angepasst wurde.

Sobald das Verkehrsaufkommen etwas größer ist, sind sie automatisch zu spät. Nur ist das nicht ihre Schuld. Auch beim ruckeligen Fahren liegt das zum Teil an einem Schutzmechanismus einiger Busse. Dieser verhindert, dass man sanft anfahren oder bremsen kann.

Das klingt aber ein wenig nach Entschuldigungen …

Ganz und gar nicht. Die Taktung der Busse ist wirklich extrem komplex. Sie ist zum einen so geplant, damit Anschlüsse erreicht werden, zum anderen sorgt die enge Taktung dafür, dass die Busse selbst nicht den Verkehr behindern. In der Realität ist der Verkehr aber nicht perfekt und er ändert sich auch stetig.

Da gibt es mal Baustellen, mal entsteht ein Stau – das kann man auch nicht alles mit einplanen. Sobald aber irgendetwas im Verkehrsfluss gestört ist, wirkt sich das auf den Bus aus – und der Fahrer kommt zu spät. Nur, dass er dafür nichts kann, darüber denken viele Fahrgäste nicht nach.

Sind die Erwartungshaltungen der Fahrgäste an die Busfahrer – Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit – wirklich so übertrieben hoch?

Das wird einem vielleicht am besten klar, wenn man es mit dem Autofahren vergleicht. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Auto nach Frankfurt fahre, dann weiß ich, dass es etwa 30 Minuten dauert, wenn alles gut läuft. Wenn Stau ist, dauert es möglicherweise 50 Minuten. Das kalkuliere ich ein.

Wenn man jetzt aber Bus oder Zug fährt, dann ist man schon empört, wenn der fünf oder zehn Minuten später dran ist. Wenn man hier einfach die Erwartungshaltung etwas mehr an die Realität anpasst und selbst auch mal etwas freundlicher ist zu den Busfahrern, dann hat man auch selbst ein positiveres Fahrerlebnis.

Ich fasse also mal zusammen: Man selbst und die Busfahrer haben eine bessere Fahrt, wenn Fahrgäste realistischer sind und vielleicht mal „Guten Tag“ sagen?

Das klingt so einfach, ist vielen aber gar nicht bewusst. Es müssen keine Lobeshymnen sein, aber ein einfaches „Hallo“ beim Einsteigen und ein „Danke“ beim Aussteigen reichen schon. Es ist schon erstaunlich, was ein kleines Lächeln ausrichten kann. Ein Busfahrer hat das in unserer Umfrage sehr treffend formuliert: „Man möchte als Mensch wahrgenommen werden.“

Wie kann man das konkret tun?

Ich glaube, dass es schon sehr hilft, wenn man einfach etwas mehr über den Busfahrer und seine Arbeit nachdenkt und sich bewusst wird, was er eigentlich leistet. Dann kommt man recht schnell darauf, wie anspruchsvoll der Beruf in Wirklichkeit ist. Busfahrer sind ja zum Teil auch Anfeindungen ausgesetzt, da fahren manchmal auch Randalierer oder alkoholisierte Menschen mit. Wenn man sich das lediglich bewusst macht, wenn man in den Bus steigt und nicht mit der Erwartungshaltung einsteigt, dass alles wie am Schnürchen laufen muss, dann ist das schon sehr viel.

Kunden greifen Fahrer an

Nun ist es aber ehrlicherweise so, dass auch Busfahrer manchmal unfreundlich sind.

Natürlich sind auch die Busfahrer nicht perfekt. Das haben sie uns auch in den Gesprächen offen erzählt, dass auch sie mal einen schlechten Tag haben und schlecht gelaunt in den Bus steigen. Das kommt sicher auch vor. Umgekehrt ist es natürlich auch so, dass der Busfahrer mit vielen Menschen konfrontiert ist, die potentiell unfreundlich sein können.

Wenn er ohnehin schon einen schlechten Tag hatte, dann sinkt natürlich die Stimmung noch mehr. Wenn man dagegen einfach freundlicher einsteigt, vielleicht „Guten Tag“ sagt und lächelt, dann geht es dem Fahrer damit wahrscheinlich einfach besser. Dann lächeln sie vielleicht auch und sind automatisch freundlicher.

Was haben denn die Busfahrer, mit denen Sie gesprochen haben, über ihre Arbeit gesagt?

Die meisten Busfahrer machen ihren Job wirklich gerne, haben aber sehr schwierige Arbeitsbedingungen. Ein Thema, das immer wieder genannt wurde war die Schichtarbeit. Busfahrer arbeiten in Wechselschichten, das geht nicht anders. Gerade das ist aber allein körperlich sehr belastend und beanspruchend.

Dazu kommt, dass sie sehr lange sitzen müssen und nicht aufstehen können. Das ist zum Beispiel anders als im Büro, wo man auch einfach mal aufstehen und herumlaufen kann. Das geht beim Busfahren natürlich nicht. Diese Inaktivität ist körperlich sehr belastend.

Das zweite große Thema sind Konflikte mit Kunden. Die Busfahrer kriegen wirklich jeden Tag von den Fahrgästen signalisiert, dass sie ihren Job nicht gut machen. Auf Dauer zehrt das natürlich auch psychisch an einem.

Das gilt natürlich nicht für alle Fahrgäste. Busfahrer haben uns auch von sehr netten Erlebnissen erzählt. Doch es gibt schon verhältnismäßig viele Konflikte. Mitunter greifen Kunden die Busfahrer nicht nur verbal, sondern auch körperlich an.

Wie bitte?

Das ist tatsächlich so. Busfahrer haben uns von mehreren solchen Situationen erzählt. Eine Busfahrerin hat davon berichtet, wie sie Fahrgäste einmal ermahnt hat, weil sie sehr laut Musik gehört haben. Daraufhin kam ein Fahrgast der Gruppe mit einem Metallring auf sie zu und hat ihr diesen über den Kopf gezogen. Das ist natürlich nicht die Regel, aber es kommt vor.

Was machen die Fahrer dann?

In solchen Situationen tritt dann ein weiteres großes Problem auf, das viele genannt haben: Die Busfahrer haben in dem Moment keinen Ansprechpartner vor Ort. Wenn ich zum Beispiel hier an der Hochschule Probleme mit Studenten habe, ist immer ein direkter Ansprechpartner für mich hier. Das ist bei den Busfahrern nicht so.

Arbeitgeber suchen nach Lösungen

Gibt es denn, nach Ihren Erkenntnissen, in diesen Situationen auch etwas, was der Arbeitgeber machen kann, um die Arbeitsverhältnisse für Busfahrer zu verbessern?

Den Arbeitgebern sind die Probleme durchaus bewusst. Gerade die Berufsgruppe „Busfahrer“ hat zum Beispiel relativ hohe Krankenstände. Unsere Untersuchung ist hier nur ein erster Schritt, die Situation der Busfahrer zu verbessern. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit DB Regio daran, sinnvolle Lösungen zu entwickeln, insbesondere für das Thema „Arbeitszeiten“.

Wie hat sich denn Ihre Einstellung zu Busfahrern durch die Studie verändert?

Vor der Studie habe auch ich ehrlich gesagt nicht viel über den Beruf nachgedacht. Busfahrer war für mich immer Busfahrer. Manche waren nett, andere bekam man nicht so mit. Viele Gedanken zu dem Beruf habe ich mir vorher nie gemacht.

Und jetzt?

Nachdem wir mit so vielen Busfahrern auch ganz persönlich gesprochen haben, wird einem klar, was das für interessante Menschen sind und dass Busfahren ein sehr spannender Beruf ist. Auf der anderen Seite ist ihre Arbeit sehr hart und sie tragen eine große Verantwortung.

So merke ich jetzt, dass ich beim Busfahren den Fahrer sehr bewusst wahrnehme und viel mehr Verständnis dafür habe, was sie tagtäglich leisten. Ich steige viel freundlicher ein als vorher. Und dabei erlebe ich immer, wie nett Busfahrer eigentlich sind.

Neulich wollte ich zum Beispiel zwei Stationen fahren. Als ich eine Fahrkarte kaufen wollte, hat der Busfahrer mich einfach durchgewinkt. Ich merke also an mir selbst: Wenn man selbst freundlich ist, fährt es sich wirklich für alle angenehmer.

Vielen Dank für das Gespräch!

Auch spannend:

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.