Am 28. Juni hat der Berliner Senat das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung“ – a.k.a. das Berliner Mobilitätsgesetz – verabschiedet. Das ist das erste seiner Art in Deutschland und bringt viele Neuerungen – und die haben es in sich.
Mit den verschiedenen neuen Regelungen wird zum ersten Mal in einem Gesetz zur Mobilität in einer deutschen Stadt ganz klar der motorisierte Individualverkehr hinten angestellt.
Das bedeutet: Fahrräder, Fußgänger, ÖPNV und Wirtschaftsverkehr haben nun Vorrang bei der Verkehrsplanung in Berlin.
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Neues Mobilitätsgesetz: Diese Änderungen kommen auf Berliner zu
Darüber hinaus soll das neue Gesetz verschiedene Ziele erfüllen. Es soll:
- Mobilität für alle ermöglichen
- Menschen- und stadtgerechten Verkehr schaffen
- Intermodalen und multimodalen Transport verbessern
- Klima- und Umweltschutz verbessern
- Verkehrssicherheit für alle erhöhen
- Gesundheitsbeeinträchtigungen mindern
Damit hat sich der Berliner Senat so einiges vorgenommen. Was genau verändert sich dadurch im Berliner Verkehr?
Kreuzungen sollen sicherer werden
Das Gesetz sieht vor, nach jedem Unfall mit Todesfolgen Kreuzungen auf ihre Verkehrssicherheit hin zu prüfen und gegebenenfalls neu zu gestalten. Das soll auch für gefährliche Verkehrszonen gelten, an denen sich immer wieder Unfälle mit Schwerverletzten ereignen.
Um herauszufinden, welche Knotenpunkte infrage kommen, will sich der Senat an der Polizeistatistik orientieren. So sollen im ersten Jahr mindestens zehn, im zweiten Jahr mindestens 20 und danach jedes Jahr mindestens 30 Kreuzungen umgebaut werden.
ÖPNV besser vernetzen
Der ÖPNV soll in Zukunft Vorrang gegenüber dem motorisierten Individualverkehr bekommen. Dazu gehört auch, dass man die einzelnen Maßnahmen – von Flughafenanbindung bis hin zum Bikesharing – besser miteinander vernetzt.
Idealerweise soll so alles in einem Kombi-Angebot ineinander übergehen, sodass Fahrgäste von einem Transportmittel zum anderen nahtlos alles in einer App finden können.
Auch sollen die Echtzeit-Verkehrsdaten kostenlos öffentlich zur Verfügung gestellt werden, damit Mobilitätsdienstleister ihre Angebote verbessern können und Nutzer so effizienter von A nach B kommen.
Das Gesetz fordert ebenfalls, dass die Verkehrsmittel auf nicht-fossile Energieträger umgestellt werden sollen (und lässt dabei offen, welche alternativen Antriebe genutzt werden können).
Berliner Verkehrsbetriebe dürfen selbst abschleppen
Bisher ist es so, dass die BVG nicht eigenmächtig ohne Polizei und Ordnungsamt Falschparker abschleppen können. Das soll sich künftig ändern. Die BVG erhalten weitere Befugnisse, um unter anderem zugestellte Verkehrswege schneller freiräumen zu können.
Mehr Fahrradpolizisten
Berlin möchte die Fahrradstaffel der Polizei erweitern, da sie „eine bessere Verkehrsmoral und ein friedliches Miteinander insbesondere zwischen Kfz- und Fahrradverkehr“ fördere.
Stadt plant Werbekampagnen
All das soll von verschiedenen Kampagnen begleitet werden. Wortwörtlich heißt es: „Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen die Verkehrssicherheit über alle Verkehrsmittel insbesondere durch Information über die geltenden Verkehrsregeln verbessern.“
Berlin will zur Fahrradstadt werden
Neben der Stärkung des ÖPNV und des Wirtschaftsverkehrs (dazu gehört zum Beispiel Lieferverkehr für den Einzelhandel), positioniert sich Berlin ganz klar in Sachen „Fahrrad“. Radwege sollen priorisiert und ausgebaut und zudem besser vor Missbrauch geschützt werden.
Darüber hinaus plant der Senat 100 neue Kilometer an neuen Radschnellwegen zu bauen. An Bahnhöfen und Haltestellen sollen in den kommenden Jahren 50.000 neue Stellplätze für Fahrräder entstehen und in öffentlichen Räumen sollen bis 2025 nochmals 50.000 weitere Stellplätze hinzukommen.
Auch Parkhäuser für Fahrräder sind bis 2023 geplant.
Einbahnstraßen sollen nach dem neuen Mobilitätsgesetz ebenfalls geprüft und gegebenenfalls für Fahrräder geöffnet werden, um so schnelleren, direkteren Verkehrsfluss per Rad zu ermöglichen.
Der Fahrradfokus belegt, was dieses neue Gesetz überhaupt ausgelöst hat: Die Bürgerinitiative „Volksentscheid Fahrrad“, die seit 2015 Unterschriften für bessere Radplanung in Berlin sammelt und schließlich auch die Politiker überzeugen konnte.
Dementsprechend ist auch die Kritik der Opposition am Mobilitätsgesetz zu verstehen, die das Ganze ein „Fahrradlobbygesetz“ nennen und die Benachteiligung von Autofahrern durch das Gesetz bemängeln.
Falsch ist das nicht. Nur: Genau das ist tatsächlich die Absicht des neuen Gesetzes. Der Berliner Senat möchte ganz offensichtlich ein Zeichen setzen und ÖPNV, Wirtschaftsverkehr, Fußgängern und natürlich Radfahrern Vorrang vor Autofahrern geben.
Einige sind aber der Meinung, dass letztlich auch die Autofahrer davon profitieren können.
Denn wenn die Berliner Regierung die Maßnahmen tatsächlich so umsetzt, bedeutet dies auch, dass Baustellen schneller beendet, klarere Parkregeln und der Verkehsfluss für Autos insgesamt in Berlin besser wird.
Vor allem, wenn viele das Auto künftig stehen lassen und stattdessen mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind.
Große Pläne, kein Zeitplan
Das große „Wenn“ ist in Berlin aber die Zeit. So gut die Maßnahmen auch klingen, so unklar ist es, ob das alles auch wirklich so schnell umgesetzt werden kann.
Denn in der Hauptstadt dauern Dinge einfach lange. So braucht es im Schnitt drei Jahre (!) vom Planungsbeginn eines Radwegs bis zum Anpinseln eines Radfahrstreifens.
Genau deshalb drängt auch der ADFC Berlin zur Eile: „Nun muss sich Rot-Rot-Grün daran messen lassen, wie schnell das Gesetz umgesetzt wird. Wenn es im derzeitigen Schneckentempo weitergeht, werden noch unsere Enkelkinder auf sichere Radwege warten“, heißt es vom Berliner Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs.
Um die Maßnahmen schneller umzusetzen, umfasst das Mobilitätsgesetz auch, dass jeder Bezirk mindestens zwei hauptamtiliche Radplaner bekommt. Außerdem wird ein neuer „FahrRat“ die Koordination mit den Bezirken auf Landesebene übernehmen.
Ob das reicht, bleibt abzuwarten.
Smarte Mobilität
Der Senat möchte das aktuelle Gesetz außerdem in den kommenden Jahren erweitern. Zum einen sollen konkretere Maßnahmen für Fußgänger hinzukommen, zum anderen ein Abschnitt zu intelligenter Mobilität.
Gemeint sind damit digitalere Mobilitätslösungen, von Mobilitätsapps bis hin zu MaaS-Angeboten wie Carsharing oder Scootersharing.
Und was kostet das alles?
Bei all der Planung ist bisher eins aber noch völlig unklar: der Kostenfaktor. Im Gesetz heißt es nur sehr schwammig: „Die Ausgaben können zum jetzigen Zeitpunkt nicht benannt werden, weil die Ausgestaltung des Gesetzes über die entsprechenden Planwerke erfolgt.“
Auch zur Finanzierung heißt es nur, dass die Mittel aus dem Stadt- und Landeshaushalt sowie aus europäischen Fördertöpfern kommen soll. Der Gesetzgeber hofft außerdem darauf, dass die verstärkte Nutzung des ÖPNV zusätzliche Gelder in die Haushaltskassen bringen wird.
Doch auch eine Erhöhung der Kosten für Fahrgäste im ÖPNV oder über Steuern scheint denkbar. So heißt es im Gesetz: „Andererseits ist der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass auch die Fahrgäste einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebots leisten.“
Es wird also spannend zu sehen, wie Berlin dieses ehrgeizige Mobilitätsgestz umsetzen wird und ob sich möglicherweise auch andere Städte in Deutschland davon inspirieren lassen.
Doch erstmal feiern die Berliner „ihr“ Mobilitätsgesetz.
Das wars! Wir haben ein #Mobilitätsgesetz! ?????
— JFK ? (@jfk_steglitz) 28. Juni 2018