Wirtschaft

Start-up-Check! Wysker macht Verbraucher zu Daten-Händlern

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Das Berliner Start-up Wysker bezahlt dich für deine Daten. (Foto: Screenshot / YouTube)
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Wysker.

Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Wysker aus Berlin.


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Wer steckt hinter Wysker?

Die Gründer von Wysker sind: Tobias Haag (CEO), seine Schwester Ann-Laurine Haag (COO) und Kai Jäger (CTO). 2016 riefen sie Wysker in Berlin ins Leben. Der erste Prototyp ihrer Shopping-App stand Ende 2016, Anfang 2018 wurde sie gelauncht. Die Mission von Wysker: Sie wollen den E-Commerce revolutionieren.

Klingt erstmal hoch gegriffen, aber Wysker basiert tatsächlich auf einer sehr klugen Idee, wie die Kunden im digitalen Handel ihre Daten selbst an werbende Unternehmen verkaufen können.

Das alles läuft Blockchain-basiert ab und soll Wysker Geld in die Taschen spülen. Wysker ist auch das erste deutsche Unternehmen, dass ein Initial Coin Offering (ICO) durchgeführt hat.

Was macht Wysker?

Tobias Haag vergleicht seine App mit der Dating-App Tinder – nur fürs Shopping. Die Logik dahinter: In der App laufen schnell Bilder von Produkten aus verschiedenen Shops in einem Stream über den Bildschirm des Users.

Möglichst flüssig soll er so eine möglichst große Bandbreite an Produkten sehen. Und, ähnlich wie bei Tinder, soll er so intuitiv eine Entscheidung fällen. Das heißt: Statt sich langsam durch Shops und Kategorien zu klicken und zu suchen, soll er den jeweiligen Stream nur anhalten, wenn ihm etwas ins Auge sticht.

Die Geschwindigkeit der Streams ist anpassbar. Insgesamt entsteht so ein digitales Bummelgefühl. Alleine diese User Experience (UX) ist schon gut durchdacht. Der Kauf erfolgt dann beim Shop selbst. Wysker leitet den Nutzer also nur weiter.

Der eigentliche Witz von Wysker dreht sich aber um die Werbeflächen in der App. Im Netz sind User schon daran gewöhnt, dass sie ihre Daten hergeben müssen, weil sie sonst außen vor bleiben.

Dafür versprechen die Unternehmen ein besseres Einkaufs- und Nutzererlebnis durch gezieltere Angebote bis hin zur Personalisierung. Das halten durchaus auch viele Unternehmen ein – viele aber auch nicht oder zumindest nicht in dem Umfang, den sie versprechen.

Und selbst Shops, die die Daten wirklich sinnvoll nutzen, haben meist ein Problem damit, darzustellen, inwiefern der Nutzer davon profitiert. „Bessere Werbung“ überzeugt vor allem im Datenschutzland Deutschland kaum Nutzer.

Dadurch, dass sie ihre Daten an die großen Digital-Riesen wie Amazon abgeben, haben die Kunden natürlich auch Preisvorteile. Andere Unternehmen bieten deswegen ihre Services weitestgehend kostenlos. Ein solches Beispiel ist Facebook.

Doch allen Vorteilen, die es durchaus gibt, ist gemeinsam: Sie sind intransparent. Das verschlechtert für die Unternehmen vor allem das Verhältnis zum Kunden.

Die Transparenz erreicht Wysker durch die Wys-Tokens. Das ist die eigene Blockchain-basierte Wysker-Währung. Diese ist ein ERC20 Utility Token und basiert auf der Ethereum Blockchain (ETH).

Die Daten der Nutzer werden dort verschlüsselt und die Nutzer erhalten für das Nutzen der App diese Tokens als Belohnung. Sie können die Tokens für Rabatte in den Shops einsetzen.

Die Shops können wiederum ihre über Rabatte verdienten Tokens nutzen, um damit für die Bewerbung ihre Produkte in der Wysker-App zu bezahlen. Oder sie kaufen die Tokens einfach von anderen Besitzern.

Die Bewerbung in der App läuft über einen eigenen Stream ab, der aber erst Anfang 2019 in Betrieb gehen soll. Bis jetzt ist nur der organische, von Wysker selbst kuratierte Stream im Einsatz. Wysker stellt dort potenziell interessante Produkte ein. Algorithmen sollen diesen Stream immer besser an den Interessen des Nutzers ausrichten.

Das ICO von Wysker startete am 31. Januar 2018 und ist mittlerweile beendet. Angepeilt war der Verkauf von Tokens im Wert von 12.000 ETH – ob das gelang, ist nicht klar. Unverkaufte Tokens „werden verbrannt“, teilt das Unternehmen mit. Der Verkaufskurs von ETH zu Euro schwankt gewaltig, lag aber Ende Juni bei etwas unter 400 Euro.

Was macht Wysker so besonders?

Da wäre die schon beschriebene UX: Das Streamen von Shopping-Angeboten macht einfach Sinn. User-Analysen von Online-Shops zeigen, dass Verbraucher auch im Netz gerne stöbern. Sie kommen also nicht erst in den Shop, wenn sie schon wissen, was sie wollen. Sie wollen sich inspirieren lassen und viele Produkte vergleichen.

Häufig arbeiten die User mit einer Unzahl an Tabs im Browser. Sie müssen sich relativ mühsam durch Shops klicken. Was zum Beispiel im Modebereich in Arbeit ausartet, weil es derartig viele vergleichbare Produkte gibt.

Es gibt zwar in Shops auch „Merken“-Funktionen. Aber dafür muss man sich üblicherweise einloggen. Und schneller geht das auch nicht.

Dieses Stöbern wird Verbrauchern durch Wysker vereinfacht. Aber es zahlt auch auf eine kognitive Entwicklung der Menschheit ein. Unsere Art zu denken, hat sich im Netz verändert. Wir sind daran gewöhnt sehr viele Informationen sehr schnell zu verarbeiten, weil diese so einfach verfügbar sind.

Dafür verarbeiten wir sie aber auch oberflächlicher. Wir müssen schnell entscheiden, ob ein journalistischer Artikel, die gesuchte Information bereithält. Das kann User auch überwältigen, vor allem wenn sie sich zu tief einlesen müssen.

Wysker trägt dem Rechnung und reduziert die Informationsflut im Grunde auf ein Bild pro Produkt – weniger Information, dafür mehr Knotenpunkte zu weiterführenden Informationen. Das ist der Schlüssel zum digitalen Denken.

Das gibt es natürlich, wie beschrieben, bei anderen Apps wie Tinder oder Instagram auch schon: Doch im Shopping-Bereich gibt es das auf diese Weise noch nicht.

Die zweite Besonderheit sind natürlich die Wys-Tokens. Daten sind im E-Commerce ein riesiger Schatz und die Verbraucher haben durch ihren Verkauf auch viele Vorteile. Doch wie der Facebook-Datenskandal so eindrücklich offenbarte, gibt es durch die fehlende Transparenz auch viel Raum für Missbrauch.

Dadurch, dass die User, ihre Daten über Wysker gezielt verkaufen, ist der Raum eröffnet für eine Beziehung von Verbraucher zu Unternehmen auf Augenhöhe. Das ergibt auch über Wysker hinausgehende Möglichkeiten, weil sich das Verhältnis zum Kunden verbessert.

Für werbende Unternehmen bietet das die Chance, die Relevanz ihrer Werbung zu erhöhen. Indem User einen transparenten und direkt einsetzbaren Vorteil durch das Teilen ihrer Daten erhalten, steigt potenziell auch deren Qualität.

Gibt es Kritikpunkte?

Ja, vor allem beim ICO. Verbraucherschützer warnen vor ICOs, da sie im Grunde eine Art Börsengang ohne Regeln darstellen. Während ein Börsengang sehr umfänglich kontrolliert wird, ist ein ICO viel einfacher.

Auffällig bei Wysker: Unternehmen, die Wys-Tokens kaufen, erhalten keinerlei Anteile an Wysker. Sie dürfen sie nur zum Werben nutzen. Das ergibt eine unausgeglichene Investitionssituation.

Außerdem sind die Kursschwankungen aller Blockchain-basierten Währungen ziemlich schwierig einzuschätzen. Inwiefern der Wert der Wys-Tokens dann auch den Wert des Unternehmens oder seiner Werbeflächen wiederspiegelt, bleibt auch abzuwarten.

Zu befürchten ist, dass die vermeintliche Transparenz durch die Komplexität des Themas Blockchain zunichte gemacht wird. Und das am Ende, das Ganze ein hochspekulative Geschichte ohne langfristigen Wert wird.

Bis jetzt ist außerdem nur der kuratierte Stream online. Und der funktioniert, wie überall sonst auch auf Nutzerseite etwas unbefriedigend. Die Daten werden über Algorithmen ausgewertet, damit der User auch relevantere Angebote zu sehen bekommt. Das gibt es woanders auch.

Es muss vor allem auch erst der Markt für Wys-Tokens entstehen. Wenn die Werber nicht mitziehen, nutzen die Wys-Tokens niemandem etwas. Der zeitliche Abstand des Stream-Launches lässt da leider sehr viel Zeit für Verunsicherung.

Fazit

Wysker bietet tatsächliche eine neue Idee für den E-Commerce und für die Stellung von Verbrauchern in Zeiten von Big Data. Die Idee, Datennutzung direkt zu belohnen und in einem geschlossenen System zu verwalten, ist innovativ.

Wie bei Blockchain-Projekten allgemein bleibt aber immer ein ungutes Gefühl zurück: Zu undurchsichtig sind viele der Funktionsweisen für Verbraucher.

Und gerade die Art der Finanzierung über einen ICO lässt aufhorchen. Gerade bei der Transparenz wird es schwierig, da nur User, die die Prozesse auch verstehen, wirklich abgeholt werden.

Doch bei all den Bedenken: Bei der Blockchain-Technologie plädieren schon viele Tech-Experten für einen Einsatz über Krypto-Währungen hinaus. Und Wysker bietet, zumindest teilweise, auch das.

Auch Wysker geht es ums Geld erhalten – keine Frage. Aber der Einsatz zum Schutz und zur Übermittlung von persönlichen Daten geht darüber hinaus. Die Gründer haben also durchaus auch weitergedacht.

Vor allem für den Launch des Werbe-Streams gilt: Daumen drücken.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.