Was wäre, wenn deutsche Autobauer nur noch Elektroautos bauen würden? “Untergang der Autonation”, sagen die einen. „Rettung der Autonation“ – die anderen. Was denn nun? Melanie Adelt hat sich ein paar Gedanken zum Thema gemacht und findet: Das sollte keine Entweder-Oder-Debatte sein.
Elektromobilität im Allgemeinen und Elektroautos im Besonderen werden derzeit leidenschaftlich diskutiert.
Auf der einen Seite kursieren Schreckensszenarien über Jobverluste und dem Untergang der deutschen Automobilindustrie. Auf der anderen Seite steht die Vision, dass der Umstieg bitter nötig ist. Andernfalls drohe eine Klimakatastrophe und der Niedergang der Autonation.
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Mit solch emotionalen Argumenten kann aber keiner wirklich etwas anfangen. Schon gar nicht die Autofahrer. Daher nun ein Erklärungsversuch für „Normalsterbliche“, was der Umstieg von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren für Deutschland und für die Zukunft unserer Mobilität bedeutet.
Tschüss, Stahlindustrie! Ciao, Maschinenbau!
Nehmen wir mal an, wir produzieren nur noch Elektroautos für den deutschen Markt und die Batterien kommen aus dem Ausland. Im Auto steckt nun kein Verbrennungsmotor. Damit werden pro Jahr auch keine 3.932.467 Motorblöcke aus Metall bei unserer Stahlindustrie mehr bestellt.
Die jährlichen Neuentwicklungen von mehreren neuen Motorengenerationen durch Ingenieure und die daraus resultierende Herstellung von Gussformen entfallen ebenfalls.
3.932.467 der Kleinteile wie Motoraufhängung, Getriebe, Schläuche, Kabel, Katalysatoren, Auspuffs und Gummidichtungen sowie der gesamten Antriebstechnik würden nicht mehr gebraucht und damit auch nicht mehr produziert.
Ich bin mir nicht sicher, ob man für Elektroautos komplett neue Fertigungsstraßen benötigen würde.
Wenn ja, dann beträfe das neben den Industrierobotern auch die Fertigung der Teile für einen Verbrennungsmotor. Dieser besteht im Schnitt aus 2.500 Einzelteilen. Im Vergleich: Ein Elektromotor kommt mit etwa einem Zehntel aus, nämlich lediglich 250 Teilen!
40 Milliarden Euro Verlust für den Staat
Für alle aufgezählten und nicht aufgezählten Teile fallen Steuern, Gebühren oder Zoll an – also Einnahmen für unseren Staat. Davon bleibt bei einer Umstellung auf 100 Prozent Elektroautos nach dieser Rechnung einiges aus.
Darüber hinaus brauchen wir auch keinen Sprit mehr zum Tanken. Damit tanken Autofahrer auch nicht mehr rund 46 Millionen Liter Kraftstoff pro Jahr.
Die Erdöl- und alle anhängenden Industrien, die aus Rohöl die unterschiedlichen Oktanzahlen für unsere Tankstellen herstellen, würde das schwer treffen – den Staat aber auch.
Das Resultat für unsere Regierung: 40 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, bei aktuell 19 Prozent an Warenpreis und Energiesteuer.
Der Steuerausfall der vermuteten 100.000 Durchschnittsverdiener, die ihren Job allein in dieser Branche verlieren würden, läge grob bei 959 Millionen Euro.
Wer E-Mobilität will, muss Alternativen schaffen
Es gibt natürlich noch weitere Verluste, aber schon allein an diesen Beispielen wird schnell klar, dass das Geld irgendwie durch etwas anderes wieder hereingeholt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.
Wer also nach „Elektromobilität jetzt, sofort“ schreit, vergisst möglicherweise viele Abhängigkeiten, die an der aktuellen Industrie mit dranhängen.
Ohne eine installierte Alternative lässt sich ein Technologieumstieg von Verbrenner auf Elektro nicht so einfach und schnell durchführen wie viele es hoffen oder behaupten.
Tatsächlich könnte vorschnelles Handeln ganze Wirtschaftszweige hart treffen. Und da gerade die Automobilindustrie als Job- und Wirtschaftsmotor unseres Landes gilt, erklärt dies vielleicht das Zögern.
Was also tun? Alles einfach so lassen, wie es ist?
Egal, ob 50 oder 100 Jahre: Öl ist endlich
Auch das scheint nicht so klug. Denn leider geht uns auf lange Sicht das Öl aus. Ob die Ölreserven noch 50 oder 100 Jahre reichen, ändert nichts an der Tatsache, dass sie endlich sind. Hinzu kommt der Klimawandel, schädliche Emissionen, Fahrverbote und vieles mehr.
Genau deshalb gibt es unzählige Forschungszentren weltweit, die an anderen Antriebslösungen für unsere Autos tüfteln. Es gibt alternative Antriebe mit Solarstrom, Wasser und Luft, Wasserstoff und sogar Raps- und Palmöl.
Am weitverbreiteten sind derzeit die Elektroautos mit wiederaufladbaren Batterien. Doch auch hier gibt es Probleme. Denn für diese Akkus, aber auch für die Motoren, werden unter anderem seltene Metalle und Erden benötigt, die zwar nicht immer so selten sind, wie der Name vermuten lässt, aber dennoch problematisch.
China hält zum Beispiel mit 80 Prozent der weltweiten Kobaltveredelung – ebenfalls ein Bestandteil der Akkus – ein Monopol auf die Produktion und diktiert damit den Preis.
Die Gewinnung dieser Rohstoffe ist außerdem mit großflächigen Eingriffen in die Natur verbunden, erfolgt teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen und die Entsorgung, stellt die Industrien ebenfalls vor Herausforderungen.
So scheint es, also ob sich Batterien und Motoren, wie sie heute in Elektroautos im Einsatz sind, auch nicht für eine langfristige Alternative zum Kraftstoff zu eignen.
Sollten wir also Elektroautos auch gleich aufgeben und nicht weiter daran forschen?
Mut zum Wandel
Tatsächlich sind das alles keine Entweder-Oder-Fragen. Es gibt nicht die EINE Lösung, SOFORT. Batterien sind, wie alle anderen Antriebe, der erste Schritt einer Entwicklung.
Wenn unsere Regierung den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bereits beschlossen hätte und die Automobilbranche nur noch fünf Jahre dafür Zeit hätte, dann würden schon längst sämtliche Forschungsgelder zu 100 Prozent in die Erforschung alternativer Antriebe, Batterien oder Energiespeichermöglichkeiten gehen und wir wären schon viel weiter in dieser Entwicklung.
Stattdessen wird der Dieselmotor ein wenig schadstofffreier und es werden sparsamere Einspritzmotoren entwickelt. So kommt es, dass 2019 insgesamt 180 neue Automodelle auf den Markt kommen, von denen die meisten Benziner sind.
Sicher, die Automobilentwicklung hat in den Anfängen auch ihre Entwicklungszeit benötigt. Doch die “Autonation Deutschland” ist nicht durch Nichtstun dort gelandet, wo sie jetzt ist.
Entscheidend sind daher der Wille zum Wandel und der Mut, diesen neuen Weg zu gehen.
Über die Autorin
Melanie Adelt ist UX-Konzepterin und lebt und arbeitet in Hamburg. Ihr Interesse gilt Trends und Innovationen, die unser aller Leben nachhaltig verändern. In ihrer Freizeit postet sie auf Twitter und Instagram zu den Themen New Work, Smart City, Smart Mobility, Health und Materials.
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