Wirtschaft

Start-up-Check! Kern Tec – Kernspaltung mal anders

Zwetschge, Steinobst, Obstkern, Pflaume
Auch für Zwetschgen-Kerne hat das Team von Kern Tec eine Verwendung. (Foto: Pixabay.com / 1195798)
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Kern Tec.

Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten. 

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Kern Tec aus Krems an der Donau.


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Wer steckt hinter Kern Tec?

Egal, ob Aprikose, Zwetschge oder Kirsche – die leckeren Früchtchen sind schnell verarbeitet, aber – mal abgesehen vom Kirschkernweitspucken – wohin mit den Kernen?

Kern Tec aus Krems an der Donau hat eine vollautomatisierte Lösung entwickelt, um Steinobstkerne zu spalten, zu sortieren und zu veredeln. Denn in den Kernen von Aprikose, Kirsche, Zwetschge und Pfirsich steckt großes Potenzial.

Durch das Upcycling der eigentlichen Abfallprodukte entstehen so neuartige und nachhaltige Produkte.

Allein in Europa fallen jährlich rund 550.000 Tonnen Steinobstkerne an, die entweder entsorgt werden oder im besten Fall als Heizgut dienen. Für Obstbauern und verarbeitende Betriebe bedeutet das eine hohe Kosten- und Umweltbelastung.

Das Start-up selbst entwickelte sich aus einem sechsmonatigen Projekt an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Studenten sollten dort ein Projekt am Markt identifzieren und eine Lösung entwickeln.

Aus der bloßen Theorie wurde bald Realität: Im März 2019 gründeten Michael Beitl (Geschäftsführung und Verkauf), Luca Fichtinger (Strategie, Kernbeschaffung, Marketing und PR), Sebastian Jeschko (technische Planung und Lebensmittelentwicklung) und Fabian Wagesreither (Produktionsleitung) die Kern Tec GmbH.

Die letzten eineinhalb Jahre bezeichnen die Gründer als Findungsphase, um die notwendige Technologie zu entwickeln, Kerne zu verarbeiten und dem Lebensmittelmarkt zugänglich zu machen.

Bislang finanzierte sich Kern Tec daher ausschließlich aus Eigenkapital sowie aus staatlichen Förderungen für hochtechnische Innovationen für die Forschung und Entwicklungsarbeit.

Diesen Sommer ist der Markteintritt geplant. 200 bis 300 Tonnen Kerne sollen im Zuge dessen verarbeitet und so erste Umsätze erwirtschaftet werden.

Was macht Kern Tec?

Kern Tec spaltet mit seiner industriellen Lösung den inneren Weichkern und die äußere Hartschale von Steinobstkernen, um an die Samen zu gelangen. Diese wurden bislang aus Asien importiert, wo sie meist von Hand gespalten werden.

Mit der Technologie von Kern Tec können stattdessen Kerne aus biologischem und konventionellem Anbau lokal in Österreich verwertet werden.

Die Samen enthalten wertvolle Öle und Proteine und sind daher die ideale Basis für Protein- und Backmehle. Sie werden außerdem zu Ölen für die Genussmittel- und Kosmetikindustrie sowie zu weiteren Pflegeprodukten weiterverarbeitet.

Gerade Sauer- und Süßkirschsamen sind hier ein wertvoller Rohstoff: Mit bis zu vierfach gesättigten Fettsäuren, Proteinen, Mineralstoffen und Antioxidantien haben sie das Zeug zum nächsten Superfood.

Auch die Schalen werden zu 100 Prozent verwertet. Die Industrie kann beispielsweise beim Sandstrahlen Sand- oder Mikroplastikpartikel durch den nachhaltigen Rohstoff Schalenschrot ersetzen.

Über eine mögliche Rohstoffknappheit machen sich die Gründer übrigens keine Gedanken. Durch große europäische Obstverarbeitungsbetriebe, aber auch kleine, in Österreich ansässige Bauern ist der Nachschub gesichert. Gerade lokale Betriebe erschließen sich so eine zusätzliche Einnahmequelle.

Was macht Kern Tec so besonders?

Kern Tec stellt mit seiner Energie-autarken Produktionsstätte regionale Bio-Erzeugnisse aus ursprünglichen Abfallprodukten her. So will das Team einen sinnvollen Mehrwert leisten, von dem jeder entlang der Wertschöpfungskette profitiert.

Laut Kern Tec gibt es aktuell keinen Hersteller, der Kerne auf dieser professionellen Ebene verarbeiten kann.

Eine weitere Besonderheit: Manche Samen – allen voran aus den Kernen von Aprikosen oder Kirschen – enthalten giftige Blausäure. Kern Tec kann diese Säure schonend herauslösen und die Samen somit entgiften.

Vor allem Samen aus Asien weisen hier häufig Werte auf, die jenseits der europäischen Norm liegen. Deshalb wollen die Gründer ihr Verfahren patentieren.

Gibt es Kritikpunkte?

Einen Kritikpunkt zu finden, fällt tatsächlich schwer. Kern Tec schlägt nämlich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Das junge Unternehmen kann nicht nur wertvolle Rohstoffe aus eigentlichen Abfallprodukten gewinnen, sondern löst noch dazu ein großes Problem der Obstbauern.

Auch die Umwelt profitiert. Die Kerne werden lokal verarbeitet, das spart – anders als bei Importen aus Asien – nicht nur Tonnen an CO2. Der Schalenschrot kann zusätzlich schädliches Mikroplastik sukzessive ersetzen.

Kein Wunder also, dass das Start-up bereits mit einigen Preisen wie dem Circular Innovation Award in der Kategorie „Business Modell“ oder als bestes Start-up in der „Future Founders Challenge 2018“ der Rudolf Sallinger Stiftung ausgezeichnet wurde.

Der Marktstart selbst scheint optimal vorbereitet. Besonders auf dem eigenen Blog geben die Gründer immer wieder Einblicke in die Warenannahme, Testläufe bei der Kernverarbeitung oder neue Kooperationen.

Auf diese Weise konnte sich Kern Tec beispielsweise auch die Unterstützung des Wiener Traditionsunternehmens Staud’s sichern. Gespräche mit weiteren Kooperationspartnern laufen aktuell.

Es bleibt abzuwarten, wie schnell die neuen Produkte im Markt angenommen werden und sich tatsächlich Umsatz generieren lässt.

Fazit

Die vier Jungs aus Österreich haben sich mit ihrem innovativen und durchdachten Konzept definitiv eine Nische erschlossen. Zumindest scheint bis vor einiger Zeit noch niemand in Europa groß über die professionelle Weiterverarbeitung von Steinobstkernen nachgedacht zu haben.

Dabei steckt in den Kernen so viel Potenzial – zu schade, um es im wahrsten Sinne des Wortes wegzuwerfen. Ich bin gespannt, wie es weiter geht und werde Kern Tec definitiv im Auge behalten.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.