In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Solar Foods.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Solar Foods aus Finnland.
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Wer steckt hinter Solar Foods?
Eine nette Redewendung besagt, dass der Mensch nicht allein von Luft und Liebe leben kann. Wenn es nach Solar Foods aus Finnland geht, ist das – zumindest teilweise – möglich.
Das Clean-Tech-Unternehmen hat mit Solein ein Proteinpulver entwickelt, das aus Luft gemacht wird. Ja, richtig gelesen – Luft. Solein wird mit Hilfe von erneuerbaren Energien und unter anderem Kohlendioxid (CO2) hergestellt.
Das ist eben jenes Gas, das durch seine zunehmende Konzentration in der Atmosphäre zur globalen Erwärmung beiträgt.
Durch den innovativen Herstellungsprozess ist Solar Foods in der Lage, ein Kilo Nahrung pro Tag zu produzieren. Das Verfahren nennt sich „Power-to-Food“. Das Proteinpulver selbst ähnelt dem Aussehen und Geschmack von Weizenmehl. Solar Foods will Solein als Ergänzungsmittel vielen Nahrungsmitteln zusetzen.
Aufgrund des hohen Eiweißanteils von über 50 Prozent kann es beispielsweise für Protein-Shakes oder Jogurt verwendet werden. Der Fettanteil liegt zwischen fünf und zehn Prozent, weitere 20 bis 25 Prozent machen Kohlenhydrate aus.
Die neue Methode beruht auf dem gemeinsamen Forschungsprojekt „Food From Electricity“ des finnischen Forschungszentrums für Technologie VTT und der Technischen Universität Lappeenranta im Südosten Finnlands.
Die Leiter des Unternehmens – Dr. Pasi Vainikka und Dr. Juha-Pekka Pitkänen – waren zuvor als Dozenten und Wissenschaftler am VTT tätig. Die Ursprungsidee stammt von der US-Raumfahrtbehörde Nasa und wurde von den Forschern weiterentwickelt.
Solar Foods will Solein als sogenanntes Novel Food in der EU zulassen. Für 2021 ist der Marktstart geplant. Sobald die erste Fabrik gebaut ist, sollen innerhalb von zwei Jahren bis zu 50 Millionen Mahlzeiten mit Solein produziert werden.
Gleichzeitig arbeitet Solar Foods daran, entsprechende Produkte mit Nahrungsmittelherstellern zu entwickeln.
Solar Foods wurde bereits mit einigen Awards ausgezeichnet. Dazu gehört zum Beispiel der Index Award 2019 oder der „The Europas“-Award. Das Unternehmen gewann in der Kategorie „Hottest Clean Tech Startup“ und erhielt 30.000 Euro. Gefördert wird Solar Foods außerdem von der europäischen Raumfahrtagentur Esa.
Was macht Solar Foods?
Solein besteht überwiegend aus Kohlendioxid, das direkt aus der Umgebungsluft gefiltert werden kann. Außerdem werden Wasserstoff-oxidierende Bakterien, Wasser, Stickstoff sowie verschiedene Mineralien benötigt.
In dem Verfahren wird zunächst Wasserstoff per Elektrolyse mit Solarstrom hergestellt und anschließend mit Kohlendioxid in einen Bioreaktor gegeben. Dort dienen sie den speziellen Mikroorganismen als Futter. Durch einen Fermentationsprozess entsteht am Ende das Proteinpulver Solein.
Solein kann als Basis für viele Nahrungsmittel eingesetzt werden, um den Proteingehalt in Brot, Nudeln, Joghurt oder Fertiggerichten zu steigern. Zutaten, die beispielsweise auch Fleischersatz-Start-ups wie Beyond Meat oder Impossible Foods benötigen.
Was macht Solar Foods so besonders?
Solar Foods schafft es mit seiner sauberen Technologie, die Landwirtschaft in Teilen zu ersetzen und den ökologischen Fußabdruck von Nahrungsmitteln erheblich zu reduzieren. So werden weder Ackerland oder Bewässerungssysteme benötigt, noch ist das Unternehmen abhängig von klimatischen Bedingungen.
Solar Foods hat sich große Ziele gesetzt. Der negative Einfluss des Proteins auf die Umwelt soll nicht nur zwischen zehn und hundert Mal kleiner sein als bei Fleisch- und Fleischersatz-Produkten. Sein Preis soll außerdem mit dem von Sojaprotein konkurrieren.
Ein Rechenbeispiel: Solar Foods produziert heute ein Kilo Nahrung pro Tag. Um dieses Kilogramm zu erzeugen, sind zehn Liter Wasser notwendig. Soja braucht hingegen 2.500 Liter und Fleisch 15.500 Liter. Auf lange Sicht soll Solein damit die Grundlagen der Nahrungsproduktion neu definieren.
Gibt es Kritikpunkte?
Der Ansatz hinter Solar Foods ist mehr als löblich: Zu viel Kohlendioxid in der Luft beschleunigt den Klimawandel. Wenn wir einen Teil davon für die Nahrungsproduktion nutzen und so das Ernährungsproblem weltweit lösen können – umso besser.
Solar Foods prognostiziert für die Lebensmittelindustrie einen Milliardenmarkt. Schließlich ist Solein flexibel einsetzbar. Sogar Alternativen zu Fleisch sind denkbar. Außerdem punktet Solein in Sachen Ressourcenschonung und Platzverbrauch.
So können die Bioreaktoren beispielsweise in Containern untergebracht werden, die sich dann auf unfruchtbaren Böden aufstellen lassen. Klar ist nur, dass die Elektrolyse und CO2-Filterung aus der Luft große Mengen erneuerbare Energien benötigen. Aber in der Wüste oder wärmeren Gebieten ist selbst das kein Problem.
Die Konkurrenz schläft natürlich nicht. So hat das US-Unternehmen Rosa Labs das Flüssignahrungsmittel Soylent entwickelt – ein geruchloses, dickflüssiges Getränk, das alle wichtigen Nährstoffe enthalten soll, die der Körper braucht.
Andere Unternehmen wie das niederländische Unternehmen Mark Post oder Modern Meadow aus den USA wollen Fleisch synthetisch herstellen, was nicht nur umweltfreundlicher sein soll, sondern auch der Massentierhaltung einen Riegel vorschiebt.
Die Frage, die bisher jedoch unbeantwortet bleibt: Wie gut verträgt der menschliche Körper Solein? Hier gilt es, die ersten Tests abzuwarten.
Fazit
Solar Foods schlägt mit seiner Entwicklung zwei Fliegen mit einer Klappe. Kohlendioxid wird aus der Atmosphäre entfernt und für die Nahrungsmittelproduktion genutzt. Es ist also durchaus denkbar, dass auf diese Weise eine neue Ära der Nahrungsmittelproduktion und im Umgang mit Nahrung generell beginnt.
Ich werde das Unternehmen also mit Sicherheit im Auge behalten. Aber mal ehrlich, besonders lecker klingt das Pulver für mich nicht. Ich setze hier definitiv erst mal weiter auf natürliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Nüsse und Co.
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