Wirtschaft

Start-up-Check! So geht Cirplus gegen die Plastik-Apokalypse vor

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Nicht nur am Strand: Auch im Meer sammelt sich massig Plastik. (Foto: Pixabay.com / kakuko)
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Cirplus.

Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten. 

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Cirplus aus Hamburg.


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Wer steckt hinter Cirplus?

Wer hätte gedacht, dass ein Segeltörn der Auslöser für die Gründung eines Start-ups werden würde, das sich mit dem Recycling von Plastik beschäftigt?

Während eines Törns nach Kolumbien im Januar 2018 hielt Christian Schiller entspannt die Füße ins Wasser, bis etwas an seine Beine stieß. Nein, es war kein Tier. Das Boot war lediglich in einen schwimmenden Teppich aus Plastikmüll geraten. Der Moment, in dem ihm die Verschmutzung der Meere erst richtig bewusst wurde.

Wieder Zuhause setzte sich Christian das Ziel, dem Plastikproblem aus unternehmerischer Sicht zu begegnen. Als er im Rahmen des Accelerator-Programms von Entrepreneur First Volkan Bilici kennenlernte, war schnell die Idee zu Cirplus geboren.

Dahinter steckt eine digitale Handelsplattform für Altplastik, das als Rohstoff für die Neuproduktion wiederverwertet werden soll. Die Gründung des Unternehmens erfolgte schließlich Ende 2018. Schon im April 2019 ging die nachhaltige, digitale Plattform online.

Das Gründerteam selbst kann man als „Match made in heaven“ bezeichnen. Christian machte hierzulande als erster deutscher Mitarbeiter das französische Start-up Blablacar bekannt. Daher verfügt er über die entsprechende Start-up-Expertise.

Volkan hingegen ist ein erfahrener Software-Entwickler. Seine Eltern betreiben außerdem ein PVC-Geschäft in der Türkei, sodass er von der Pike auf ein Verständnis für Plastik mitbringt. Kein Wunder: Schließlich gilt die Türkei aktuell als einer der weltweit größten Märkte für Kunststoffverarbeitung.

Die Idee der Beiden ist aufgegangen. Bislang sind mehrere 10.000 Tonnen Materialanfragen aus über 16 Ländern bei Cirplus eingegangen. Bereits vor dem offiziellen Launch der Plattform ließen sich 43 Unternehmen auf die Warteliste setzen.

Das nun sechsköpfige Unternehmen ist mittlerweile Teil der Circular Economy Initiative Deutschland. Das bedeutet: eine Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Zudem gehört das Start-up der Abfall-Allianz „Prevent“ an, die vom Bundesentwicklungsministerium ins Leben gerufen wurde. Sie arbeitet an einer Lösung für Abfallreduzierung, Müllvermeidung und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.

Was macht Cirplus?

Cirplus will den Handel mit recycelten Kunststoffen – sogenannten Rezyklaten – so einfach und effizient wie möglich gestalten.

Der Prozess dahinter ist simpel. Der Verarbeiter gibt an, aus welchem Abfallstrom der Kunststoff kommen soll und welche Menge für welche Anwendung benötigt wird. Gehandelt werden dabei übrigens alle Formen von Plastik – von der Ballenware bis hin zum Regranulat.

Passende Entsorger vernetzen die Gründer mit den Anfragen und umgekehrt. Der zugrundeliegende Algorithmus sorgt dabei für ein einfaches und unkompliziertes Matching von Käufer und Verkäufer. Auf diese Weise schließt sich der Kreislauf zwischen Hersteller, Recycling und Wiederverwertung.

Jeder Nutzer wird vor der Freigabe überprüft, um unseriöse Anbieter oder Nachfrager von der Plattform fernzuhalten. Zusätzlich können sich die Unternehmen gegenseitig bewerten.

Derzeit ist der Matching-Service kostenlos. Es ist noch offen, ob die Gründer in Zukunft eine Transaktionsgebühr oder ein Jahresabo verlangen.

Die Plattform selbst strebt ein dynamisches Pricing an. Das bedeutet, dass der Kunde einen Mindest- und einen Höchstpreis festlegen kann und die Nachfrage entscheidet. Aber auch „Reverse Bidding“ sowie Fixpreis-Angebote könnten je nach Produkt und Marktsituation zukünftig eine Rolle spielen.

Was macht Cirplus so besonders?

Mit Cirplus haben die Gründer einen Nerv getroffen. Bislang setzen die meisten Firmen, die Plastik für ihre Produkte benötigen, fast ausschließlich auf Neuplastik.

Vor allem in der Verpackungs- und der Automobilbranche ist es für Einkäufer schwer, verlässliche Mengen an gebrauchtem oder recyceltem Kunststoff zu beschaffen.

Noch dazu bieten Neukunststoffe etliche Vorteile. Da wären beispielsweise die niedrigen Preise bei konstanter Qualität sowie langjährig bewährte Lieferanten-Beziehungen. Demgegenüber ist der Einsatz von Rezyklaten anspruchsvoller und derzeit auch deutlich teurer bei den – wenig vorhandenen – guten Qualitäten.

Durch den direkten Vergleich von Angeboten auf der Cirplus-Plattform sparen die Käufer Zeit und Geld, während Verkäufer gleichzeitig neue Absatzmärkte im In- und Ausland erschließen. Anbieter können außerdem Preise, Mengen und Qualitäten der Materialien direkt auf die Nachfrage abstimmen.

Ein weiterer Punkt spielt dem jungen Unternehmen in die Karten: Seit dem 1. Januar 2019 ist das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Dieses fordert unter anderem für Kunststoffe aus Verpackungsabfällen eine Recyclingquote von 58,5 Prozent anstatt wie bisher 36 Prozent. Ab 2021 sollen sogar 63 Prozent recycelt werden.

Das macht nicht nur ein Umdenken und einen Wandel in der Supply Chain erforderlich. Noch dazu soll mit dem Gesetz der Einsatz von Altplastik automatisch zu einem lukrativen und expandierenden Markt werden. Cirplus hilft hier, Transaktionskosten zu senken, neue Standards zu setzen und Transparenz zu schaffen.

Gibt es Kritikpunkte?

Während Glas und Metall auch am Ende ihrer Nutzungsphase einen hohen Wert haben, war Plastik bislang hauptsächlich ein Abfallprodukt. Viele Entsorger können den Kunststoff noch nicht in den Mengen und Qualitäten aufbereiten, die der Markt nachfragt.

Unternehmen setzen außerdem stark auf ihre Langzeitgeschäftsbeziehungen und haben mit der Digitalisierung tendenziell nicht viel am Hut. Kein Wunder, dass aktuell die Nachfrage nach Rezyklaten das Angebot übersteigt und Neukunststoffe an der Tagesordnung sind.

Wenn die Entsorger jedoch merken, dass die Nachfrage konstant hoch bleibt, werden auch sie in Kapazitäten und Prozessoptimierung investieren. Cirplus versucht hier, unterstützend einzugreifen und einen Überblick ähnlich klassischer Rohstoffbörsen zu schaffen.

Für das junge Unternehmen ist also Geschwindigkeit gefragt, um beide Parteien auf die Plattform zu bekommen und damit auch gegen die großen Chemiekonzerne zu bestehen.

Die Gründer sollten zusätzlich ein Abo-Modell oder eine Transaktionsgebühr ins Auge fassen, um sich langfristig zu halten. Aktuell finanziert sich das Start-up lediglich aus Wagniskapital, Fördergeldern und Beiträgen der Entwicklungspartner.

Fazit

Plastikmüll ist eines der drängendsten Umweltprobleme weltweit. Wenn es keine Nachfrage nach den Abfällen aus der verarbeitenden Industrie gibt, werden diese nicht weiterverarbeitet, sondern landen in der Verbrennung, im Export oder der oft unsachgemäßen Deponierung.

Die beiden Gründer versuchen mit ihrer Plattform, den Kreis zwischen der Verpackungs- und Entsorgungswirtschaft zu schließen. Und es lohnt sich. Denn mit jeder Tonne recyceltem Kunststoff, die weiterverwertet wird, werden 85 Prozent der CO2-Emissionen gespart, die bei der Herstellung von Neukunststoffen entstehen.

In Zukunft wollen Christian und Volkan die gesamte Transaktion digital abbilden – vom Suchen und Matching, über die Logistik- und Zahlungsabwicklung, intelligente Preis- und Mengenanalyse bis hin zur Integration von Blockchain-Anwendungen.

So soll das übergeordnete Ziel erreicht werden, nämlich die Unmengen an Plastikmüll auf null zu reduzieren – damit der nächste Segeltörn zu einem schönen Erlebnis wird.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.