Eigentlich sind Romina Mikoteit und Martin Geißler mit ihrem Segelboot „Flow“ auf Weltreise. Jetzt stecken sie aber wegen Corona vor der karibischen Insel Martinique fest – ohne Netflix, mit sehr wenig Platz und viel Zeit.
Wo bist du in diesen Tagen? Selbst wenn du eigentlich zu den Menschen gehörst, die oft und viel reisen, bist du aktuell wahrscheinlich zu Hause. Doch was, wenn du gerade auf Weltreise bist und dein Zuhause ein Segelboot ist, wie bei Romina Mikoteit und Martin Geißler?
Für die beiden heißt der aktuelle weltweite Lockdown: Sie sitzen auf ihrem Segelboot „Flow“ vor der Karibikinsel Martinique fest.
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Zunächst alles andere als traumhaft
Um sie herum kristallklares Wasser, blauer Himmel und 30 Grad Außentemperatur. Beim Telefongespräch mit Mobility Mag sitzen sie gerade auf ihrer kleinen Außenterrasse. Im Hintergrund hört man einen leichten Windstoß. Zugegeben, es gibt schlimmere Orte für die Ausgangssperre. Dennoch war die Situation für die beiden zunächst alles andere als entspannt.
„Wir waren anfangs wirklich im Zwiespalt“, erzählt Romina. „Als am 17. März die Ausgangssperre hier verkündet wurde, wollten wir eigentlich zur Nachbarinsel Dominica aufbrechen. Doch alles war sehr unsicher. Die Lage änderte sich stündlich.“
Für die beiden Segler war das ein Problem. Schließlich hätte es einen Tag gedauert, bis sie dort angekommen wären. Bis dahin hätte Dominica seine Einreisevorschriften ändern können, wie es viele Länder in diesen Tagen taten. „Was, wenn wir angekommen wären – und dann aber nicht mehr hätten einreisen dürfen?“
Was sollten sie tun?
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Natürlich spielte das Paar auch mit dem Gedanken zurück nach Hamburg zu fliegen. Hier betreiben die beiden – normalerweise aus der Ferne – zwei Boardinghäuser, die sie überwiegend an Geschäftsleute für monatelange Projektphasen vermieten.
„Die Flüge waren aber sehr teuer für uns und wir hätten dann unsere Flow praktisch aufgeben müssen“, sagt Martin. Das 50 Jahre alte Segelboot, eine Delta 36, ist aber seit knapp drei Jahren ihr Zuhause. Am 18. Juni 2017 brachen sie damit von Hamburg aus auf und wollten eigentlich auf Weltreise gehen.
Schnell stellte sich heraus, dass Flow dafür nicht ideal war. Daher beschloss das Paar stattdessen im Segelboot die Karibik zu erkunden. Ein Rückflug nach Deutschland hätte diesen Plänen ein Ende bereitet. Flow hätten sie zurücklassen müssen, ohne die Möglichkeit das Boot irgendwo sicher unterzubringen.
Das konnten die zwei dann doch nicht übers Herz bringen, gesteht Romina: „In Deutschland hätten wir auch nur abwarten können und für uns ist unsere Flow einfach unser Zuhause. Also haben wir beschlossen die Coronakrise hier abzuwarten.“
„Es kann sich bedrohlich anfühlen“
„Hier“ ist in dem Fall die französische Insel Martinique. Damit sind sie also offiziell in der Europäischen Union und müssen sich um bürokratische Dinge, wie beispielsweise um auslaufende Visa, keine Gedanken mehr machen. Gleichzeitig bedeutet das, dass sie den französischen, sehr strikten, Lockdown-Vorschriften folgen müssen.
„Wir dürfen nur zum Einkaufen und zum Spazierengehen an Land“, berichtet Martin. Für beides müssen sie vorab ein Formular ausfüllen. Darauf notieren sie den Zweck ihres Landgangs sowie die Uhrzeit. Einkaufen darf immer nur eine Person aus einem Haushalt.
Zum Spazierengehen darf man sich zudem nur eine Stunde pro Tag in einem Radius von einem Kilometer bewegen. All das wird streng kontrolliert.
„Wir sehen hier auch täglich Hubschrauber, die relativ tief über die Segelboote fliegen. Es kann sich schon ein wenig bedrohlich anfühlen“, sagt Martin.
Doch sie machen das Beste aus der Situation. Seitdem sie eine Entscheidung gefällt haben, fühlen sie sich besser. „Wir sind froh hier auf einer europäischen Karibikinsel zu sein“, sagen die beiden.
Weniger Ablenkung, mehr Zeit für einander
Als Selbstständige arbeiten sie auch weiterhin, wenn auch nicht mehr so viel wie vor Corona.
Ihre zwei Boardinghäuser in Hamburg haben noch Mieter. Da es sich um Geschäftsreisende handelt, dürfen sie die Wohnungen weiterhin vermieten. Damit und mit finanzieller Unterstützung der Stadt Hamburg können sie momentan über die Runden kommen.
Dennoch gibt es spürbar weniger zu tun. Die Koordination der Mieter, Gespräche mit dem Steuerberater, Dokumente fürs Finanzamt ausfüllen – all das fällt momentan größtenteils weg. Martin nennt dies auch: „Es gibt weniger Ablenkung.“ Das gibt ihnen als Paar die Möglichkeit, sich mehr Zeit füreinander zu nehmen.
Es klingt ein wenig seltsam, dass das Paar auf einem knapp elf Meter langen und drei Meter breitem Segelboot bislang wenig Zeit für Zweisamkeit hatte. Doch da die beiden nicht nur auf Weltreise sind, sondern auch arbeiten, verbrachten sie viele Stunden täglich am Laptop – jeder für sich.
So hat die Coronakrise für die beiden auch viel Positives: Sie nehmen sich Zeit für ihre Beziehung, für sich selbst, zum Nachdenken – und zum Kochen. Gesunde vegane Ernährung ist für Romina und Martin nämlich sehr wichtig. Daher nutzen sie die zusätzliche Zeit nun, um mehr zu kochen.
Das tun sie übrigens auf einem Petroleum-Herd und Strom gibt es über Solarenergie. Die Grundbedürfnisse sind also gedeckt – bis auf eins.
Da sie momentan zwar über ihre SIM-Karten Internetzugang, aber ein geringes Datenvolumen haben, fällt für sie nämlich die Corona-Beschäftigung Nummer eins – Netflix-Serien schauen – weg. Stattdessen hören die beiden Hörbücher oder lesen sich auch gegenseitig etwas vor.
Neben ihren Vermietungen in Hamburg haben sie aber auch an Bord viel zu tun. „Auf einem Segelboot gibt es immer etwas zu tun“, lacht Romina. Aktuell hat ihre Bord-Toilette ein Leck. Ohne die Möglichkeit Ersatzteile zu bekommen (auf Martinique haben lediglich Supermärkte und Apotheken geöffnet), ist die Reparatur ein tagesfüllendes Projekt.
Auch versuchen sie, so oft es geht, mit ihrem kleinen Beiboot an Land zu gehen und ihre eine Stunde „Freigang“ für Spaziergänge zu nutzen.
Direkt am Strand entlanggehen dürfen sie nicht. Doch sie können die Strände von den Wander- und Waldwegen aus sehen. „Die sind im Moment menschenleer und wunderschön. So muss es ausgesehen haben, bevor all die Touristen hier waren. Jetzt kann man hier wirklich Traumstrände erleben“, sagt Martin.
Man merkt: Die zwei versuchen sich an den kleinen positiven Dingen zu erfreuen. Denn insbesondere die wenige Bewegung, die sie bekommen, schränkt sie doch ein. Gerade für Romina, die eigentlich Physiotherapeutin ist, ist es schwer, so wenig mobil zu sein. Ihre Rettung ist daher das karibische Meer.
„Wir schwimmen jeden Tag. Das ist gleichzeitig unsere Bewegung und unsere Dusche“, sagen die beiden. Ihre Solardusche ist nämlich ebenfalls momentan kaputt. Doch oft liegen sie auch einfach nur an Deck und genießen das Wetter, die Umgebung und auch mal das Nichtstun. Eindrücke aus ihrem Alltag posten sie auch auf ihrem Instagram-Account.
Pläne machen ist sinnlos – beim Segelboot wie bei Corona
Und das wird wohl auch noch eine Weile ihr Alltag sein. Denn Frankreich hat gerade die Ausgangssperre bis zum 11. Mai verlängert. Für Romina und Martin heißt das: Sie werden weiterhin das Beste aus ihrer Situation machen.
„Wir haben ohnehin beim Segeln gelernt, dass man keine langfristigen Pläne macht, weil sich alles so schnell ändert. Das ist jetzt auch nicht anders“, sagt Romina. Bis zur Hurrikan-Saison im Juni sind sie erstmal sicher und gut versorgt. Sollte die Situation länger anhalten, möchten die beiden gen Süden segeln – zu einer Hurrikan-sicheren Insel.
Natürlich haben die beiden sich ihre Reise anders vorgestellt. Doch durch die Coronakrise haben sie auch gelernt, innezuhalten, Achtsamkeit zu üben und dankbar für die Dinge zu sein, die sie bislang erleben durften.
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