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Sollte Technologie in Fahrweise von E-Scootern per Fernsteuerung eingreifen – und, darf sie das?

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Sollte und darf Technologie in Steuerung von E-Scootern eingreifen? (Foto: Pixabay / moovi_escooter)
geschrieben von Marinela Potor

Er kursiert immer wieder. Der Vorschlag, E-Scooter per Fernsteuerung automatisch zu lenken. Smarte Technologie würde dabei automatisch erkennen, ob der Scooter das Tempo drosseln muss oder in einer Zone nicht fahren darf, das Fahrzeug entsprechend steuern – und somit das Ruder vom menschlichen Fahrer übernehmen. Doch: Wäre das überhaupt legal? 

Du bist gerade auf einem Leihscooter unterwegs. Plötzlich spürst du eine Kraft von außen, die die Steuerung übernimmt. Dein Scooter wird langsamer. Kurze Zeit später merkst du, warum.

Du bist in einer verkehrsberuhigten Zone. Weil du es selbst nicht gemerkt hast, hat eine smarte Technologie das Tempo bei deinen E-Scooter per Fernsteuerung gedrosselt.


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Solche Szenarien werden schon länger diskutiert. Denn sie sind technisch möglich. Als E-Fahrzeuge mit GPS-Ortung bieten E-Scooter viele Möglichkeiten der Fernsteuerung.

Mit Technologie Fahrer zum Einhalten der Regeln „zwingen“

Man kann nämlich anhand des Standorts des Fahrzeugs vorab bestimmte Aktionen im Scooter vorprogrammieren. Etwa: Sobald der Scooter in eine verkehrsberuhigte Zone fährt, reduziert sich das Tempo automatisch.

Fernsteuerung heißt also in diesem Fall nicht, dass jemand mit einer Fernbedienung deinen E-Scooter lenkt, sondern eine smarte Technologie mit Hilfe der GPS-Daten „aus der Ferne“ die Steuerung übernimmt.

Teilweise kommt dieses „Geofencing“, wie einige die Technologie nennen, auch schon zum Einsatz, etwa in den Parkverbotszonen, in denen du die Scooter nicht abschließen kannst.

Doch das geht vielen nicht weit genug. So könnte man zum Beispiel einprogrammieren den Scooter automatisch zu stoppen, wenn er in eine Verbotszone fährt, auf einen Schulhof etwa. Geofencing wäre eine Möglichkeit, um Scooter-Fahrer per Technologie dazu zu zwingen sich an die Regeln zu halten.

Das ist auch ein Argument, das E-Scooter-Verleiher selbst in den Raum werfen.

Sie wollen damit zeigen: Wir bemühen uns darum, unsere Fahrzeuge so sicher und sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Kein Wunder! E-Scooter sind vielleicht nicht mehr die größten Hassobjekte in Städten, aber vielen immer noch ein Dorn im Auge. Geofencing könnte die Akzeptanz weiter steigern.

Nun hat aber Claus Unterkircher, General Manager für den schwedischen E-Scooter-Verleiher Voi im DACH-Raum, erklärt: E-Scooter per Fernsteuerung lenken ist rechtlich gar nicht erlaubt.

Verbieten Gesetze E-Scooter per Fernsteuerung zu lenken?

Unterkircher sagt: „Nach geltendem Recht ist ein Ferneingriff in die Fahrgeschwindigkeit von E-Scootern untersagt. Jegliche
Bestrebungen zur Einführung von Zonen mit Tempobegrenzungen für E-Scooter stehen daher im Konflikt mit der deutschen Rechtslage. Aus Gründen der Sicherheit und der geltenden Vorschriften haben wir von einer Einführung des Geofencings in Deutschland daher bisher abgesehen und werden dies auch bis zu einer Änderung der Rechtslage weiterhin tun.“

Unterkircher bezieht sich dabei auf das Wiener „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“, das aktuell von fast 100 Ländern weltweit ratifiziert wurde, auch von Deutschland. Darin gibt es eine Passage, die besagt:

Jeder Fahrzeugführer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können.“

Und:

Jeder Fahrzeugführer muss sein Fahrzeug jederzeit beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können.

Demnach dürfte man gar nicht in die Fahrweise der E-Scooter per Fernsteuerung oder andere Technologien wie etwa smarte Algorithmen eingreifen. Das ist zumindest der Standpunkt von Voi.

Doch: So ganz stimmt das nicht.

Denn seit 2014 gibt es eine neue Ergänzung. Und diese bezieht sich ausdrücklich auf autonomes, beziehungsweise automatisiertes Fahren. Denn mit Voranschreiten der autonomen Technologien in Fahrzeugen war auch klar, dass die Selbstbestimmung des Fahrers eine rechtliche Hürde zum fahrerlosen Auto darstellte.

Entsprechend hat man zum Wiener Übereinkommen eine neue Klausel zu Fahrerassistenzsystemen eingeführt. Diese ist wiederum am 23. März 2016 in Kraft getreten. Diese neue Regelung spiegelt sich auch im deutschen Straßenverkehrsgesetz wider. Hier heißt es in §1a:

Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion ist zulässig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.

Der automatisierte Eingriff in die Steuerung wäre damit ausdrücklich erlaubt. Es gibt allerdings einige Einschränkungen.

Fahrer muss jederzeit Kontrolle übernehmen können

So muss dem Fahrer beispielsweise sehr sichtbar, hörbar oder spürbar signalisiert werden, dass jetzt das Assistenzsystem die Steuerung übernimmt.

Das kennst du etwa von automatisierten Bremssystemen in neueren Automodellen. Wenn dein Auto denkt, dass du zu nah an ein Objekt fährst, fängt es an zu piepsen und die Bremse wird automatisch betätigt.

Eine weitere Voraussetzung für ein derartiges Eingreifen ist aber auch: Der Fahrer muss jederzeit wieder manuell die Kontrolle übernehmen können.

Im Gesetz heißt es wörtlich, dass die Technologie „jederzeit durch den Fahrzeugführer manuell übersteuerbar oder deaktivierbar“ sein muss.

Dennoch: Der Einwurf von Voi ist etwas irreführend. Denn nach dieser Aussage wäre es nicht nur technisch, sondern auch rechtlich möglich, die E-Scooter automatisiert per Fernsteuerung zu lenken.

Dazu heißt es von Voi gegenüber Mobility Mag: „Diese Regelungsinhalte sind noch relativ neu. Die Bestimmung, dass der Fahrzeugführer die komplette Herrschaft über sein Fahrzeug ausübt und dass diese Herrschaft nicht beschnitten werden darf, besteht hingegen schon sehr viel länger.“

Ob ein vier Jahre altes Gesetz tatsächlich so neu ist, sei mal dahingestellt. Voi hat aber in einem anderen Punkt recht. Es gäbe tatsächlich ein ganz anderes legales Problem für E-Scooter. Sie fallen nicht unter die Definition von „Kraftfahrzeugen“, auf die sich die Passage zu automatisierten Systemen ausdrücklich bezieht.

Denn ihr Motor-Tempo ist bei 25 Kilometer pro Stunde am Limit. In diesem Sinne ist die Lage tatsächlich rechtlich knifflig. Denn klare Regelungen zu automatisierten Elektrokleinstfahrzeugen gibt es bislang nicht.

Doch selbst wenn es möglich wäre, müsste man sich dann auch die Frage stellen: Würde es überhaupt etwas bringen, die E-Scooter per Fernsteuerung zu lenken und so in die Fahrweise der Nutzer von außen einzugreifen, wenn diese jederzeit wieder das Steuer übernehmen können?

Manchmal hilft ein kleiner Anstoß

Einerseits gibt es sicherlich Nutzer, die trotz einer fremden Hand am Lenkrad, einfach wieder aufs Tempo drücken würden. Das könnte man vielleicht nicht verhindern, aber beispielsweise durch Geldstrafen sanktionieren, wie es etwa schon jetzt beim illegalen Abstellen der Scooter der Fall ist.

Andererseits würden viele Nutzer sicher auf die automatisierte Steuerung ihrer Scooter hören. Schließlich ist es auch einfach mal der Fall, dass man als Fahrer ein Schild übersehen hat. Das kann man natürlich kritisieren.

Doch oftmals könnte in einem solchen Fall ein kleiner Anstoß per Fernsteuerung schon helfen, damit die Nutzer die Regeln anschließend eigenständig beachten. Das wäre schließlich die sicherste Variante für alle Beteiligten.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.