Die Diskrepanz zwischen dem Profi- und Breitensport ist in der Corona-Pandemie enorm. Wann endet das Verständnis, wo beginnt die Kritik? Und was meint Karl-Heinz Rummenigge, wenn er dem Fußball in Bezug auf Impf-Skepsis eine Vorbildfunktion zuspricht? Eine persönliche Einordnung.
Die Ränge in den Stadien sind weitestgehend leer. Vor allem die verantwortlichen Manager und Co. nehmen in den Schalensitzen Platz – oft mit Abstand, aber nicht immer mit akkurat sitzendem Mund- und Nasenschutz.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Personen permanent getestet werden und sich daher neben der Otto-Normal-Bevölkerung grundsätzlich sicherer fühlen sollten: Wie viel Hohn strahlt dieses Bild aus? Vor allem, wenn die Nase rausschaut.
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Davon abgesehen spielen der Fußball und Deutschland seit Jahrzehnten mannschaftsdienlich in einem Team. Zwar splittet der klassische schwarz-weiße Ball die Lager, doch laut einer Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse für das Jahr 2020 leben rund 48 Millionen Fans in Deutschland. Das ist mehr als die Hälfte aller Einwohner.
Ungleichseitiges Dreieck: Fußball, Corona und Deutschland
Auch ich gehöre zu den fast 50 Millionen Fußball-Fans. Und das nicht nur nebenbei, sondern mit ausgeprägter Leidenschaft. Damit bin ich einer von sehr vielen, denn der Sport gilt hierzulande als besonders populär. Oder mit weniger Zurückhaltung: Fußball ist die beliebteste Sportart in Deutschland. Punkt. Abpfiff.
Doch die Corona-Pandemie treibt einen Keil ins Fan-Lager. Während die einen wie selbstverständlich auf ihren Fußball bestehen, äußern andere ihre Skepsis hinsichtlich der weiteren Ausübung. Und mittendrin verdoppeln sich die Abo-Abschlüsse, um Live-Sport zu streamen.
Es ist eine komplizierte Debatte. Natürlich hängen am Fußball-Business viele Jobs auf unteren Ebenen. Dort fehlt aber die Transparenz, sodass sich die weiter oben geäußerten Worthülsen nur schwer füllen.
Außerdem genügt die singuläre Betrachtung nicht, und der Vergleich wirft Fragen auf. Wieso darf der Profifußball mit Hygienekonzepten stattfinden, im Breitensport bleiben die Schuhe indes ungeschnürt? Die simple Antwort: Weil es finanziell möglich ist.
Dass es sich beim Fußball um ein globales Geschäft handelt, ist auch durch die Fan-Brille klar ersichtlich. Abseits der VIP-Logen pulsiert dennoch ein sportliches Herz.
So avancieren sogar Geisterspiele für etliche Menschen zu dankbaren Highlights, die die Corona-Krise zumindest für die berühmten 90 Minuten ins Abseits stellen. Wie erwähnt: Es ist ein Dreieck mit ungleichen Seiten.
Fußball und Corona: Rote Karte für den Breitensport
„Für die Gesellschaft sind wir sehr viel wertvoller als ein Bundesligaverein“, sagte Hajo Rosenbrock vom Turn-Klubb zu Hannover kürzlich im Gespräch mit dem NDR. Zustimmung oder nicht: Das ist im Kontext nicht relevant, denn der Subtext verdeutlicht primär den verständlichen Frust über die ungleichen Möglichkeiten.
Das Problem ist aber, dass es wohl kein Hygienekonzept für den Breitensport gäbe, weil die konsequente Isolierung, wie sie zumindest in der Theorie im Profifußball stattfindet, nicht umsetzbar wäre. Daher geht es weniger um eine Betriebserlaubnis für den Freizeitsport und vielmehr um eine faire Ausübung im Profisektor.
Zurück zum Bild der Verantwortlichen, oft mit üppigen Gehältern ausgestattet, die auf den Tribünen sitzen und ihre Masken zum Teil unter dem Kinn tragen. Hin zu den Spielern mit Vorbildfunktion, die sich lachend umarmen und im Gesicht tätscheln, sowie zu den Offiziellen, die sich die Hände schütteln.
Da fanden Begegnungen wie das Nations-League-Spiel zwischen der DFB-Mannschaft und der Ukraine trotz mehrerer positiver Tests statt, während die Infektionszahlen im Land erheblich stiegen.
Solche Bilder und Entscheidungen vergrößern die Kluft und erhöhen den Unmut. Muss der FC Bayern München aktuell zwingend nach Katar fliegen, um dort Fußballspiele auszutragen? Hier kann die Antwort nur „nein“ lauten – auch abseits der generellen Infragestellung einer Partnerschaft mit dem Emirat.
Am 11. Februar 2021, dem Tag des Klub-WM-Finalspiels zwischen dem FC Bayern und dem mexikanischen Verein UANL Tigres, wurde berichtet, dass sich der deutsche Spieler Thomas Müller mit dem Coronavirus infiziert hat. Die Idee vom sportlichen Vorbild ist sinnvoll, doch sie bröckelt zunehmend.
„Lässt sich ein Spieler impfen, wächst das Vertrauen“
Auch der Funktionär vom FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, sieht im Fußball eine Vorbildfunktion. Gegenüber Sport1 sagte er, dass „ein Teil der Bevölkerung das Impfen aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen noch kritisch“ betrachte. Seine Schlussfolgerung erntet derzeit viel Kritik:
Hier kann der Fußball aber etwas ganz Wichtiges leisten und mit gutem Vorbild vorangehen. Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung.
Bei aller Liebe zum Fußball. Angesichts der bereits stark erhitzten Situation und der deutschlandweit kolossalen Knappheit der Impfstoffe zeugt es von wenig empathischer Umsicht, einen derartigen Vorschlag laut auszusprechen.
Auch wenn Rummenigge sich in seinem Eifer möglicherweise von den 12.000 Zuschauern beim Halbfinale der Klub-WM beflügeln ließ.
Zwar ergänzt der Vorstandschef seine Idee folgendermaßen: „Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.“ Doch das ist nur Ergebniskosmetik.
Die Gedanken verdeutlichen einmal mehr, dass der Profifußball seine Sonderstellung nur schwer zu schätzen weiß. Überspitzt formuliert, denn natürlich funktioniert auch die Verallgemeinerung nicht. Zumal Rummenigge im Bereich ungünstiger Äußerungen kein unbeschriebenes Blatt ist.
Dennoch: Wer ein Privileg genießt, sollte auch wissen, wie man damit umgeht.
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