Deutsche Gründerinnen spielen keine wichtige Rolle in der deutschen Start-up-Szene. Das hat sich leider auch 2020 nicht geändert. Doch warum haben es Frauen so schwer? Wir analysieren die Probleme und stoßen dabei unter anderem auf veraltete Rollenbilder.
Der neue Female Founders Report (FFR) 2021 zeigt es überdeutlich: Start-up-Gründungen von Frauen machen mit rund zwölf Prozent nur einen Bruchteil der Gründungen insgesamt aus. In der Finanzbranche sind es nur sieben Prozent und in der IT- und Kommunikationsbranche sogar nur sechs Prozent.
Eine Ausnahme stellt die Textilbranche dar. Hier liegt der Anteil bei rund 27 Prozent. Und bedauerlicherweise verändert sich dieser Prozentsatz auch seit Jahren nicht. Der FFR versucht aber, die Gründe hierfür aufzuzeigen.
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Die Geldgeber vertrauen Gründerinnen seltener
Im FFR befragte deutsche Gründerinnen führen an, dass die Gremien, die über die Vergabe von Wagniskapital entscheiden, überwiegend männlich besetzt sind.
Dies wirke sich dann entsprechend auf die Entscheidung über die Kapitalvergabe aus. Konkret führe das dazu, dass weibliche Gründerteams nicht im gleichen Umfang Geld erhalten, wie dies bei männlichen Gründerteams der Fall sei.
Allerdings gibt es laut dem FFR inzwischen vermehrt Investorinnen und Investmentgesellschaften, die mit Frauen besetzt sind. Dies hat zur Folge, dass die Kapitalvergaben an Gründerinnen verstärkt erfolgen.
Eine Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2019 untermauert dabei dieses Ergebnis. Gründerinnen erhalten weniger Förderung von Investoren. Rein weibliche Start-ups in Deutschland haben nach dieser Studie eine 18 Prozent geringere Chance, gefördert zu werden.
Bei der Suche nach einem Hauptinvestor sind die Chancen sogar um 25 Prozent geringer. Die Studie der BCG kommt sogar zu dem Ergebnis, dass sich diese finanzielle Hürde durch „sämtliche Phasen der Gründungsfinanzierung“ hindurch zieht.
Wenn Frauen gründen, dann häufig zusammen mit Männern
Der FFR 2021 kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass Frauen, die ein Unternehmen gründen, dies in rund der Hälfte der Fälle in einem Team mit mindestens einem Mann machen. Reine Frauenteams haben lediglich einen Anteil von 16 Prozent. Die restlichen 34 Prozent sind Solo-Gründerinnen.
Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Eine Erklärung ist, dass Frauen, die den Mut haben, ein Unternehmen aufzubauen, Machereigenschaften besitzen und es sich nicht leisten können und wollen, immer nur verbindlich zu sein und bei auftretenden Konflikten zurückzustecken.
Dies passt zu Eigenschaften, die vornehmlich Männern zugeschrieben werden.
Weniger Medienpräsenz für deutsche Gründerinnen
Michelle Skodowski, Gründerin des Start-ups Botfriends, merkt im FFR 2021 an, dass es insbesondere Selbstbewusstsein für eine Firmengründung braucht. Man darf „nicht glauben, dass die eigene Idee nichts wert ist.“
Weiter muss man muss den Mut haben, sich innerhalb des Gründerteams nicht in Aufgabenbereiche drücken zu lassen, die eher im Hintergrund stattfinden.
Darüber hinaus spielt auch eine Rolle, dass männliche Gründerteams und auch gemischte mehr Platz in den Medien bekommen als die reinen Frauenteams. Dies führt zu fehlenden Vorbildern. Zudem entsteht der Eindruck, dass Teams mit Männern besser repräsentiert sind.
Aber der plausibelste Grund für das Ergebnis im FFR 2021 ist wohl die Tatsache, dass die Anzahl der Frauen, die eine Gründung wagen, einfach gering ist. Dadurch ist die Möglichkeit, in einem reinen Frauenteam zu gründen, oftmals schlichtweg nicht gegeben.
Frauen in Führungspositionen tragen am Häufigsten zum Wandel bei
Welche Schlussfolgerungen kann man nun aus den Ergebnissen des FFR 2021 ziehen? Frauen müssen schon in jungen Jahren ermutigt werden, Unternehmensgründungen nicht als etwas Ungewöhnliches zu sehen.
Frauen, die selbst Führungspositionen wahrnehmen oder eine Gründung erfolgreich gemeistert haben, helfen am häufigsten dabei, ebenfalls weibliche Gründerinnen zu unterstützen.
Nicole Hoffmeister-Kraut, Mitglied des Landtags und Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg, macht in ihrem Vorwort zum FFR 2021 darauf aufmerksam, dass es in Deutschland aktuell nicht nur über die „am besten qualifizierte Frauengeneration aller Zeiten“ gibt, sondern diese hochqualifizierten Frauen auch entscheidend für die „Zukunftsfähigkeit unseres Landes“ sind.
Deutsche Gründerinnen schaffen im Durchschnitt 23 Arbeitsplätze
Auch Dorothee Bär Mitglied des Bundestags, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung führt in ihrem Vorwort aus, dass es sich nicht um ein reines „Nice-to-have“ handelt, wenn mehr Frauen zu Gründerinnen werden.
Für Frau Bär gibt es „knallharte wirtschaftliche Gründe“, Frauen den Weg zu mehr Gründungen zu ebnen. Deren Blick auf wirtschaftliche Notwendigkeiten und das andere Angehen und Lösen von Problemen zu ignorieren, ist aus ihrer Sicht eine „vertane Chance.“
Und der FFR 2021 unterstreicht diese Einschätzung. Denn Gründerinnen schaffen im Durchschnitt 23 Arbeitsplätze, im Gegensatz zu Gründern mit 17.
Erfahrungsberichte erfolgreicher Gründerinnen
Welche konkreten Gründe halten nun Frauen davon ab, Unternehmen zu gründen? Hierzu finden sich einige bemerkenswerte Aussagen erfolgreicher Gründerinnen im FFR 2021.
Lina Wüller, Gründerin des Start-ups Ovy merkt an, dass es an Unterstützung von Gründerinnen fehlt, die parallel zur Unternehmensgründung Mutter werden.
Dabei denkt sie an finanzielle Hilfen wie Zuschüsse. Diese ermöglichen es Müttern, zeitnah nach der Geburt wieder in das Unternehmen zurückzukehren und eine gute Betreuung für das Kind zu bezahlen.
Margarete Koch, Gründerin von Mapadoo und zweifache Mutter sagt, dass es „eher das Umfeld und das Angebot ist, dass man als Mutter schwer wahrnehmen kann.“
Veraltete Rollenbilder
Viele Treffen von Gründern finden abends statt. Das ist die Zeit, zu der bei Müttern „das Abendprogramm“ ansteht. Diese Problematik trifft auch auf Weiterbildungen zu.
Und Stefanie Langner, Gründerin des Start-ups Leankoala, bemerkte bei der Kapitalbeschaffung, dass Investoren sich bei „einer Gründerin mit an Bord“ die Frage stellten, „ob sie nicht bald schwanger wird und was das für das Unternehmen und das Geschäft bedeutet.“
Stefanie Langner merkt an, dass diese Frage nie an einen Mann herangetragen worden wäre. Sie ist sich absolut sicher, dass „wir zu einigen Gesprächen [mit Investoren] gar nicht erst eingeladen wurden.“
Fazit
Auf dem Weg zum Start-up haben Frauen mehr Steine aus dem Weg zu räumen als ihre männlichen Kollegen. Das liegt zum einen insbesondere an den Einstellungen der Gründerinnen, zum anderen aber auch an an den Förderungen und der Kapitalausstattung.
Politik und Wirtschaft bemühen sich zwar, Änderungen herbeizuführen. Aber ohne ein breit angelegtes Umdenken – insbesondere in den Köpfen der Entscheidungsträger der aufgelegten Förderprogramme oder Wagniskapitalgeber – wird sich nur schwer etwas ändern.
Erfreulich ist, dass es hier langsam, aber stetig zu Veränderungen kommt.
Letztendlich bedarf es konkreter Maßnahmen, damit Frauen bestärkt werden, ein Start-up zu gründen. Es müssen Mentoren-Programme ausgebaut, mehr Investorinnen aktiviert und eine bessere unternehmerische Bildung in Schulen umgesetzt werden, um dort schon das Ziel „Unternehmerin“ als erstrebenswert anzusetzen.
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