Wirtschaft

Brauchen wir eine neue Unternehmensform in Deutschland?

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In Deutschland soll eine neue Gesellschaftsform entstehen. (Foto: Pixabay.com / ceskyfreund36)
geschrieben von Carsten Lexa

Deutschland diskutiert mal wieder über eine neue Gesellschaftsform. Die Idee dahinter: Wir brauchen eine Unternehmensform, die über das Gewinnstreben hinausgeht und zugleich keine Stiftung ist. Der bisherige Ansatz macht jedoch alles nur schlimmer. Eine Einordnung.

Ende letzten Jahres sorgte eine Schlagzeile für Furore. Mehr als 500 Unternehmer:innen und Wirtschaftsexperten forderten eine neue „Gesellschaft für Verantwortungseigentum“.

Dieser Rechtsform einer Gesellschaft lag die Idee zugrunde, dass Firmen im Sinne der Gründer:innen weitergeführt werden sollen. Sprich: Nachfolger halten sich an die Firmenziele. Nach Kritik am ursprünglichen Vorschlag gibt es nun eine neue Fassung. Es bleibt jedoch die Frage: Braucht Deutschland diese neue Unternehmensform?


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Neue Gesellschaftsform geht über den Gewinn hinaus

Immer wieder gibt es in Deutschland Ideen für neue Gesellschaftsformen. Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) oder UG, salopp als „kleine Schwester der GmbH“ bezeichnet, ist beispielsweise das Ergebnis einer Entwicklung, die auf der Popularität der englischen Limited basierte.

Und diese Gesellschaftsform ergibt Sinn. Schließlich hat sie doch endlich die Idee eines Mindestkapitals für eine Kapitalgesellschaft in Deutschland gesprengt.

Bei der neuen Gesellschaftsform geht es um die Frage, ob Unternehmen auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein sollen oder auf einen bestimmten Zweck. Dieser Zweck ist wichtiger als das reine Gewinnstreben.

Es geht insbesondere darum, dass die Gesellschafter ihr Kapital nicht aus einem Unternehmen abziehen, um sich finanziell zu bereichern.

Neue Gesellschaftsform unnötig? Stiftung existiert bereits

Die Kritik an dieser Idee lies nicht lange auf sich warten. Denn eine Gesellschaftsform, die über die Idee der Gewinnerzielung hinausgeht, gibt es in Deutschland schon. Das ist die Stiftung. Sie lässt sich so einsetzen, dass sie auch für ein gewerbliches Unternehmen verwendbar ist.

Die Idee hinter der neuen Gesellschaftsform sei also im Grunde gar nicht so neu. Die Unterstützer der neuen Gesellschaftsform argumentieren jedoch damit, dass die Gründung und Verwendung einer Stiftung zu kompliziert sei.

Deshalb braucht es eine einfachere Möglichkeit. Das gilt insbesondere für Familienunternehmen und Gründer:innen, die Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Gesellschaft demonstrieren wollen.

Darüber hinaus würde in der neuen Gesellschaftsform auf der einen Seite Kapital „eingesperrt“. Schließlich soll es gerade nicht mehr abfließen. Auf der anderen Seite kann man einen Abfluss über Gesellschafterdarlehen, Mietpachtverhältnisse oder Lizenzvereinbarungen gar nicht verhindert.

Kurzum sagen die Kritiker: Die Idee hinter der neuen Gesellschaftsform ist unausgegoren.

Neue Impulse für die Gesellschaft für Verantwortungseigentum

Nachdem die Idee der neuen Gesellschaftsform zwar auf Interesse gestoßen, die Kritik aber wohl zu stark war, erfolgte eine Weiterentwicklung. Im Kern geht es immer noch um die Frage, wie man eine Gesellschaftsform schafft, deren Kapital und Gewinne in einer bestimmten Art gebunden sind.

Die neue Gesellschaft soll nun „Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen“ heißen. Im Kern geht es um die Kontinuität des Unternehmens.

Demnach sollen die Gesellschafter das in der Gesellschaft gebundene Vermögen nicht persönlich für sich vereinnahmen können. Umwege über Dividendenausschüttungen oder den Verkauf eines Geschäftsanteils zu höheren Preisen sind nicht angedacht.

Vielmehr sollen sie ihre Anteile als Treuhänder für die nächste Unternehmergeneration halten.

Die Beschränkung dieser Gesellschaftsform liegt in der Nutzung des Gewinns. Dieser darf ausschließlich in das Unternehmen selbst, in die Entwicklung neuer Ideen oder das Wachstum fließen.

Die Absicherung der Gesellschaftszwecks

Das Versprechen der Vermögensbindung darf aber nicht einfach nur eine Behauptung sein. Es braucht eine Absicherung.

Die Gesellschaft müsse deshalb einen erwerbswirtschaftlichen oder gemeinnützigen Zweck verfolgen, damit darin nicht nur Kapital geparkt werde. Außerdem ist ein jährlicher Bericht vorgesehen, in dem das Unternehmen die Vermögensbindung nachweisen muss.

Rechtliche Einschätzung zur neuen Gesellschaftsform

Als Gesellschaftsrechtler finde ich jede Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts spannend. Ich verfolge die Entwicklungen immer mit besonderem Interesse.

Die vorliegende Idee jedoch finde ich jedoch immer noch unausgegoren – oder eben typisch deutsch. Sie ist sehr ausdifferenziert, führt aber zu einer Verkomplizierung der bestehenden Situation.

Warum die neue Gesellschaftsform alles komplizierter macht

Meiner Ansicht nach ist die Idee für eine Gesellschaftsform gar nicht schlecht. Denn die Errichtung einer Stiftung ist für Familienunternehmen tatsächlich nicht einfach und deshalb nicht immer sinnvoll. Hier eine Vereinfachung zu erreichen, würde neue Gestaltungsinstrumente insbesondere in der Unternehmensnachfolge schaffen.

Allerdings stellt sich mir die Frage, warum die Lösung nicht einfach eine Art „Stiftung light“ ist. Dann bräuchte man keine vollkommen neue Gesellschaftsform mit neuem Regelungsrahmen, sondern könnte auf etwas Bestehendem aufbauen und das vereinfachen.

So wurde es ja mit der UG auch gemacht, nachdem über Jahre das Festhalten an einem Mindestkapital in Höhe von 25.000 Euro bei der GmbH kritisiert wurde.

Starre Regelungen torpedieren unternehmerische Freiheit

Darüber hinaus jedoch gibt es noch einen Punkt, den ich nicht gut finde – und damit meine ich das, was mich oben zu der Formulierung „typisch deutsch“ gebracht hat. Die vorliegende Ausarbeitung der sicherlich interessanten Idee zeigt nämlich ein interessantes Bild von Unternehmertum.

Es ist doch schon jetzt ohne weiteres möglich, eine Bindung von Kapital und eine Weitergabe des Unternehmens sicherzustellen. Dazu braucht es doch keinen völlig neuen Rechtsrahmen. So kann beispielsweise in GmbHs über einen Beirat eine Bindung des Kapitals erzeugt werden.

Natürlich ist diese dann nicht so fest, wie bei einem gesetzlichen Rahmen, weil sie nur freiwillig erfolgt. Aber um zu zeigen, dass die Gesellschaft einen „höheren Zweck als nur Gewinnmaximierung“ verfolgt, ist das meiner Ansicht nach ausreichend.

Diese Bindung fußt dann aber auf einer freiwilligen Regelung, die dann entsprechend kommuniziert und gelebt werden muss. Es sollte aber gerade den Unternehmer:innen überlassen werden, ihr Unternehmen so zu gestalten, wie sie das wollen. Eine weitere starre Regelung bedarf es meiner Ansicht nach nicht.

Die vorgelegte Idee ist deshalb in meinen Augen interessant, sogar gut begründet – aber eben auch überzogen, weil sie unnötig ist. Anstatt etwas Neues zu schaffen, das die Landschaft an bestehenden Gesellschaften verkompliziert, sollte vielmehr darüber nachgedacht werden, wie die Verwendung der bisherigen Gesellschaften vereinfacht werden könnte.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.