Wirtschaft

Hat Cristiano Ronaldo Coca-Cola wirklich 4 Milliarden Verlust beschert?

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geschrieben von Christian Erxleben

Cristiano Ronaldo stellt auf einer Pressekonferenz demonstrativ zwei Coca-Cola-Flaschen weg – und die Coca-Cola-Aktie bricht ein. Diese Meldung verbreiten Medien. Allerdings lässt sich ein direkter Zusammenhang nicht feststellen. Die Probleme liegen an anderer Stelle.

Cristiano Ronaldo stellt Coca-Cola-Flaschen weg

Zum Auftakt der Gruppenphase hat Portugal um Superstar Cristiano Ronaldo am 15. Juni 2021 um 18 Uhr gegen Ungarn gespielt. Am Ende stand ein 3:0-Erfolg auf dem Ergebniszettel.

Im Anschluss an das Spiel stellte Cristiano Ronaldo auf der obligatorischen Pressekonferenz gleich zu Beginn zwei vor ihm stehende Coca-Cola-Flaschen weg. Er tauscht sie gegen eine Flasche Wasser aus.

Coca-Cola-Aktie im Minus: Medien suchen Zusammenhang zur Ronaldo-PK

Am darauffolgenden Tag, dem 16. Juni 2021, sind die Medien in Deutschland und den USA plötzlich voll von Meldungen. Demnach habe Cristiano Ronaldo mit seiner Aktion auf der Pressekonferenz nach dem Spiel die Coca-Cola-Aktie auf Talfahrt geschickt.

Von vier Milliarden US-Dollar Verlust ist in (fast) allen deutschen Medien – von der FAZ über die SZ bis hin zu Spox und Business Insider – die Rede.

Schließlich ist die Geschichte auch einfach zu schön, um wahr zu sein. Ein Weltstar und Vorbild entscheidet sich öffentlichkeitswirksam gegen ein ungesundes Getränk und prompt folgt die wirtschaftliche Retourkutsche.

Doch – und das ist die entscheidende Frage – hat die Coca-Cola-Aktie wirklich aufgrund von Cristiano Ronaldo eingebüßt? Die Antwort: (Vermutlich) eher nicht.

Der Kursverlauf der Coca-Cola-Aktie

Zunächst einmal hilft bei all dem ein Blick auf den tatsächlichen Aktienkurs von Coca-Cola. Dieser lag am Anpfiff um 18 Uhr bei 55,26 US-Dollar. Um 21 Uhr – also ungefähr zur Zeit der Pressekonferenz – lag der Kurs bei 55,44 US-Dollar und der Tagesabschluss lag bei 55,42 US-Dollar.

Der akute Kursverlust je Aktie liegt also bei 2 Cent – oder hochgerechnet auf die 4,3 Milliarden Coca-Cola-Aktien bei einem Verlust von 86 Millionen US-Dollar.

Am darauffolgenden Tag, dem 16. Juni 2021, ist der Kurs der Coca-Cola-Aktie von der Eröffnung bei 55,26 US-Dollar auf 54,67 US-Dollar zum Börsenschluss gefallen.

Bei 56 Cent Tagesverlust und 4,3 Milliarden Aktien liegt der Verlust am Tag nach der Pressekonferenz also bei rund 2,5 Milliarden US-Dollar. Das sind immer noch keine vier Milliarden US-Dollar Verlust aber immerhin ein beachtlicher Wert.

Viele Faktoren beeinflussen Aktienkurse

Jetzt klingt es natürlich schön, wenn der Wert eines (unbeliebten) Konzerns aufgrund einer Aussage um abschließend 2,5 Milliarden US-Dollar einbricht. Tatsächlich ist diese Geschichte zwar schön, aber (vermutlich) nicht wahr.

Um eine fundierte Antwort auf die Frage zu liefern, müssen alle für die Coca-Cola-Aktie relevanten Faktoren im entsprechenden Zeitraum betrachtet werden. Ebenso wichtig ist es, sich die Kursreaktion von Konkurrenten wie Pepsi und der gesamten Börse anzuschauen.

Hinzu kommen dann noch unbestimmbare Faktoren wie: Wie viele Menschen, die Coca-Cola-Aktien haben, haben die Pressekonferenz gesehen und daraufhin beschlossen, ihre Aktien zu verkaufen?

US-Notenbank hebt Leitzins und verursacht Kursrutsch

Es bleiben also Fragen über Fragen. Ebenso gibt es eine wahrscheinliche Erklärung für die Kursverluste. Die US-Notenbank Fed hat am Tag nach dem Portugal-Spiel verkündet, dass sie den Leitzins früher als erwartet anheben will.

In der Folge ist nicht nur die Coca-Cola-Aktie eingebrochen. Auch Pepsi hat fast synchron Verluste eingefahren. Und damit nicht genug: Der gesamte US-Leitindex Dow Jones ist nach der Ankündigung um 0,8 Prozent eingebrochen. Selbst der Tech-Index Nasdaq ist um 0,2 Prozent geschrumpft.

Von Getränkeherstellern bis hin zu Immobilienfirmen und Technologiekonzernen haben also am 16. Juni 2021 durch die Bank sehr viele Unternehmen an Kurswert verloren.

Haben die Medien die Dividendenzahlung von Coca-Cola vergessen?

Auf der Suche nach Ursachen für den Fehler hat Thomas Knüwer in seinem Blog beispielsweise die Vermutung aufgestellt, dass die Coca-Cola-Aktie überhaupt nicht aufgrund von Cristiano Ronaldo eingebrochen ist, sondern aufgrund der Dividendenausschüttung und der daraus resultierenden Kursbereinigung der Coca-Cola-Aktie.

Allerdings war der Ex-Dividenden-Tag von Coca-Cola der 14. Juni und nicht der 15. Juni. Dementsprechend ist der Kurs aus diesem Grund am Montag zum Börsenstart gefallen und nicht etwa am Dienstag.

Im Gegenteil: Nach dem Ex-Dividendentag ist die Coca-Cola-Aktie zum Handelsstart am Dienstag zunächst einmal leicht gestiegen.

Wie im Fall von Cristiano Ronaldo ist es auch hier nicht richtig, einen finalen Zusammenhang herzustellen. Der sprichwörtliche Teufel steckt mal wieder im Detail.

Der Journalismus und seine Probleme

Warum sind also sehr viele Medien auf den fahrenden Coca-Cola-Zug aufgesprungen, obwohl ein kausaler Zusammenhang definitiv nicht festzustellen ist? Die Antwort auf diese Frage ist vielseitig.

Einerseits ist die skizzierte Robin-Hood-Geschichte um Cristiano Ronaldo sehr aufmerksamkeitsstark. Viel Aufmerksamkeit sorgt für viele Klicks und viele Klicks wiederum wirken sich in der Regel positiv auf die wirtschaftliche Situation von Medienhäusern aus.

Andererseits ist Recherche aufwendig. Aktienkurse suchen und vergleichen, Zeiten umrechnen, Zusammenhänge in Frage stellen: All das ist zeitraubend. Da ist es wesentlich leichter, dem allgemeinen Tenor zu folgen und die Geschichte mit den vier Milliarden US-Dollar Verlust nach zu zeichnen.

Der Bestätigungsfehler

Hinzu kommen noch psychologische Komponenten – allen voran der Bestätigungsfehler. Dieser Begriff aus der Kognitionspsychologie meint die Neigung dazu, Informationen so auszuwählen, dass sie zu unseren Erwartungen passen.

Oder anders ausgedrückt: Wenn wir wollen, dass die Coca-Cola-Aktie aufgrund von Cristiano Ronaldo eingebrochen ist, neigen wir von Natur aus dazu, dieser Argumentation zu folgen und andere Argumente wie die Zins-Anhebung außer Acht zu lassen.

Fazit

Die Geschichte rund um Cristiano Ronaldo und die Coca-Cola-Aktie ist ein Lehrbuch für die menschliche Psychologie, den Online-Journalismus und auch die Börse.

Viele Medien sind den einfachen Weg gegangen, ohne nach anderen Ursachen zu suchen. Welche der Ursachen für welche Kursbewegung an der Börse gesorgt hat, lässt sich final allerdings auch nicht beantworten. Fest steht also nur: Cristiano Ronaldo hat die Coca-Cola-Aktie (sehr wahrscheinlich) nicht beeinflusst. Aber final wissen wir es nicht.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.