Wer bei Google, Facebook oder Twitter im Home Office arbeitet, bekommt weniger Gehalt als Angestellte im Büro. Doch wie sieht die rechtliche Situation rund um eine Gehaltskürzung im Home Office in Deutschland aus? Ein Interview mit Rechtsanwältin Trixi Hoferichter.
Google gehört mit seinen 135.000 festangestellten Mitarbeiter:innen zu den größten Arbeitgebern der Welt. Als die weltweite Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 ausbrach, beorderte der Technologie-Konzern seine komplette Belegschaft ins Home Office.
Da Google jedoch – wie auch Facebook und Twitter – auf ein ortsabhängiges Lohnmodell setzt, droht vielen Mitarbeiter:innen eine Gehaltskürzung im Home Office. Zum Teil sollen die Bezüge bis zu 25 Prozent geringer ausfallen.
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In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob derartige Gehaltskürzungen auch für Angestellte in Deutschland drohen. Schließlich haben auch hierzulande viele Menschen in den vergangenen fast zwei Jahren die Vorzüge von Home Office und Remote Work festgestellt.
Doch wie sieht die rechtliche Situation in Deutschland aus? Darüber haben wir mit Trixi Hoferichter, Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin, im Interview gesprochen.
Wohnortabhängige Gehaltsmodelle sind in Deutschland erlaubt
BASIC thinking: Frau Hoferichter, in den USA sind wohnortabhängige Gehaltsmodelle üblich. Wie sieht die rechtliche Situation diesbezüglich in Deutschland aus?
Trixi Hoferichter: Ein wohnortabhängiges Gehaltsmodell wäre in Deutschland rechtlich zulässig. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz muss ein Arbeitgeber zwar vergleichbare Arbeitnehmer gleichbehandeln.
Allerdings sind Arbeitnehmer, die in unterschiedlichen Regionen wohnen, aufgrund der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten, nicht vergleichbar. Außerdem ist der Wohnsitz kein Kriterium des Paragraf 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sodass auch eine unzulässige Diskriminierung ausscheidet.
In der Beamtenbesoldung existiert bereits seit Jahrzehnten ein wohnortabhängiges Besoldungsmodell, bei dem für die gleiche Position Abstufungen der Besoldung je nach Wohnsitz oder Dienstort vorgenommen werden oder zumindest vorgenommen werden könnten.
Die Rechtmäßigkeit dieser Besoldungsanpassungen wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt (BVerfG, Urteil vom 06.03.2007 – 2 BvR 556/04, Rn. 62).
Auch bei Tarifverträgen gibt es wohnortabhängige Unterschiede. So erhalten Beschäftigte in West- und Ostdeutschland beispielsweise nach dem aktuellen Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie zwar das gleiche Gehalt. In Ostdeutschland haben die Arbeitnehmer aber eine höhere Wochenarbeitszeit, was somit einen niedrigeren Stundenlohn bedeutet.
Gehaltskürzung im Home Office in Deutschland: Nicht erlaubt, aber …
Sind Gehaltskürzungen aufgrund von Arbeit im Home Office in Deutschland erlaubt?
Eine Gehaltskürzung aufgrund von Arbeit im Home Office ist in Deutschland bei bestehenden Arbeitsverhältnissen grundsätzlich nicht möglich, da bereits im Arbeitsvertrag eine Vergütung festgelegt wurde. Der Arbeitgeber kann demnach nicht einfach einseitig die Vergütung des Arbeitnehmers herabsetzen.
Auch der Umweg über eine Änderungskündigung steht dem Arbeitgeber nicht offen, da die hohen Voraussetzungen für eine Änderungskündigung bei einem Wechsel in das Home Office nicht vorliegen. Eine Gehaltskürzung ist somit nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers rechtlich zulässig – etwa im Rahmen der Verhandlung über eine Home-Office-Vereinbarung.
Und wie sieht die Rechtslage bei Neueinstellungen aus?
Bei Neueinstellungen stellt sich die Rechtslage anders dar. Hier kann der Arbeitgeber eine bereits vorhandene Position mit einer niedrigeren Vergütung gegenüber den bereits beschäftigten Arbeitnehmern ausschreiben.
Als Legitimation für eine Herabsetzung der Vergütung kommen ersparte Fahrtkosten des Arbeitnehmers sowie allgemein niedrigere Lebenshaltungskosten in Betracht.
Arbeitsrechtliche Probleme könnten jedoch dann bestehen, wenn in einem Unternehmen mehr Frauen oder mehr Männer von einer derartigen Regelung betroffen sind. Dann könnte je nach Einzelfall eine wegen Paragraf 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegen.
Gehalt und Arbeitsort lassen sich rechtlich verbinden
Lässt sich das Gehalt in Deutschland überhaupt an den Arbeitsort koppeln?
Eine Kopplung des Gehalts an den Arbeitsort wäre in Deutschland rechtlich zulässig. Der Arbeitsort ist kein Kriterium des Paragraf 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sodass keine unzulässige Diskriminierung vorliegt.
Eine Vereinbarung von unterschiedlichen Gehaltshöhen, je nach Arbeitsort, wäre somit von der Vertragsfreiheit gedeckt. Bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen wäre jedoch auch hier eine Zustimmung des Arbeitnehmers notwendig.
Erste Unternehmen in Deutschland zahlen bereits jetzt unterschiedlich hohe Gehälter je nach Arbeitsort. So nutzt etwa der Software-Hersteller SAP „Gehaltsbänder“, um unterschiedliche Lebenshaltungskosten an den verschiedenen SAP-Standorten bei der Gehaltshöhe zu berücksichtigen.
Gehaltskürzung im Home Office: Bestehende Verträge nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers anpassbar
Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn sie den Lohn an bestimmte Faktoren (Ort, Arbeitszeit etc.) binden wollen?
Bei Neueinstellungen besteht für den Arbeitgeber aufgrund der, auch im Arbeitsrecht geltenden, Vertragsfreiheit ein großer Spielraum für derartige Anpassungen. Grenzen können sich jedoch einerseits aus verschiedenen arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen wie etwa dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ergeben.
So wäre zum Beispiel die Kopplung des Lohns an die Ableistung einer werktäglichen Arbeitszeit, die die Grenzen des Paragraf 3 ArbZG überschreitet, arbeitsrechtlich unzulässig.
Andererseits kann sich eine Gehaltsuntergrenze aus einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Mindestlohnverordnung ergeben, was den Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers zumindest in eine Richtung beschränkt.
Bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen ist eine Kopplung des Lohns an bestimmte Faktoren schwieriger, da bereits arbeitsvertraglich ein Lohn vereinbart wurde. Eine Änderung ist daher nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers möglich.
Des Weiteren ist in Unternehmen mit Betriebsrat zu beachten, dass diesem gemäß Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn Fragen des mobilen Arbeitens betroffen sind. Gehaltskürzungen aufgrund von Home Office bei Neueinstellungen könnten daher an der Zustimmung des Betriebsrats scheitern.
Wichtige rechtliche Hinweise rund ums Home Office
Worauf sollten Arbeitnehmer achten, wenn derartige Regeln – vor allem mit Blick auf das Home Office – im Arbeitsvertrag auftauchen?
Arbeitnehmer sollten darauf achten, dass der Arbeitsvertrag oder die Home-Office-Vereinbarung detaillierte Regelungen zum zeitlichen Umfang, zur Vergütung, zur Erreichbarkeit und zur technischen Ausstattung des Heimarbeitsplatzes enthält.
Selbst bei einer Gehaltskürzung könnte das Home Office die attraktivere Option für den Arbeitnehmer sein. Neben finanziellen Einsparungen durch ersparte Fahrtkosten und niedrigere Lebenshaltungskosten kann sich ein Arbeitnehmer auch das tägliche Pendeln im Berufsverkehr ersparen.
Zudem ist im Home Office oft ein konzentrierteres Arbeiten möglich als zum Beispiel in einem lauten Großraumbüro. Trotzdem sollte ein Arbeitnehmer keine zu große Gehaltskürzung hinnehmen, um im Home Office arbeiten zu dürfen. Schließlich profitiert auch der Arbeitgeber von diversen Einsparungen – wie etwa einem reduzierten Bedarf an angemieteten Büroflächen.
Im Hinblick auf die Erreichbarkeit sollte bereits im Arbeitsvertrag festgehalten werden, dass der Arbeitnehmer nicht permanent erreichbar sein muss, sondern nur während der vereinbarten Arbeitszeit. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gelten auch für die Arbeit im Home Office.
Zudem empfiehlt es sich zur Vermeidung von Streitigkeiten bereits im Arbeitsvertrag oder in der Home-Office-Vereinbarung festzuhalten, mit welchen technischen Geräten der Arbeitgeber den Heimarbeitsplatz des Mitarbeiters ausstattet und ob auch eine private Nutzung der Geräte erlaubt ist.
Ein Gehaltsmodell mit Zukunft
Glauben Sie, dass wohnortabhängige Gehaltsmodelle in Zukunft auch in Deutschland eine Rolle spielen werden?
Wohnortabhängige Gehaltsmodelle werden auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Einerseits hat die Corona-Pandemie das Arbeitsmodell Home Office noch populärer gemacht. Andererseits wird Home Office auch durch die zunehmende Digitalisierung für immer mehr Unternehmen eine realistische Option mit zahlreichen Vorteilen für alle Beteiligten.
So bietet eine Tätigkeit im Home Office dem Arbeitnehmer eine deutlich erhöhte Flexibilität. Zudem profitiert er vom Wegfall von Fahrtkosten und -zeiten.
Der Arbeitgeber profitiert unter anderem von Einsparungen bei der Anmietung von Büroflächen. Des Weiteren koppeln bereits heutzutage erste Unternehmen in Deutschland die Gehaltshöhe an die Region, um unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hoferichter!
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