Grün Wirtschaft

Koalitionsvertrag: Das sind die Pläne für Steuern, Digitalisierung und Mobilität

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unsplash.com/ Tim Hüfner, Montage: BASIC thinking
geschrieben von Fabian Peters

Rund zwei Monate nach der Bundestagswahl haben SPD, FDP und Grüne einen gemeinsamen Koalitionsvertrag präsentiert. Das Dokument umfasst über 170 Seiten und soll Grundlage für die Pläne der künftigen Bundesregierung sein. Doch was steht drin im Koalitionsvertrag der Ampelparteien?

Neuer Koalitionsvertrag nach zwei Monaten

Die Koalitionsverhandlungen sind beendet. Die künftige Bundesregierung steht – zumindest auf dem Papier. Denn am 24. November 2021 haben SPD, FDP und Grüne einen gemeinsamen Koalitionsvertrag präsentiert. Er bildet die Grundlage für die künftige Regierung und Zusammenarbeit der sogenannten Ampel-Koalition.

Die Tatsache, dass die drei Ampel-Parteien für ihre Koalitionsverhandlungen „nur“ rund zwei Monate benötigt haben, ist insofern erstaunlich, als dass die Regierungsbildung in der Vergangenheit deutlich länger gedauert hat.


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Nach der Bundestagswahl im Jahr 2017 kam es beispielsweise erst nach rund sechs Monaten zu einer Regierung. Wobei angemerkt sei, dass die damaligen Verhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen zunächst scheiterten. Es folgten Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und der SPD, die letztlich auch zu einer Regierung führten.

Olaf Scholz soll Anfang Dezember zum neuen Bundeskanzler gewählt werden

Nach der Bundestagswahl im Jahr 2013 kam es derweil nach rund drei Monaten zu einer Regierungsbildung – damals ebenfalls bestehend aus Union und SPD. Bis es diesmal so weit ist, müssen die Gremien der drei Ampel-Parteien den ausgehandelten Koalitionsvertrag noch absegnen.

Während SPD und FDP die Vereinbarung auf ihren Parteitagen billigen lassen wollen, lassen die Grünen ihre Mitglieder darüber abstimmen. Laut dem aktuellen Zeitplan der Ampel-Parteien soll der bisherige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Woche um den 6. Dezember 2021 im Parlament zum neuen Bundeskanzler gewählt werden.

Auch die Vergabe der verschiedenen Ministerien steht fest. Allerdings noch nicht in konkret personeller Hinsicht. Aber was genau planen SPD, FDP und Grüne als künftige Bundesregierung? Und: Was steht im Koalitionsvertrag?

Welche Partei konnte sich wo durchsetzen? Und wer musste wo zurückstecken? In unserer Analyse möchten wir einen Überblick verschaffen. Den Fokus richten wir dabei vor allem auf die Themen Steuern, Digitalisierung und Mobilität.

Koalitionsvertrag: Steuern

Der neue Koalitionsvertrag ist betitelt mit „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Jeder der drei Begriffe steht dabei symbolisch für eine der drei Parteien: FDP (Freiheit), Gerechtigkeit (SPD) und Nachhaltigkeit (Grüne). Mit dem über 170-seitigen Koalitionsvertrag möchten die drei Ampel-Parteien dabei vor allem eines: „Mehr Fortschritt wagen“.

Aber was bedeutet das konkret für Steuerzahler:innen? Radikale Änderungen wird es in puncto Steuern zunächst einmal nicht geben. Wie im Sondierungspapier bereits angedeutet, will die Ampel-Koalition keine neuen Substanzsteuern einführen. Heißt konkret: Es wird keine Vermögenssteuer geben.

Hier konnte sich vor allem die FDP durchsetzen, die wesentliche Steuererhöhungen schon im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen hat.

Einkommens-, Mehrwert- und Unternehmenssteuer bleiben also (zunächst) einmal gleich. Im Gegensatz zum Sondierungspapier fehlt im Koalitionsvertrag jedoch die explizite Formulierung, die Steuererhöhungen in Zukunft grundsätzlich ausschließt.

Der Mindestlohn von 12 Euro kommt

Ein wesentlicher Bestandteil der Koalitionsvereinbarung und gleichzeitig ein zentrales SPD-Wahlkampfthema: die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Den wollen die Ampel-Parteien bereits im ersten Amtsjahr einführen und umsetzen. Die Entgeltgrenze für Mini-Jobs soll dementsprechend auf 520 Euro pro Monat angehoben werden.

Höhere Löhne bedeuten für den Fiskus in diesem Zusammenhang jedoch auch automatisch: mehr Steuereinnahmen. Die kommende Ampel-Regierung möchte außerdem an der Schuldenbremse festhalten. Heißt konkret: Sie darf nicht mehr Geld ausgeben, als sie durch Steuern einnimmt.

Die Haushalte von Bund und Ländern will das Dreierbündnis zudem ohne zusätzliche Kredite ausgleichen. Die Schuldenbremse soll dabei die Staatsverschuldung begrenzen. Sie ist zudem im Grundgesetz verankert. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde sie vorübergehend ausgesetzt, soll ab 2023 aber wieder in Kraft treten.

Klimaschutz, Verkehr und Digitalisierung: Eine Frage der Finanzierung

Eine der zentralen Fragen, die sich bereits beim Sondierungspapier aufgetan hat, bleibt auch mit Blick auf den Koalitionsvertrag bestehen: Wie wollen die Ampel-Parteien die geplanten Investitionen in Klimaschutz, Verkehr und Digitalisierung finanzieren?

Zwar wird der Koalitionsvertrag in puncto Finanzhaushalt etwas konkreter als das Sondierungspapier. Allerdings wird sich die Frage nach der Finanzierung vermutlich erst im Laufe der Amtszeit der kommenden Bundesregierung final beantworten lassen.

Die drei Ampel-Parteien setzen dabei vor allem auf zusätzliche Steuereinnahmen durch wirtschaftliches Wachstum. Den Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung wollen die drei Parteien intensivieren. Von rund 100 Milliarden Euro, die dem Staat bisher durch die Lappen gingen, ist dabei oftmals die Rede.

400.000 neue Wohnungen und ein neues Ministerium

Das Thema Wohnen ist ein wesentlicher Bestandteil der Koalitionsvereinbarung und ein zentrales Anliegen aller drei Parteien.

Die kommende Ampel-Koalition hat sich deshalb auf den Bau von rund 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr geeinigt. Um das zu realisieren, wird es in der künftigen Regierung ein neues Ministerium für Bauen und Wohnen geben.

Da das Thema schon im Wahlkampf ein zentrales Anliegen der SPD war, erhält die Partei von Bald-Bundeskanzler Olaf Scholz auch den entsprechenden Ministerposten. Die bisherige Grundsicherung in Form von Hartz IV soll außerdem einem Bürgergeld weichen.

Koalitionsvertrag: Digitalisierung

Das Wort „digital“ taucht im Koalitionsvertrag fast 200 Mal auf. Das zentrale Anliegen der drei Ampel-Parteien in puncto Digitalisierung: die Entbürokratisierung der Verwaltung. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag schreiben sie dazu:

Für langes Schlangestehen im Bürgeramt wegen einfachster Vorgänge hat zurecht niemand mehr Verständnis.

Ziel sei es, Prozesse zu digitalisieren, zu standardisieren und vor allem: Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Mit Blick auf die Schulen setzt die kommende Ampel-Regierung auf einen Digitalpakt 2.0. Er soll stabile Internetverbindungen (WLAN), digitale Endgeräte wie Computer, Tablets und Co. sowie digitale Lernmaterialien garantieren.

Die deutschen Verwaltungsbehörden sollen zudem auf den neusten Stand gebracht werden. Heißt konkret: Die Behörden sollen die notwendige Technik erhalten. Außerdem sollen die IT-Schnittstellen zwischen Bund und Ländern standardisiert und neue digitale Portale geschaffen werden – beispielsweise für Umweltdaten.

Koalitionsvertrag: Mobilität

In puncto Mobilität strebt die künftige Bundesregierung eine nachhaltige Wende an. Die Ampel-Parteien wollen den Markt für Elektroautos stärken und eine flächendeckende Ladeinfrastruktur garantieren. Ein weiteres zentrales Anliegen: eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

Spätestens im Jahr 2030 sollen laut den Ampel-Parteien 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wird es derweil nicht geben. Hier konnte sich eindeutig die FDP durchsetzen. Vor allem die Grünen, aber auch die SPD mussten zurückstecken.

Mit Blick auf den Verbrennungsmotor bleibt es bei einem Aus im Jahr 2035. Die Grünen hatten zunächst einen schnelleren Ausstieg für das Jahr 2030 gefordert. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus.

Der Koalitionsvertrag in Sachen Klimaschutz

Die Ampel-Koalition verfolgt das Ziel, dass Deutschland spätestens im Jahr 2045 klimaneutral ist. Um das zu realisieren, wollen die drei Parteien massiv in erneuerbare Energien investieren und diese ausbauen. Vor allem die Planungsverfahren für den Bau von Windrädern sollen beschleunigt werden.

Damit das gelingt, sollen die Bundesländer zwei Prozent ihrer jeweiligen Fläche für die Windenergie ausweisen. Der Strompreis für Privathaushalte und Unternehmen soll derweil sinken. Dazu will die Ampel die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis stoppen.

Ausstieg aus dem Kohlestrom „idealerweise“ bereits im Jahr 2030

Der Ausstieg aus der Kohlestromversorgung soll laut Koalitionsvertrag beschleunigt werden. Das soll „idealerweise“ bereits bis 2030 gelingen. Ursprünglich war von einem Ausstieg im Jahr 2038 die Rede.

Zwar konnten sich hier die Grünen in einem ihrer Kernthemen durchsetzen. Allerdings ist die Formulierung „idealerweise“ doch recht schwammig und lässt einiges an Interpretationsspielraum zu. Am Atomausstieg halten die Ampelparteien derweil fest.

Ab 2022 soll zudem ein Klimaschutz-Sofortprogramm kommen. Jedes gesetzliche Vorhaben soll dann einem sogenannten Klimacheck unterzogen werden. Dabei geht es konkret um eine Überprüfung der Vereinbarkeiten von potenziellen Gesetzen mit den selbst gesteckten Klimaschutzzielen.

In puncto Solarenergie sollen Photovoltaikanlagen auf den Dächern von gewerblichen Neubauten zur Pflicht werden. Im privaten Sektor soll es „die Regel werden“.

Die Verteilung der Ministerien unter der künftigen Ampel-Koalition

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien sieht offenbar 17 Ministerien vor. Das ist eines mehr als bei der bisherigen Bundesregierung – nämlich das Ministerium für Bauen und Wohnen. Zwar ist die Verteilung der verschiedenen Ressorts bereits entschieden. Allerdings ist die personelle Besetzung in manchen Fällen noch offen.

In Klammern präsentieren wir deshalb unter Vorbehalt die wahrscheinlichen oder voraussichtlichen Personalien. Welche Politiker:innen welchen Posten erhalten, wollen die drei Ampel-Parteien nach ihren internen Abstimmungen final bekannt geben, spätestens jedoch bei der Kabinettsbildung Anfang Dezember 2021.

Die Ministerien der SPD:

  • Bundeskanzleramt/Kanzleramtschef (Wolfgang Schmidt)
  • Innenministerium (Christine Lambrecht)
  • Gesundheitsministerium (Petra Köpping)
  • Bundesministerium für Arbeit & Soziales (Hubertus Heil)
  • Verteidigungsministerium (Siemtje Möller)
  • Bundesministerium für Bauen und Wohnen (Svenja Schulze)
  • Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Klara Geywitz)

Die SPD wird mit Olaf Scholz zudem den künftigen Bundeskanzler stellen.

Die Ministerien der Grünen:

  • Auswärtiges Amt/Außenministerium (Annalena Baerbock)
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Robert Habeck)
  • Familienministerium (Anne Spiegel)
  • Landwirtschaftsministerium (Cem Özdemir)
  • Umweltministerium (Steffi Lemke)

Die Grünen stellen mit Robert Habeck, der das Wirtschaftsministerium, das um das Ressort Klimaschutz erweitert werden soll, vermutlich auch den Vizekanzler.

Die Ministerien der FDP:

  • Finanzministerium (Christian Lindner)
  • Justizministerium (Marco Buschmann)
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (Bettina Stark-Watzinger)
  • Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Volker Wissing)

Fazit: Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien

Ob der Koalitionsvertrag und die künftige Bundesregierung einen wirklichen Fortschritt mit sich bringt oder nur den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt, wird sich zeigen. Die geplanten Vorhaben in puncto Digitalisierung, Elektromobilität und Klimaschutz sind ambitioniert. Ob sie aber auch ausreichen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen, ist noch unklar.

Kritiker:innen wie die Fridays-for-Future-Bewegung bemängeln beispielsweise, dass das im Pariser Klimaabkommen verankerte sogenannte 1,5-Grad-Ziel, mit den bisherigen Plänen nicht eingehalten werden könne.

Schwachstellen bei der Finanzierung

Mit Blick auf das vor den Verhandlungen präsentierte Sondierungspapier tauchen fast alle enthaltenen Punkte auch im Koalitionsvertrag auf. In vielen Fällen werden die Ampel-Parteien zudem deutlich konkreter. Bezüglich der Finanzierung der vereinbarten Vorhaben und Ziele muss sich die Ampel jedoch nach wie vor Kritik gefallen lassen.

Denn wie nach den vorherigen Sondierungen bleibt auch der Koalitionsvertrag vor allem mit Blick auf die Finanzen schwammig. Der künftige Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte dazu: „Wir wissen genau, wie wir‘s bezahlen.“

Ob und in wieweit sich der Koalitionsvertrag vor diesem Hintergrund umsetzen lässt, wird sich letztlich in der kommenden Legislaturperiode zeigen.

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Über den Autor

Fabian Peters

Fabian Peters ist seit Januar 2022 Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Redakteur und freier Autor tätig. Er studierte Germanistik & Politikwissenschaft an der Universität Kassel (Bachelor) und Medienwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (Master).