Wirtschaft

Zwischenstand beim Pilotprojekt: Vier-Tage-Woche ist machbar in Deutschland – mit Hindernissen

Vier-Tage-Woche in Deutschland
Unsplash.com / Campaign Creators
geschrieben von Redaktion

Die Vier-Tage-Woche ist seit Jahren in aller Munde und wirft Fragen auf: Lässt sie sich realisieren? Bringt sie was? Und was kostet der Spaß? Fragen, auf die im Rahmen von weltweiten Pilotstudien Antworten gesucht (und gefunden) wurden. 300 Unternehmen haben bereits international teilgenommen. Seit Februar sind auch 45 deutsche Firmen dabei. Eine Zwischenbilanz.

Bye-bye, Vier-Tage-Woche 

Rund um die Welt haben Unternehmen ein Problem: Burnout, Unzufriedenheit und „innere Kündigung“ unter Mitarbeitern grassieren, Krankmeldungen erreichen Rekordhöhen. Schon 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer globalen Analyse festgestellt, dass zu viel Arbeit die Zahl der Todesfälle durch Herzkrankheiten und Schlaganfälle erhöht. Natürlich drückt all das auch die Produktivität.

Dieser Misere soll mit der Vier-Tage-Woche der Kampf angesagt werden. Die gemeinnützige Organisation 4 Day Week Global befindet sich seit 2019 auf einem Kreuzzug zur Ausrottung der Fünf-Tage-Woche. Bislang wurden unter anderem Pilotprojekte in UK, Südafrika, Portugal und den USA durchgeführt.

Beachtliche Resultate

Die auf der Website der Non-Profit-Organisation veröffentlichten erzielten Ergebnisse klingen beeindruckend: So sollen 36 Prozent der teilnehmenden Unternehmen ihren Jahresumsatz im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben, 42 Prozent verzeichneten sinkende Kündigungszahlen, 63 Prozent der Firmen fiel es leichter neues Personal anzuwerben und 64 Prozent berichteten eine Verringerung von Burnoutfällen. Sprich: Die Teilnehmer waren weniger gestresst, gesünder und sogar die Produktivität erhöhte sich.

Diese drei IT-Stellen stehen diese Woche offen:

2022 testeten 61 Unternehmen in Großbritannien die Vier-Tage-Woche ein halbes Jahr lang bei vollem Lohn und der Versuch erwies sich als voller Erfolg: 56 entschlossen sich, die neue Regelung fortzusetzen.

Die Gründe dafür decken sich mit den bereits erwähnten: erhöhte Produktivität sowie gesündere und ausgeglichenere Mitarbeiter. Aber sind diese Veränderungen dauerhaft? Das wurde in einer britischen Folgestudie zwei Jahre später untersucht. Demnach war bei 51 der 61 Firmen die verkürzte Woche bei gleichem Lohn noch aktiv. Rund 30 Unternehmen nahmen an der Folgestudie teil und gaben an, dass die Auswirkungen der Vier-Tage-Woche weiterhin positiv oder sehr positiv seien.

Pilotprojekt in Deutschland

Ab Februar dieses Jahres gab es auch in Deutschland einen auf sechs Monate angelegten Modellversuch. 45 Unternehmen aus Industrie, Unterhaltung, Handel, Energieversorgung und IT hielten einen Zeh ins (bislang) kalte Wasser der Vier-Tage-Woche. Initiiert wurde das Projekt von der Unternehmensberatung Intraprenör in Partnerschaft mit 4 Day Week Global.

Julia Backmann, Professorin für die Transformation der Arbeitswelt an der Universität Münster, begleitete es wissenschaftlich. Vor kurzem wurde ein Zwischenbericht veröffentlicht. Die Bilanz: für einige geht das Konzept „100-80-100“ (100 Prozent Leistung, 80 Prozent der Zeit, 100 Prozent Bezahlung) auf, für andere nicht so recht.

Deutschland will, aber kann es auch?

Insgesamt taten sich die Unternehmen mit der Verkürzung der Arbeitszeit schwer. Nach drei Monaten hatten nur 38 Prozent der Firmen effektiv die Vier-Tage-Woche eingeführt. Der Großteil der Betriebe reduzierte die Arbeitszeit nicht wie geplant um 20 Prozent, sondern 48 Prozent der Firmen nur auf bis zu zehn Prozent (Viereinhalb-Tage-Woche) und 15 Prozent zwischen elf und 19 Prozent. 

Carsten Meier, Co-Initiator des Projekts und Mitgründer der Unternehmensberatung Intraprenör, erklärte: „Es geht dabei nicht nur um die Anpassung der Arbeitsprozesse, sondern auch darum, wie man das Team in diesem Veränderungsprozess führt.“

Drei weitere Unternehmen, die derzeit Tech-Profis suchen:

Zudem wurde die Arbeitszeit bei knapp 40 Prozent der teilnehmenden Betriebe nur für bestimmte Teams oder Mitarbeiter reduziert. Zahlreiche Unternehmen haderten auch mit der Vorbereitung und starteten das Pilotprojekt mit Verspätung. Zwei stiegen nach zwei Monaten komplett aus, eines verschob das Projekt auf 2025.

„Im internationalen Vergleich kann man durchaus sagen, dass Deutschland etwas konservativer bei der Arbeitszeitverkürzung ist als andere Länder“, resümierte Julia Backmann. „Bei einigen klappt es aber auch noch nicht, die verkürzte Arbeitszeit einzuhalten.“

Nach Angaben von Intraprenör unterschätzten die teilnehmenden Firmen oft „die Umstellung von Arbeitsweisen und Prozessen, die für eine erfolgreiche Vier-Tage-Woche notwendig sind“.

Lichtblick: Beliebtheit bei Bewerbern steigt

„Die Ergebnisse sind noch mit Vorsicht zu genießen, aber was wir jetzt schon erkennen können, ist, dass die Unternehmen, die mit einer Vier-Tage-Woche werben, sehr viel mehr Bewerbungen bekommen als vorher“, erklärte Carsten Meier. Der Grund: Flexible Arbeitgeber stehen hoch im Kurs.

Aber auch bei bestehenden Mitarbeitern fiel das Pilotprojekt auf fruchtbaren Boden: „Wir bekommen die Rückmeldung, dass die Partizipation steigt“, so Meier. Teilnehmer schlugen zum Beispiel Anpassungen im Berufsalltag für eine effizientere Arbeitsgestaltung vor. Das Mehr an freier Zeit führte bei manchen Angestellten auch dazu, Themen kreativer anzupacken und Vorgangsweisen zu optimieren.

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Autor: Frank H. Diebel


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