Die Bundesregierung fördert gemeinsam mit Hessen und Rheinland-Pfalz zwei Standorte zur Lithiumgewinnung im Oberrheingraben. Über 100 Millionen Euro sollen in Projekte in den beiden Bundesländern fließen, die von deutschen Tochtergesellschaften des australischen Unternehmens Vulcan Energy Resources durchgeführt werden. In unserem Format „Break The News“ haben wir die Hintergründe entschlüsselt.
Hintergrund: Lithium aus Deutschland
- Lithium ist ein wichtiger Bestandteil von Akkus für E-Autos, Smartphones oder Laptops. Deutschland deckt seinen Bedarf bislang ausschließlich über Importe – aus Australien, Argentinien, Chile und China. Das betrifft in erster Linie die Automobilindustrie. Sowohl Politik und Wirtschaft hoffen deshalb auf mehr Unabhängigkeit – in Form eines Lithium-Abbaus in Deutschland.
- Vulcan Energy investiert 690 Millionen Euro in die beiden Projekte. Der Bund unterstützt mit 103,6 Millionen Euro, von denen Hessen und Rheinland-Pfalz jeweils 30 Prozent kofinanzieren. Das Vorhaben sieht eine Anlage zur Gewinnung von Lithiumchlorid in Landau sowie eine Anlage zur Weiterverarbeitung zu Lithiumhydroxidmonohydrat in Frankfurt-Höchst vor. Die Kapazität soll bei 24.000 Tonnen liegen, was für 500.000 E-Autos reichen würde.
- Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt den deutschen Lithium-Bedarf für 2030 auf rund 170.000 Tonnen pro Jahr. Eine Studie des Fraunhofer Instituts geht in Norddeutschland von 390.000 bis 26,51 Millionen Tonnen Lithium im Untergrund aus. Die breite Spanne offenbart das erste Problem. Denn: Sämtliche Abbaugebiete sind bislang kaum erschlossen. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt – auch kein Lithium.
Einordnung: Chancen und Risiken
Vulcan Energy setzt bei seinen Förderprojekten auf direkte Lithiumextraktion (DLE). Dabei wird geothermisches Tiefenwasser (Sole) aus bis zu 5.000 Metern gefördert, Lithium entzogen und das Wasser anschließend wieder in den Untergrund zurückgeführt.
Die Hoffnung: Energie und Lithium zugleich – ohne eine Umweltzerstörung wie in Chile oder Bolivien. Denn Vulcan Energy hat ein Geothermie-Kraftwerk vor Ort gekauft.
Das 160 Grad Celsius heiße Tiefenwasser wird dabei unverändert zur kommunalen Fernwärme-Versorgung verwendet. Abgekühlt auf 60 Grad soll dem Wasser in mehreren Schritten mithilfe von Ionentauschern, Elektroden und Spezialfiltern das Lithium entzogen werden.
Das Unternehmen verspricht CO2-neutrale Verfahren und einen geringen Chemieeinsatz. Die EU scheint von dem Projekt überzeugt. In der Realität steckt die Technologie aber noch in den Kinderschuhen – und hat sich kommerziell noch nicht bewiesen.
Vor Ort sind die Reaktionen gemischt. In allen betroffenen Orten haben sich kritische Bürgerinitiativen gegründet, auch der NABU sieht ökologische Risiken, aber auch Chancen für eine geopolitische Unabhängigkeit Deutschlands, wenn Wirtschaft und Naturschutz gemeinsam gedacht werden.
Das Verfahren von Vulcan Energy scheint zumindest weitaus ausgereifter als in manch anderen Regionen wie im Erzgebirge – muss sich in der Praxis aber erst noch beweisen.
Stimmen
- Stefan Rouenhoff, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, sieht den Erfolg des Projekts bereits in Metall gemeißelt: „Mit der Unterstützung der Investitionsvorhaben von Vulcan Energy tragen wir dazu bei, dass in Deutschland eine nachhaltige Lithiumproduktion aufgebaut werden kann. Dadurch verringern wir bestehende Rohstoffabhängigkeiten und stärken die Resilienz unserer Lieferketten.”
- Vulcan Energy-Chef Cris Moreno freut sich natürlich über die Unterstützung durch Bund und Länder: “Die Förderung wird es uns ermöglichen mit unserem Projekt nachhaltiges, inländisches Lithium für die deutsche und europäische Elektromobilbranche bereitzustellen. Der Rohstoff ist der Treiber der Energiewende und entscheidend für den Umstieg zur Elektromobilität.“
- Die Tiefen-Geothermie hat in Deutschland bereits kleinere Erdbeben ausgelöst. Geowissenschaftler halten das Risiko im Oberrheingraben zwar für gering. Ortsansässige wie Werner Müller, Vorsitzender einer Bürgerinitiative, zeigen sich dennoch besorgt: „Das Risiko eines Erdbebens ist da. Und wenn es passiert, ist das für die gesamte Region eine Katastrophe. Wir haben die Sorge, dass Schäden im Untergrund entstehen, die nicht beherrschbar sind und vielleicht erst in Jahren auftreten.“
Ausblick: Lithium aus Deutschland für mehr Unabhängigkeit
Um den Klimawandel und die Energiewende zu meistern, führt an Lithium in den kommenden Jahren kein Weg vorbei. Mittlerweile gibt es mit Feststoff-Akkus zwar eine vielversprechende Alternative zu Lithium-Batterien, die sowohl eine höhere Energiedichte als auch eine längere Lebensdauer verspricht.
Doch marktfähige Feststoffbatterien werden erst im Jahr 2028 erwartet – von einer Massenproduktion ganz zu schweigen. Lithium bleibt deshalb vermutlich auch über 2030 hinaus zunächst eines der wichtigsten Metalle in der Batterieproduktion.
Dass Deutschland mehr Unabhängigkeit bezüglich seines Lithium-Bedarfs anstrebt ist verständlich – und der politische Wille dafür ist da. Ebenso wie die geologische Chance. Die Fördergelder werden deshalb fließen und die Bohrmaschinen laufen.
Doch was ist, wenn das Vorhaben nicht hält, was es verspricht? Oder die Umweltfolgen größer sind als kalkuliert? Das wird sich letztlich nicht im Bundeshaushalt entscheiden, sondern in den Bohrlöchern – und zwar hoffentlich nicht nur mit Dollarzeichen in den Augen, sondern auch mit Blick auf die Umwelt.
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